Fenster zum Jenseits

Dokumentarfilm | Schweiz 2012 | 95 Minuten

Regie: O'Neil Bürgi

Dokumentarfilm über drei Schweizer, die sich paranormalen Erscheinungen verschrieben haben. Der klug montierte Film begleitet einen Förster, der angeblich von Kindesbeinen an Tote sehen kann, einen Sozialpädagogen, der als Medium arbeitet, sowie einen skeptischen Wissenschaftler, der die Existenz der Geister beweisen will, bei ihrem Umgang mit dem Übersinnlichen. Die sorgfältige Inszenierung verwendet genretypisch Zeitraffer und eine suggestive Musik und enthält sich jeden Off-Kommentars, kommt dort aber an eine grundsätzliche Grenze, wo die Existenz unsichtbarer Wesen behauptet wird.
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Filmdaten

Originaltitel
FENSTER ZUM JENSEITS
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
O'Neil Entertainment
Regie
O'Neil Bürgi
Buch
O'Neil Bürgi
Kamera
Emilio Cocciadiferro
Musik
Daniel Laufer
Schnitt
O'Neil Bürgi · Louis F. Golay
Länge
95 Minuten
Kinostart
12.12.2012
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Es ist nicht zu vermuten, dass die Schweizer ein sonderlich abergläubisches Volk sind. Nichtsdestotrotz entstehen in Helvetien in jüngster Zeit Dokumentarfilme, die sich mit paranormalen Phänomenen auseinander setzen. 2008 ging die Zürcherin Susanna Hübscher der Frage nach, ob Menschen ihre verstorbenen Liebsten im Jenseits kontaktieren können – und kam in ihrem Film „Beyond Farewell. Antennen ins Jenseits“, der durch den in die Zeit der Dreharbeiten fallenden Tod ihres Vaters sehr persönlich gefärbt war, zu erstaunlichen Erkenntnissen. Zwei Jahre später zog der Luzerner Edwin Beeler mit Mikrofon und Kamera durch die Innerschweiz und stellte mit „Arme Seelen“ einen grandios schön fotografierten, mit raffinierter Tonspur versehenen Dokumentarfilm vor, dessen Protagonisten lebhaft von Begegnungen mit längst Verstorbenen oder dem Leibhaftigen höchstpersönlich erzählen. Nun folgt „Fenster zum Jenseits“ von O’Neil Bürgi. Der Ostschweizer, geboren 1981 und filmisch ein Autodidakt, arbeitet beim Schweizer Fernsehen als Cutter und hat mit dem Kurzspielfilm „One Memory“ (2003) sowie seiner Dokumentation „Dancing With the Storms“ (2009) eine Vorliebe für Extremerfahrungen bewiesen. Seinem neuen Film liegt das von Hans Peter Roth mit Niklaus Maurer verfasste Buch „Orte des Grauens in der Schweiz. Von Spukhäusern, Geisterplätzen und unheimlichen Begebenheiten“ (2006) zugrunde. Was nicht ganz korrekt ist, denn von den knapp 100 Schauerplätzen und Spukgeschichten, die in „Orte des Grauens“ versammelt sind, findet sich in Bürgis Film einzig die Ramsenalp im Diemtigtal wieder. Anzutreffen ist darin als eine Art Führer Hans Peter Roth, ein studierter Geograf und Medienwissenschaftler, der seit bald zwei Jahrzehnten durch die Schweiz zieht und Geschichten zum Thema Spuk und Geister sammelt. Roth ist ein Skeptiker. Einer, der nicht „glaubt“, sondern Gewissheit sucht, Dinge erleben und erfühlen muss und am liebsten (wissenschaftlich) beweisen will. Ihm zur Seite stehen zwei weitere Protagonisten: der Förster Sam Hess, der seit seiner Kindheit Toten begegnet und heute Menschen in mehrtägigen Waldseminaren dabei hilft, ihre Spiritualität zu entdecken, sowie den Sozialpädagogen Andreas Meile, der nebenberuflich als Medium arbeitet. Bürgi hat die drei bei der Arbeit beobachtet und bringt es in der Montage schön auf den Punkt: Obwohl alle drei die Existenz paranormaler Phänomene nicht anzweifeln, ist Hess’ angeborene Selbstverständlichkeit im Umgang damit eine andere als Meiles therapeutische Annäherung. Roth sucht dagegen vor allem Beweise. In der Klimax des Films begleitet Bürgi, der sich jedes (Off-)Kommentars enthält, die drei zum Stelldichein im Kurhotel im bündnerischen Val Sinestra, wo seit geraumer Zeit ein gewisser „Hermann“ umgehen soll. Just hier erreicht der Film den Punkt, an dem alle Geister-Dokus „scheitern“: Der eine spürt etwas, der andere behauptet etwas, auf der Leinwand aber ist nichts zu sehen. Bloß weil Roth eine „Wärme“ packt, ist noch lange kein Beweis erbracht, dass sich hier Paranormales ereignet. So ist „Fenster zum Jenseits“, der genretypisch mit Zeitraffern und subtilem Musikeinsatz arbeitet, eine solide, durchaus faszinierende Spuk-Dokumentation, der man zu Gute halten muss, dass sie sich, eingedenk des Goethe-Spruchs, „Es glaubt doch jeder nur was er versteht“, ihrem Thema mit wohltuend kluger Sorgfalt nähert.
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