Dialogues with Madwomen

Drama | USA 1993 | 90 Minuten

Regie: Allie Light

Gespräche mit sechs verrückten Frauen - unter ihnen die Regisseurin -, in denen die Ursachen für ihre Krankheiten und die Behandlungsmethoden dargestellt werden. Die Regisseurin läßt Szenen von Schauspielerinnen nachspielen und montiert sie mit authentischem Bildmaterial aus dem Leben der Betroffenen. Der Film selbst, der nicht mit Schockbildern argumentiert, aber Schockierendes aus dem Familienleben der Frauen berichtet, gibt sich als eine Form der Therapie zu erkennen und appelliert an die Würde und das Recht auf Selbstbestimmung seelisch kranker Menschen. (O.m.d.U.; Fernsehtitel: "Gespräche mit verrückten Frauen")
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Filmdaten

Originaltitel
DIALOGUES WITH MADWOMEN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Light-Saraf Films
Regie
Allie Light
Kamera
Irving Saraf
Musik
Rachel Bagby · Larry Seymour
Schnitt
Irving Saraf · Allie Light
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Genre
Drama | Dokumentarfilm
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Diskussion
Sechs verrückte Frauen im Gespräch mit der Regisseurin, die eine von ihnen ist. Sie erzählen von ihren Familienverhältnissen, ihren Wahnvorstellungen, ihren Diagnosen und Medikamenten, ihrer Rückkehr m die Welt der Normalen. Soziografisch bilden sie einen Querschnitt durch die Bevölkerungsgruppen der USA: eine Schwarze, eine Chinesin, fünf Weiße, eine davon Jüdin, zwei lesbisch. Ihre Leidenswege sind die Kehrseite des "amerikanischen Traums" von den Entfaltungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für jeden und jede und eine Absage an die Ideologie des "melting pot". Ihre Wahnvorstellungen sind gesunde Reaktionen auf zerstörende Erfahrungen, vor allem auf den Verlust von Intimität und eigenem Raum, fast alle wurde auf irgendeine Weise sexuell mißbraucht. Allie Light, selbst mit der Diagnose Depression in klinischer Behandlung, weiß, wovon die Frauen sprechen. Deshalb gibt sie ihnen jetzt den Raum, die Erfahrungen des Wahns nicht nur zu schildern, sondern auch auszuagieren. Doch nur wenige inszenieren sich selbst, die meisten ihrer Vorstellungen werden mit Schauspielern umgesetzt, ihre Visionen werden in symbolhaften Bildern konkretisiert. Zu den Familiengeschichten existiert vielfach authentisches Bildmaterial, Fotos und auch Filme, die Allie Light zitiert.

"Verrückt zu werden", sagt die Regisseurin, "bedeutet, Metaphern zu verstehen." In einer Metapher steht ein Wort für ein anderes, ein bildlicher Ausdruck für einen Sachverhalt. Und so wie sich in der Metapher ein Wort an die Stelle von etwas setzt, das dennoch nicht verschwindet, so setzen sich die Bilder des Wahns an die Stelle des Traumas. Auch die Film-"Sprache" kennt Metaphern, den bildlichen Vergleich, und die bekannteste ist vielleicht die Folge des von der Wolke durchschnittenen Mondes und des zerschnittenen Auges bei Buñuel. Doch in den "Dialogues" sind die Bilder des Films keine filmischen Metaphern, sondern bloße Übersetzungen der Schilderungen ins Bild.

Auch wenn das filmische Verfahren Lights daher eher als mit Buñuel mit den Bebilderungsstrategien des Fernsehfeatures zu vergleichen ist, das zur rollenden Konjunktur im Kommentar noch immer gerne einen Zug zeigt und zum kleinen Mann den Blick in die Einkaufsstraße, so hat ihre Übersetzung doch den Effekt der Normalisierung. Und daß es keine wirklich schockierenden Bilder gibt in diesem Film (das wirklich Schockierende sind die Familiengeschichten und manche Schilderung aus der Psychiatrie), entspricht seiner Absicht, den verrückten Frauen den Wahn zuzugestehen und sie dennoch nicht in allen ihren Lebensäußerungen für unzurechnungsfähig zu erklären. In einer Schlüsselszene offenbart Light den eigentlichen Adressaten ihres Films, ihren ehemaligen Psychiater: "Dr.Schwartz", sagt sie, und beugt sich zur Kamera vor, "ich habe ein College besucht, und ich habe sogar unterrichtet, und jetzt bin ich Regisseurin und mache diesen Film." Dr. Schwartz, der ihr nur nach Verträgen der Art, einen Truthahn zu braten oder die Wohnung zu wischen, gestattete, ein Wochenende statt in der Klinik zu Hause zu verbringen, hatte gemeint, nach der Therapie noch eine Schule zu besuchen, sei überflüssig. Gegen die Dr. Schwartzs Recht zu behalten, verrückt (gewesen) zu sein und dennoch über ein Urteilsvermögen zu verfügen, ist wohl der Antrieb für den Film gewesen, dessen Verdienst es ist, den verrückten Frauen ihre Würde zurückzugeben, die ihnen die in ihren Familienverhältnissen implodierten sozialen Normen genommen haben und die auch unter den Bedingungen der modernen Psychiatrie nicht immer geachtet wird.
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