Der Produzent und Regisseur Sydney Pollack beschäftigt sich in seinem ersten Dokumentarfilm, einer erkennbaren Freundschaftsarbeit, mit dem kanadisch-amerikanischen Architekten Frank Gehry. Durch die Bescheidenheit und Neugier, mit der er sich der Person und Arbeit des gefeierten Architekten nähert, bietet er die Gelegenheit zur schrittweisen „Dechiffrierung“ des Genies und seiner Werke. Obwohl mehr Bewunderung ausdrückend als auch den Argumenten der Gehry-Kritiker nachgehend, entstand ein farbiges, spannendes Dokument über einen der wichtigsten Baumeister der Gegenwart und zugleich ein Film, der für jeden an Architektur Interessierten Bemerkenswertes zu bieten hat.
- Sehenswert ab 14.
Sketches of Frank Gehry
Dokumentarfilm | USA/Deutschland 2005 | 83 Minuten
Regie: Sydney Pollack
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Filmdaten
- Originaltitel
- SKETCHES OF FRANK GEHRY
- Produktionsland
- USA/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- American Masters/LM Media/Mirage Enterprises/PBS/SP Architecture/WNET Thirteen
- Regie
- Sydney Pollack
- Buch
- Sydney Pollack
- Kamera
- Marcus Birsel · Ultan Guilfoyle · Sydney Pollack · Claudio Rocha · George Tiffin
- Musik
- Claes Nystrom · Jonas Sorman
- Schnitt
- Karen Schmeer
- Länge
- 83 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Sydney Pollack ist sein Leben lang ein besserer Produzent als Regisseur gewesen. Das kommt seinem ersten Versuch auf dem Gebiet des Dokumentarfilms zugute. Nach der Wahl seines Objekts blieb da nicht viel zu inszenieren. Die kleine Videokamera auf dem Schoß, hat sich Pollack mehrere Jahre lang an einem Mann abgearbeitet, der einer der größten Architekten unserer Zeit, aber auch ein phänomenaler Selbstdarsteller ist. Es ist bezeichnend, dass sich Pollack nicht veranlasst fühlte, einen Film über Rem Koolhaas oder Daniel Libeskind zu machen, nicht einmal über den fantasievollen Brückenbauer Santiago Calatrava, die alle in Amerika gleichermaßen geschätzt werden, sondern über Frank Gehry, den Erbauer des Guggenheim Museums in Bilbao und der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles. Von den Genannten ist Gehry fraglos die farbigste, filmisch ergiebigste Figur: ein auf die 80 zugehender Mann von imponierender Statur, konversationswillig, witzig und sichtlich vom Erfolg geprägt. Er sagt von sich, er sei keinem Risiko abgeneigt; aber mit Pollack, dem langjährigen Freund, ist er erst gar keines eingegangen. Von den ersten Bildern des Films an ist klar, dass Pollack ein hemmungsloser Bewunderer ist, auch wenn er gelegentlich – um der Ausgewogenheit willen – ein paar kritische Töne einfließen lässt.
Der Film nähert sich Gehry und dessen Werk von der Arbeitsweise und Methodik des Architekten her. Dabei fließen kaum merklich Details der industriellen Fertigung von Designs und Modellen mit ein, die für strukturell so komplizierte Bauwerke wie die jüngsten Arbeiten aus Gehrys Ideenfabrik unerlässlich ist. Pollack verheddert sich nicht in der Vielzahl der Beispiele, sondern nimmt die konkreten Bauten eher zum Anlass für filmische Montagen, die den Betrachter in die Lage versetzen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Design, Material und Form zu erkennen. Dabei scheint er sich der Herausforderung durchaus bewusst gewesen zu sein, die darin besteht, die dreidimensionale Fantasie des Architekten in die zweidimensionale Ebene des Films zu übertragen, ohne den Sinn der Arbeit darüber zu verlieren. Dem Zuschauer kommt unzweifelhaft zugute, dass Pollack nach eigenem Eingeständnis von Architektur nicht viel versteht und sich deshalb dem Objekt seiner Beobachtung mit der Neugier eines faszinierten Laien nähert. Im Staunen des Filmemachers werden immer wieder die bemerkenswerten Eigenheiten Frank Gehrys sichtbar, ohne dass es überkomplizierter Deduktionen bedürfte: Wie Gehry seinen individuellen Stil aus der Verfolgung und Umsetzung von Schlangenlinien und Kurven, von Licht und Reflexionen entwickelt hat, wie die Suche nach einer neuen Ordnung aus ungeordnetem Material jede Phase seiner Arbeit bestimmt.
Pollack, der im Film auch den Gesprächspartner spielt, hält sich selbst mit Werturteilen zurück. Stattdessen lässt er eine Reihe von Fachleuten und Zeitzeugen aufmarschieren, die aber in ihrer Mehrzahl auch nur akklamierend Stellung nehmen. Dadurch kommt die umstrittene Position, die Gehry in der Öffentlichkeit wie auch in Fachkreisen einnimmt, ein wenig zu kurz. Seine die Sinne des Betrachters beflügelnde „Wing-on-Wing“-Technik, die Gehry selbst mit den geblähten Segeln eines Schiffes vergleicht, setzt vor allem seine jüngsten Bauwerke von den Arbeiten seiner Kollegen und Konkurrenten ab, hat aber auch herbe Kritik erfahren. Immer wieder wird zum Beispiel eingewandt, dass Gehrys Gebäude zu wenig in die bereits existierende Bausubstanz und in die natürliche Umgebung integriert seien. Auch Anhänger seiner Kunst müssen zugeben, dass er damit sehr weit entfernt ist von dem heute in Amerika vielleicht am stärksten verehrten Architekten des 20. Jahrhunderts, Frank Lloyd Wright. Das Problem mit Gehrys Bauten ist, dass sie oft eher sich selbst genügende gigantische Skulpturen sind, die dem eigenen Erscheinungsbild mehr Wichtigkeit beimessen als der Landschaft, die sie ergänzen, und dem Zweck, dem sie dienen sollen. Solche Problematik bleibt in Pollacks Film weitgehend außen vor. Mehr Glück als mit der in ganz wenigen Ansätzen steckenbleibenden Einordnung Gehrys in die Architekturbewegungen der Neuzeit hat Pollacks Film mit der Hinterfragung der Person Gehrys, der eigentlich Ephraim Goldberg heißt und nur auf Drängen seiner ersten Frau seinen Geburtsnamen geändert hat. Bei Autofahrten durch Los Angeles und bei entspannten Zweiergesprächen kommen so manche kleine Geschichten und Erlebnisse zur Sprache, die sich als durchaus motivierend für Gehrys berufliche Entwicklung herausstellen. Ein großes Glück für den Film war vor allem die Erlaubnis, mit Gehrys Therapeuten vor der Kamera reden zu können. 35 Jahre lang hat Gehry alle seine privaten und beruflichen Probleme vor dem Psychoanalysten Milton Wexler ausgebreitet, sodass der alte, aber immer noch erstaunlich rüstige Analyst heute den Menschen Frank Gehry wohl besser kennt als der sich selbst. Es sind nicht zuletzt diese Unterhaltungen Pollacks mit Milton Wexler, die das Porträt Frank Gehrys abrunden und den Film vor der Eintönigkeit einer ausschließlichen Werk- und Kunstbetrachtung bewahren.
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