Der Exorzismus von Emily Rose

Drama | USA 2005 | 119 Minuten

Regie: Scott Derrickson

Das Wesen einer lebensfrohen Studentin wandelt sich zusehends, sie entwickelt sich zur paranoiden Persönlichkeit und fühlt sich von Dämonen verfolgt. In ihrer Not suchen die Eltern die Unterstützung bei einem Pfarrer, der einen Exorzismus durchzuführen versucht. Der Tod der jungen Frau führt zu einer Anklage des Pfarrers wegen fahrlässiger Tötung. Ausgehend von der Gerichtsverhandlung als Rahmen, erzählt der Film in Rückblenden die Geschichte einer Besessenheit, wobei weniger Schockeffekte im Mittelpunkt stehen als vielmehr Fragen nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Glauben, die jedoch nicht tief genug ausgelotet werden. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE EXORCISM OF EMILY ROSE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Lakeshore Ent./Firm Films
Regie
Scott Derrickson
Buch
Scott Derrickson · Paul Harris Boardman
Kamera
Tom Stern
Musik
Christopher Young
Schnitt
Jeff Betancourt
Darsteller
Laura Linney (Erin Bruner) · Tom Wilkinson (Pfarrer Richard Moore) · Campbell Scott (Ethan Thomas) · Jennifer Carpenter (Emily Rose) · Colm Feore (Karl Gunderson)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras der Special Edition umfassen u.a. einen dt untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs sowie ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (3 Min.). In einer limitierten Edition (2 DVDs) ist zu dem die Dokumentation "The Real Exorcists" von David Grabias (42 Min.) enthalten.

Verleih DVD
Sony (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Zweifel soll man im Leben bewahren. Nichts ist ausgeschlossen, alles ist möglich, wenn auch manchmal unwahrscheinlich. Um diese Weisheit zu vermitteln, hat Scott Derrickson einen Gerichtsfilm inszeniert, der, damit er nicht gar so reizlos daherkommt, Exorzismus zum Gegenstand hat. So können Horrorszenen, klassisch eingeschnitten als Zeugenaussagen, die spröde Verhandlung ein wenig aufregender gestalten. Dennoch, Dämonen- und Teufelsaustreiberei spielen hier nicht wirklich eine Rolle, vielmehr geht es um die Frage, ob das Phänomen der dämonischen Besessenheit mit den Mitteln der empirischen Wissenschaft zu erklären ist oder ob nur der Glaube eine Deutung derartiger Phänomene geben kann. Pfarrer Moore muss sich wegen fahrlässiger Tötung von Emily Rose vor Gericht verantworten. Die junge Studentin, die zuhause stets wie eine Sonne strahlte, verwandelt sich mit dem Umzug auf den Campus mehr und mehr zur paranoiden Persönlichkeit und zum unberechenbaren Monster. Unheimliche Dinge geschehen. Türen öffnen und schließen sich, scheinbar ohne jeden Grund; Betten schaukeln, als trieben sie auf einem tosenden Ozean. Plötzlich sieht Emily böse Fratzen in den Gesichtern ihrer Kommilitonen, beginnt mit Essensverweigerung und schließlich mit Selbstzerstörung. Da Medikamente nicht zu wirken scheinen, greifen ihre Eltern zu einem besonderen Mittel, in das sie ihre letzte Hoffnung setzen: zur Geisterbeschwörung. Ihre Tochter muss vom Teufel besessen sein, so glauben sie und holen Pfarrer Moore, der diesen austreiben soll. Ob Emily vom Bösen geheilt werden kann, wird nicht – wie in William Friedkins Klassiker „Der Exorzist“ (fd 18 987) – als dramaturgisches Mittel im Unklaren gehalten, sondern gleich zu Beginn erzählt. Die einst glückliche Frau ist tot, so erfährt man in der von gruseliger Düsternis bestimmten Eingangssequenz. Mit knirschenden Schritten nähert sich der Leichenbeschauer dem Haus der Familie, das durch die frostige Landschaft fast verschluckt zu werden droht. Nur zögerlich wird er in die Stube hineingelassen, wo er kurz darauf feststellt, dass die Tochter möglicherweise nicht eines natürlichen Todes gestorben sei. Völlig verstört wirken die Angehörigen, die sich ebenso längst von dieser Welt verabschiedet zu haben scheinen. Szenen, die eine heile, glückliche Welt suggerieren, die später von zerstörenden Kräften bedroht werden kann, existieren so gut wie gar nicht. Bloß der in der Rückblende erinnerte Moment, in dem Emily auf dem Bett herumhopst und feiert, dass ihr Studium durch ein Stipendium gesichert ist, birgt eine gewisse Fröhlichkeit. Der Rest des Films zeugt von einer diffusen Kälte, die Ästhetik, das Schauspiel, die Handlung, die gesamte Atmosphäre. Die Inszenierung ist direkt und bar jeglichen Geheimnisses. Von einer mystischen Spannung, wie sie das Genre verlangt und die Friedkin zu schaffen wusste, ist wenig zu spüren. Es scheint, als habe man sich hier Zutaten aus der Horrorkiste bedient, ohne deren richtige Zubereitung zu kennen. Schlangen winden sich im Heu, seltsame Geräusche dröhnen im Ohr, fremdartige Sprachen werden hervorgestoßen – inklusive Übersetzung. Zu guter Letzt werden kleine Spinnen verspeist, wird die Farbe von den Wänden gekratzt, ist Jennifer Carpenter zuckend und schreiend auf dem Boden zu sehen. Alles wirkt eher willkürlich zusammengemengt, ohne rechtes Gefühl für Dramaturgie. Ob die Verstorbene eine psychisch gestörte Epileptikerin oder eine Heilige war, die den Kampf mit den Dämonen bewusst auf sich genommen hat, um dadurch für eine ungläubige Welt ein Zeichen zu setzen, darum dreht sich die Verhandlung. Davon hängt ab, ob Pfarrer Moore hinter Gitter muss. Wissenschaft und (Aber-)Glaube, Staat und Religion kämpfen gegeneinander, so könnte der Plot suggerieren. Doch wenn die ausgewiesene Agnostikerin Erin Bruner die Erzdiözese vor Gericht vertritt und sich der bekennende Kirchengänger Ethan Thomas als Kläger Ärzte und Psychologen in den Zeugenstand holt, wird genauso wenig ein Kampf mit sich selbst wie einer mit dem Kontrahenten ausgetragen. Die oberflächliche Argumentation und die widersprüchliche Rollenverteilung – Rationalistin schlägt sich auf die Seite der Kirche, ein Christ auf die der nüchternen Empiriker – lassen eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Glauben versus Wissenschaft jedoch kaum zu. Auch die einleitende Erklärung, dass die Story auf einer „wahren Geschichte“ basiere, verleiht dem Film kaum mehr Ernsthaftigkeit. Ging es in Friedkins Schocker um den Glauben an Gut und Böse und vor allem an sich selbst, um die Grenzen von Wissenschaft und rationalen Erklärungen, bleibt Derricksons Film letztlich zu unentschlossen und wenig plausibel Irgendwann stellt die Anwältin selbst ihre Weltsicht in Frage, schlägt sich scheinbar auch persönlich auf die Seite von Moore, doch ihre Entwicklung ist kaum nachzuvollziehen. Plötzlich begegnet auch sie unheimlichen Phänomenen; das Licht erlischt, die Uhr bleibt stehen, jede Nacht um drei. Sie beginnt an der Aussagekraft von Psychologie und Medizin zu zweifeln, beruft sich mehr und mehr auf Religion. Nach und nach könnte man meinen, „Der Exorzismus von Emily Rose“ sei als Plädoyer für eine stärkere Position des Glaubens zu verstehen, auch wenn die Anwältin in ihrem Schlusswort vor Gericht nur begründete Zweifel an der Deutungshoheit der empirischen Wissenschaft anmeldet.
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