Historienfilm | Deutschland/Großbritannien/Italien/Spanien 2009 | 148 (TV 160) Minuten

Regie: Sönke Wortmann

Verfilmung einer Legende, nach der im neunten Jahrhundert eine Frau als Päpstin Johanna an die Spitze der katholischen Kirche gelangt sein soll. Auf der Basis eines Buchbestsellers entwirft der Historienfilm das Drama einer begabten jungen Frau, die, als Jüngling verkleidet, auf der Flucht vor den Normannen in einem Kloster Unterschlupf findet und als Wunderheiler bekannt wird. Während einer Pilgerfahrt nach Rom rettet sie Papst Sergius das Leben, wird dessen engster Berater und nach seinem Tod sein Nachfolger. Die weitschweifige, aufs Gefällige zielende Adaption malt das Mittelalter in dunklen Farben, vor denen sich die Leidensgeschichte der Titelfigur plastisch abhebt. Aufwändig, aber höchst konventionell inszeniert, zeigt das Melodram kein sonderliches Interesse an den mit dem Stoff verbundenen Diskursen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
POPE JOAN | LA PAPESSA | LA PAPISA
Produktionsland
Deutschland/Großbritannien/Italien/Spanien
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Constantin Film/Dune Films/Ikiru Films/Medusa Film/UFA Filmprod./NDR/MDR/SWR/WDR/Degeto
Regie
Sönke Wortmann
Buch
Heinrich Hadding · Sönke Wortmann
Kamera
Tom Fährmann
Musik
Marcel Barsotti
Schnitt
Hans Funck
Darsteller
Johanna Wokalek (Johanna) · David Wenham (Gerold) · John Goodman (Papst Sergius) · Iain Glen (Dorfpriester) · Edward Petherbridge (Aesculapius)
Länge
148 (TV 160) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Historienfilm | Literaturverfilmung
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Diskussion
Im Laufe der Jahrhunderte hat die Legende der Päpstin Johanna viele Formen angenommen. Sie diente dazu, den zweifelsfrei männlichen Papst Johannes VIII. zu verspotten, sie wurde von den Reformatoren als Schwert gegen die römische Kirche ins Feld geführt und versöhnte in Donna Cross’ Erfolgsroman den modernen Feminismus mit der historischen Kolportage. Meistens waren die Geschichten gut erfunden, was man von Sönke Wortmanns Verfilmung leider nicht behaupten kann. Stattdessen handelt sie von einem Trauerspiel besonderer Art: dem deutschen Film- und Fernsehgeschäft. Alles beginnt mit einem Rauswurf: Volker Schlöndorff hatte keine Lust, einen Amphibienfilm zu drehen, einen Fernsehzweiteiler also, aus dessen Leib die Kinofassung wie ein übergroßes Filetstück herausgeschnitten wird. Er machte seinen Unmut öffentlich und wurde daraufhin von Bernd Eichingers Produktionsfirma Constantin geschasst. Eichinger steht für ein genau kalkuliertes, enorm erfolgreiches, in der Regel aber seelenloses Produzentenkino, in dem ein erkennbarer Stilwille oder profunde Ideen schon deswegen nicht gefragt sind, weil sie den reibungslosen Geschäftsverlauf stören. Als Ersatz wurde Sönke Wortmann angeheuert, der mit einem langjährigen Mitarbeiter ruckzuck ein neues Drehbuch aus der Vorlage stampfte und die Botschaft genau verstand: Du sollst Erfüllungsgehilfe sein. Take the money and run. Schlöndorff hatte sich dagegen verwahrt, dass die Kindheit Johannas im Film unnötig viel Platz einnimmt. Nach zehn Minuten weiß man, warum. Sönke Wortmann schwelgt im Klischee des dunklen Mittelalters und zeigt lang und breit, wie die ungewöhnlich begabte Johanna im Haushalt eines streng gläubigen und, so wird suggeriert, dementsprechend frauenfeindlichen Priesters aufwächst. Sie lernt heimlich lesen und schreiben, wird von einem wandernden Gelehrten entdeckt und nach langem Hin und Her in der Mainzer Domschule aufgenommen. Ein freier Regisseur hätte daraus vielleicht einen ersten Akt gemacht, der die Stimmung und wesentliche Handlungsmotive kurz und prägnant etabliert; Wortmann rückt hingegen die Ausstattungswerte brav ins Bild und schindet Minute um Minute, damit später auch die Fernsehzuschauer vermeintlich auf ihre Kosten kommen. Ähnlich weitschweifig und konturlos erscheinen die weiteren Lebensstationen: Johannas keusche Liebe zu Graf Gerold, die nach ihrer Entdeckung zu einer Intrige der Gräfin führt; ein Überfall der Normannen, der die Musterschülerin in letzter Sekunde vor einer Zwangsheirat bewahrt; Johannas Flucht nach Fulda, wo sich ihre Wandlung zu Bruder Johannes, dem Wunderheiler, vollzieht; schließlich ihre Pilgerfahrt nach Rom, wo sie dem siechen Papst Sergius das Leben rettet, als Johannes Anglicus zu dessen engstem Vertrauten aufsteigt und ihm um das Jahr 843 auf dem Heiligen Stuhl nachfolgt. Während der Osterprozession erleidet der Reformpapst eine Fehlgeburt, stirbt an Ort und Stelle und wird aus den Annalen der Kirche getilgt. Auf die Frage, was an dieser Geschichte Dichtung und was Wahrheit ist, lässt sich Wortmann nicht weiter ein. Ihm genügt die Schlusspointe, in der ein weiblicher Bischof die Papstchronik heimlich um Johannas Kapitel ergänzt. Im Grunde ist der Wahrheitsgehalt der Legende auch einerlei, speist sich ihr reiches Nachleben doch aus anderen Quellen: „Die Päpstin“ ist die Geschichte einer hochbegabten Frau, die ihr Geschlecht verleugnet, um sich treu bleiben und Gott und den Menschen dienen zu können. In ihrem Schicksal wird die Jahrhunderte währende Diskriminierung der Frauen durch die Kirche griffig thematisiert und melodramatisch zugespitzt. Ganz nebenbei widersteht sie außerdem der „letzten Versuchung Christi“ und schlägt die Möglichkeit aus, als Gerolds Ehefrau glücklich zu werden. Johanna ist zweifelsohne ein faszinierender Charakter, doch was sagt uns ihr Leben heute noch? Brauchen wir noch Argumente für die Gleichberechtigung der Frau? Dem derzeitigen Papst sind sie allesamt bekannt, und mit Sicherheit hat er bessere Einwände parat als die Knallchargen, die Wortmann im Allerheiligsten auftreten lässt. Eine gute Besetzung, heißt es beim Film, ist schon die halbe Inszenierung. Hier ist die schlechte Besetzung schon die ganze: Den Heuchlern sieht man das Heuchlerische an der Nasenspitze an, und der Kameramann Tom Fährmann sorgt zuverlässig dafür, dass gleich die erste Einstellung eine katholische Kanaille auch als solche kenntlich macht. Es gibt Szenen, die so hanebüchen oder deplatziert sind, dass man Absicht dahinter vermuten kann. Etwa, wenn Gerold seine Johanna mit den Worten „Dies ist Rom“ zur Flucht beschwört, und man sich automatisch an das Sündenbabel in Roman Polanskis „Chinatown“ (fd 19120) erinnert fühlt. Oder wenn die Normannen in Johannas arrangierte Hochzeit platzen und der Bischof von Mainz in Großaufnahme enthauptet wird. Splatter-Effekte in einem öffentlich-rechtlichen Historienfilm? Der FSK hat das Schlachtfest offenbar gefallen, sie hält den Film ab 12 Jahren für unbedenklich. Paradoxerweise sind solche inszenatorischen Aussetzer die einzigen Hoffnungsschimmer im Erfüllungsgehilfen-Einerlei. Hoffnung darauf, dass Sönke Wortmann gegen Constantins ödes Geschäftskalkül aufbegehrt, und sei es nur in Form eingeschmuggelter Ironiesignale. Schön wäre es, doch diese Momente vergehen. Wortmann ist zwar nicht mehr jung, aber das Geld braucht er anscheinend trotzdem. Genau wie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die sich schon lange nicht mehr als Förderer der Filmkultur verstehen, sondern als Füllhorn einer sich selbst genügenden Filmwirtschaft. Hauptsache, der subventionierte Laden läuft; wen interessiert es da noch, was dabei produziert wird. Wenn die ARD ein bisschen Anstand hätte, würden sie diesen Klamauk erst an dem Tag senden, an dem eine Frau tatsächlich Päpstin wird.
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