Tragikomödie | USA 2010 | 90 Minuten

Regie: Nicole Holofcener

Eine New Yorker Antiquitätenhändlerin beginnt, ihren Lebensstil und ihre Geschäftspraktiken zu hinterfragen, was nicht zuletzt ihren Mann und ihre Tochter nervt. Amüsante Tragikomödie um die Befindlichkeiten eines wohlhabenden Bürgertums, das von schlechtem Gewissen heimgesucht wird, sowie um diverse Bruchstellen innerhalb familiärer Beziehungen. Dank seines ausgeprägten Sinns für bissige Situationskomik und pointierte Dialoge unterhält der Film bestens, auch wenn er sich angesichts der zahlreichen Konflikte dramaturgisch und thematisch nicht ganz rundet. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
PLEASE GIVE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Likely Story/Feelin' Guilty/Sony Pic. Classics
Regie
Nicole Holofcener
Buch
Nicole Holofcener
Kamera
Yaron Orbach
Musik
Marcelo Zarvos
Schnitt
Robert Frazen
Darsteller
Catherine Keener (Kate) · Amanda Peet (Mary) · Oliver Platt (Alex) · Rebecca Hall (Rebecca) · Sarah Steele (Abby)
Länge
90 Minuten
Kinostart
08.07.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Sony (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Ein Pfund, mit dem die Regisseurin Nicole Holofcener immer wieder wuchert, sind ihre Darsteller. Was ihre Drehbücher an Stringenz und Vertiefung missen lassen, machen exzellente Schauspieler zumindest teilweise wett; selbst wenn sie innerhalb des meist recht umfangreichen Ensembles nur begrenzten Raum zur Entfaltung bekommen, vermögen sie unausgegorene oder überzeichnete Charaktere doch zu Sympathieträgern aufzubauen. Stärkster Rückhalt der Regisseurin/Autorin ist dabei Catherine Keener, eine der bemerkenswertesten Independent-Darstellerinnen des gegenwärtigen US-Kinos. Sie hat bisher in allen Kinofilmen Holofceners mitgespielt, in „Walking and Talking“ (fd 32 347), „Lovely and Amazing“ sowie in „Freunde mit Geld“ (fd 37 780) – immer wieder als selbstständige, mitreißend energische, energetische Frau, in deren kraftvoller Fassade sich kleine neurotische Sprünge auftun. In „Freunde mit Geld“ war sie eine der titelgebenden Freundinnen, die mit der sozial weniger erfolgreichen Hauptfigur konfrontiert werden und nicht recht wissen, wie sie mit diesem dem Geld geschuldeten „Standesunterschied“ umgehen sollen. Eine verwandte Thematik greift Holofcener nun in „Please Give“ auf. Auch hier geht es um ein wohlsituiertes, gebildetes amerikanisches Bürgertum, das bis auf private Konflikte mit der eigenen Lebenssituation zufrieden und weitgehend unpolitisch ist, aber doch um die Schwächen im Sozialsystem im Besonderen und die moralische Fragwürdigkeit des Kapitalismus im Allgemeinen weiß und ob des eigenen Wohlstands von einem latenten schlechten Gewissen geplagt wird. Die von Keener gespielte Besitzerin eines florierenden Vintage-Möbelladens, Kate, lebt mit ihrem Geschäftspartner und Ehemann Alex und der pubertierenden Tochter Abby in einem schönen Apartment in New York. Dieses Apartment soll vergrößert werden. Die Familie hat die Nachbarwohnung gekauft, und in nicht allzu ferner Zukunft soll die Wand zwischen den beiden Immobilien eingerissen werden – wenn die alte Andra tot ist, die in der Wohnung nebenan lebt und der beim Verkauf ein lebenslanges Wohnrecht zugestanden wurde. Kate blickt dieser Erweiterung mit kaum verhohlenem Verlangen entgegen – und ist doch entsetzt über sich selbst, weil sie mit dem Tod eines Menschen spekuliert. Darüber gerät sie in eine veritable Identitätskrise, die dadurch noch verschärft wird, dass auch das Geld, mit dem das Apartment erworben wurde, nicht moralisch einwandfrei ist. Dass der Laden von Alex und Kate so viel abwirft, hängt nämlich nicht nur mit dem guten Geschmack des Paars zusammen, sondern auch mit Kates Instinkt für gute Geschäfte: Sie kauft für Schleuderpreise die Nachlässe von Verstorbenen, deren Hinterbliebene meist keine Ahnung vom Wert der Dinge haben; die Möbel, Lampen und Vasen können dann oft für ein Vielfaches weiterverkauft werden. Eine zusätzliche Erzählebene etabliert Holofcener mit den beiden Enkelinnen der alten Andra: Während sich die eine, Rebecca, aufopfernd um die nicht gerade pflegeleichte, für ihre scharfe Zunge gefürchtete Seniorin bemüht, kümmert sich die kaltschnäuzige Mary vornehmlich um sich selbst bzw. um die neue Freundin ihres Ex-Geliebten, der sie nachspioniert. Während eines Abendessens, zu dem Kate Andra anlässlich von deren Geburtstag samt Enkelinnen einlädt, lernen sich die Nachbarn näher kennen – was zu neuen Verwicklungen führt. Schon die Exposition des Films, in der Rebecca eingeführt wird, während sie ihrem Beruf als Mammografie-Assistentin nachgeht, was als grotesk-tragikomisches Bilderballett aus Brüsten unterschiedlichster Form und Größe daherkommt, zeigt Holofceners ein Händchen für szenische Einfälle. Davon lebt das Kino der Sitcom-geschulten Filmemacherin („Six Feet Under“, „Sex and the City“) neben den guten Darstellerleistungen; sie erst machen „Please Give“ zu einer höchst amüsanten Familien- und New York-Komödie. Immer wieder kommt es zu wundervollen Zusammenstößen, die Holofceners Sinn für bissige Situationskomik und ihr Gespür für pointierte Dialoge belegen. Als Ganzes richtig runden will sich der Film trotzdem nicht; dafür bleibt die Entwicklung der Figuren angesichts der Fülle an Charakteren und Problemen zu oberflächlich. Wie der Konflikt, in den Holofcener ihre Hauptfigur Kate stürzen lässt, gelöst werden soll, weiß die Autorin offensichtlich selbst nicht – oder sie will die unbequeme Hinterfragung des Lebensstils ihrer liebeswerten New Yorker doch nicht so weit treiben, dass die Sitcom-Heiterkeit ernstlich getrübt würde. Entsprechend beschränkt sich der Film auf die Variation der Konflikte, anstatt sie voranzutreiben. Außerdem eröffnet die Inszenierung zu viele Neben(kriegs)schauplätze – vom Geschwisterkonflikt über Rebeccas schüchterne neue Liebe bis zu Abbys Pubertätsproblemen und einem Seitensprung Alex’ –, die zwar durchaus interessant sind, aber auch wie Ausweichbewegungen vor dem eigentlichen Thema wirken. Damit verschenkt „Please Give“ viel an Potenzial – übertrifft aber immer noch spielend das Niveau des Gros aktueller Mainstream-Komödien aus den USA.
Kommentar verfassen

Kommentieren