Komödie | Deutschland 2023 | 104 Minuten

Regie: Fabian Stumm

Ein Schauspieler und ein Schriftsteller sind schon lange zusammen, doch beide leben zunehmend aneinander vorbei, ohne sich das eingestehen zu wollen. Auch ihre beruflichen Projekte bringen mehr Distanz als Kommunikation mit sich. Der Film bewegt sich in einem Künstlermilieu, doch die in ihm verhandelten Beziehungsprobleme sind universell und nachvollziehbar. Der nicht immer ganz kohärente Film punktet mit einem mal leiseren, mal absurderen Humor und bringt mit der Nichte des Schauspielers eine weitere Hauptfigur ins Spiel, die als anarchisches Gegenstück zu dem Paar fungiert und dessen Probleme relativiert. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Postofilm
Regie
Fabian Stumm
Buch
Fabian Stumm
Kamera
Michael Bennett
Schnitt
Kaspar Panizza
Darsteller
Fabian Stumm (Boris) · Knut Berger (Jonathan) · Marie-Lou Sellem (Jeanne) · Susie Meyer (Carla) · Magnús Mariuson (Tim)
Länge
104 Minuten
Kinostart
18.01.2024
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Ein Schauspieler und ein Schriftsteller sind seit langem ein Paar. Doch es kriselt in der Beziehung. Und auch um die kleine Nichte muss sich jemand kümmern.

Diskussion

Boris und Jonathan streiten. Der eine wirft dem anderen vor, gefühlskalt zu sein. Der andere widerspricht. Die Spannung ist spürbar, die Situation droht zu eskalieren. Doch dann gibt es Entwarnung. Die beiden, bisher nur in Großaufnahme und getrennt gefilmt, sitzen im Bett und proben eine Szene aus dem Drehbuch von Boris’ neuem Film. Zu dem Projekt, auf das Boris sich offensichtlich sehr freut, äußert Jonathan dann aber doch Bedenken. Es gefällt ihm nicht, dass sein Partner sich darin nackt zeigen wird, noch dazu „full frontal“ – unzensiert von vorne. Der Schlagabtausch endet in einem Patt, man geht zu banaleren Handlungen über – Haushalt und ähnliches.

Was tun, wenn eine Beziehung zur Routine zu werden droht und man kaum noch etwas miteinander teilt? Bei Boris (Fabian Stumm) und Jonathan (Knut Berger), die seit acht Jahren miteinander liiert sind, schleichen sich immer mehr Misstöne ein, die den Kitt ihrer Beziehung bröckeln lassen. Gefühle sind durchaus noch vorhanden, doch Stimmungen können rasch kippen. Nachdem die beiden einen Schwarz-weiß-Film mit Maria Schell im Kino gesehen haben und sich darüber bei einem nächtlichen Spaziergang austauschen, gibt es erneut einen Streit. Jonathan findet den Film etwas sentimental, Boris widerspricht. Einer der beiden scheint von den Worten des Partners stets gereizt oder verletzt zu sein; beide machen Szenen, auch wenn keine Türen geknallt werden oder nichts zu Bruch geht.

Rolle und Leben verschmelzen

Zudem sind beide Künstler und sehr mit ihren jeweiligen beruflichen Projekten beschäftigt. Boris spielt in einem autobiografisch angehauchten Werk der französischen Regisseurin Jeanne (Marie-Lou Sellem) mit, in dem einer Frau der Mann von einem anderen Mann ausgespannt wird. Boris kniet sich bei den Proben voll in die Rolle hinein und baut ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner Filmpartnerin auf. Doch dann findet er plötzlich seinen jungen Filmpartner Tim (Magnús Mariuson) sehr attraktiv; Rolle und Leben verschmelzen.

Jonathan hingegen ist ein angesehener Schriftsteller und arbeitet an einem Manuskript, das von Verfall und Tod handelt. Dazu interviewt er Menschen, die sich mit dem Thema auskennen: eine Frau (Anneke Kim Sarnau), die ihren Partner verloren hat, oder den Betreiber eines Bestattungsinstituts (Godehard Giese). Zwischendurch verfolgt man in eingestreuten Episoden die Streiche von Boris’ Nichte Josie. Das etwa 10-jährige Mädchen ruft wildfremde Leute mit seltsamen Namen an, klaut ein Shampoo in einer Drogerie oder gibt sich auf einer Dating-App als Erwachsene aus.

Josie (Alma Meyer-Prescott) fungiert als eine Art anarchischer Pausenclown und relativierendes Element in dem Drama der beiden Erwachsenen, das aber keinesfalls dramatisch erzählt wird, sondern eher lakonisch, mit Ellipsen und Raum für Komik. Missverständnisse können auch dadurch entstehen, dass Boris beim Kaffeeholen einen wichtigen Moment einer Radiosendung verpasst, in dem Jonathan ihn erwähnt.

Die Absurdität festgefahrener Situationen

Der Absurdität festgefahrener Situationen gewinnt Regisseur Fabian Stumm viel Humor ab. Er fungiert als Hauptdarsteller und Drehbuchautor des Films, der ohne Fördergelder gedreht wurde, weil Fabian Stumm sein Projekt so wichtig war, dass er nicht auf die offizielle Finanzierung warten wollte. Es ist ein eigenwilliger Film aus „Knochen und Namen“ geworden, dem man aber gerne folgt.

Die Konflikte der Figuren manifestieren sich dabei in Dialogen, die mitunter zu sehr auf realistisch getrimmt sind, um tatsächlich realistisch zu wirken. Überzeugender wirkt das Ungesagte und Szenen des zunehmenden Aneinandervorbeilebens. In einen weiteren Kontext wird das Paar durch den Vergleich mit anderen Lebensentwürfen gesetzt. Da ist die lange Beziehung von Jonathans Eltern Heidi und Michael (Ruth Reinecke, Ernst Stötzner) oder Jonathans alleinerziehende Schwester Natascha (Doreen Fietz), die ihre Tochter kaum bändigen kann. Mit einer Mischung aus kindlicher Unschuld und Wagemut testet Josie die Grenzen des Machbaren aus. Das geht nicht immer gut. Doch das familiäre Umfeld zwischen Mutter, Großeltern und Onkeln fängt sie auf.

Nicht alles ist kohärent in der Erzählung, einiges wirkt wie Stückwerk, und Szenen, in denen die Figur des Vaters quasi-dokumentarisch in die Kamera spricht, gelingen nur, weil Ernst Stötzner so ein großartiger Schauspieler ist. Zuweilen nimmt der Film improvisatorische Züge an und wirkt dabei im Großen wie die Filmproben mit Jeanne im Kleinen.

Zwei Kreative und ihre Künste

Dennoch gelingt die Skizzierung zweier Kreativer, die ihre Kunst zuweilen zu sehr ins Leben mitnehmen und umgekehrt. Überzeugend gerät auch die Schilderung einer Langzeitbeziehung zwischen Liebe, Empfindlichkeiten, Gewohnheit und nicht immer eingestandener Lust auf Neues zwischen zwei Partnern, die von Fabian Stumm und Knut Berger sehr einnehmend gespielt werden.

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