Omulaule heißt schwarz

Dokumentarfilm | Deutschland 2003 | 67 Minuten

Regie: Beatrice Möller

Dokumentarfilm über junge Namibier, die als Kinder aus dem vom Bürgerkrieg beherrschten Land ins "Bruderland" DDR geschafft wurden und nun, nach dem Ende der DDR und der Unabhängigkeit Namibias, zurückgeführt worden sind. Er porträtiert ein halbes Dutzend Betroffener, die von ihrer Zerrissenheit und Heimatlosigkeit berichten, zeigt aber auch die unterschiedlichen Lebenswege auf, mit denen sie ihrem Schicksal begegnen. Die Parallelmontage, die den Gesprächspartnern viel Zeit lässt, legt Unterschiede und Widersprüche offen; Archivaufnahmen vervollständigen den erhellenden und unterhaltsamen Film. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien
Regie
Beatrice Möller · Nicola Hens · Susanne Radelhof
Buch
Beatrice Möller · Nicola Hens · Susanne Radelhof
Kamera
Nicola Hens
Musik
Felix Shigololo · traditionelle Musik
Schnitt
Beatrice Möller · Nicola Hens · Susanne Radelhof
Länge
67 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Sachsen in Kuba, Vietnamesen in Karl-Marx-Stadt – den internationalen Verflechtungen der ehemaligen DDR ist bisher zumindest filmisch kaum nachgegangen worden. Die sozialistische Völkerfreundschaft trieb manche seltsamen, aber durchaus auch humanitären Blüten. So nahm die DDR zwischen 1979 und 1988 auf Betreiben von Namibias Befreiungsbewegung Swapo 430 Kinder auf, die damit dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat entfliehen konnten. Im fremden Bruderland wurden sie sowohl in deutscher als auch namibischer Tradition, vor allem aber in sozialistischem Geist erzogen, um später als Elite das Nachkriegsnamibia zu führen. Dann ist die DDR zusammengebrochen, fast zeitgleich ist Namibia von Südafrika unabhängig geworden, und die jungen Namibier wurden zurückgeführt, ob sie wollten oder nicht. In ihrer neuen Heimat fühlen sich die meisten ebenso fremd wie in ihrer alten. Der Film porträtiert einige dieser so genannten Ex- DDR-Kinder und legt dabei eine tiefe innere Zerrissenheit offen, der diese Menschen mit ganz unterschiedlichen Strategien begegnen.

Einer von ihnen, ein sehr ernster junger Mann, war von einer deutschen Familie in Namibia aufgenommen worden, von denen es seit der kaiserlichen Kolonialzeit noch Tausende gibt. Kaum lief es in der Banklehre nicht rund, wurde er vom strengen Ziehvater, der im Film auch zu Wort kommt, fallen gelassen. Ein anderer heiratete eine deutsche Frau, gründete eine Familie, pendelt nun zwischen seinen Heimaten und fand offenbar sein Glück. Ein dritter ließ sich zum Piloten ausbilden. Eine junge Frau kam zwischen den Welten weniger gut zurecht, ließ sich von düsteren Sekten beeinflussen, fand dann den Weg zum christlichen Glauben und heiratete einen Pastor. Eine weitere Frau lebt in einer eher ärmlichen Stadtrandsiedlung in Namibia, wirkt aber glücklich, weil sie hier die Anonymität der deutschen Wohngebiete nicht erlebt. Ein junger Mann bleibt während des ganzen Gesprächs im Bett. Einig sind sich alle darin, dass sie in der DDR ebenso ausgegrenzt waren, wegen ihrer Kultur und ihrer Hautfarbe, wie sie es jetzt in Namibia sind: Viele kamen hier in deutsche Schulen, weil diese die besten im Land sind, waren dort aber die ersten Schwarzen unter lauter weißen Schülern – Namibia hatte den Rassismus von der ehemaligen Besatzungsmacht Südafrika aufgezwungen bekommen. Auch die schwarzen Namibier akzeptieren „die Deutschen“ nicht recht, die die Muttersprache Oshiwambo nur gebrochen sprechen und keinen Bezug etwa zum ärmlichen Dorfleben entwickeln. Auf wirkungsvolle Weise haben Beatrice Möller, Nicola Hens und Susanne Radelhof von der Bauhaus-Universität in Weimar ihre ausgiebigen Gespräche mit Ex-Schülern, -Erziehern und -Pflegeeltern nach Themen geordnet und entsprechend zusammengeschnitten, ein Verfahren, das auch die Widersprüche und unterschiedlichen Sichtweisen verdeutlicht. Denn die homogene Gruppe, für die sie von außen oft gehalten werden, auch in diversen Presseberichten, so sagen sie, seien sie nicht. Drei junge Männer diskutieren vor der Kamera lange darüber, wie die einstmals so eng miteinander verbundenen „schwarzen Deutschen“ sich in Gruppen aufgeteilt haben, getrennt nach sozialem Status. Als einer versucht, wieder in Richtung der Kamera zu sprechen, streiten die beiden anderen munter weiter miteinander. Das besonders Schöne und Unterhaltsame an dem Dokumentarfilm ist, dass die Filmemacherinnen solche Szenen laufen lassen, nicht eingreifen oder (hörbar) dazwischen fragen und auch im Schneideraum nichts auseinander reißen. Sie wollen die Leben zeigen, die sich entwickelt haben, nicht die historische Kuriosität. Das gilt auch für die Frau, die auf ihrer Türschwelle von deutscher Anonymität redet, dann von einem Autofahrer angehupt wird und mit ihm einen Smalltalk hält, wie zum Beweis ihrer Aussage. Die Zeit in der DDR illustrieren die Autorinnen vor allem über die Gespräche mit ehemaligen Erziehern, denen man glaubt, dass sie ihr Bestes gegeben haben, für die Kinder und für den SED-Staat. Dazu sind Zeichnungen mit artigen Sätzen wie „Wenn ich groß bin, werde ich ein tapferer Swapo-Kämpfer“ zu sehen sowie Videoaufnahmen von namibischen Tänzen in einer Turnhalle im sächsischen Staßfurt. Mehr und mehr versteht man nicht nur die Heimatlosigkeit und das Gefühl, nirgends wirklich erwünscht zu sein, sondern bewundert die jungen Leute dafür, dass offenbar keiner daran zerbrochen ist. Im Gegenteil zeigt der Film Menschen, die gerade vor dem schwierigen Hintergrund besondere und interessante Charaktere entwickelt haben. (Infos im Internet: www.omulaule.de)

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