Kill me please (2010)

Komödie | Frankreich/Belgien 2010 | 96 Minuten

Regie: Olias Barco

In einer Sterbeklinik hilft das Personal unter Anleitung seines Chefarzts den todessehnsüchtigen Patienten bei ihrem letzten Weg. Das Bemühen, den Lebensmüden einen würdevollen Abgang zu ermöglichen, wird durch ungeplante Todesfälle konterkariert. In Schwarz-Weiß-Bildern, die dem Film einen surrealen, distanziert-verfremdeten Zugriff auf seinen makabren Stoff verleihen, wird eine Farce entworfen, in der noch im Angesicht des Todes menschliche Eitelkeiten und Egoismen das Zusammenleben prägen. Den Versuch der Figuren, die Wildheit des Todes medizinisch und durch (Selbst-)Inszenierungen des Sterbens einzudämmen, lässt der Film grandios scheitern, wobei er mit unvorhersehbaren Wendungen immer wieder überrascht.
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Filmdaten

Originaltitel
KILL ME PLEASE
Produktionsland
Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
OXB/LA Parti Prod./Les Amateurs/RTBF/Minds Meet/Mollywood
Regie
Olias Barco
Buch
Olias Barco · Virgile Bramly · Stéphane Malandrin
Kamera
Frédéric Noirhomme
Schnitt
Ewin Ryckaert
Darsteller
Aurélien Recoing (Dr. Krueger) · Benoît Poelvoorde (M. Demanet) · Muriel Bersy (Muriel) · Nicolas Buysse (Luc) · Ingrid Heiderscheidt (Sylvie)
Länge
96 Minuten
Kinostart
17.05.2012
Fsk
ab 16; f
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Es ist sicher kein Zufall, dass diese schwarze Komödie mit einem Filmemacher beginnt: Der Regisseur Demanet will sterben. Also führt der vorgeblich unheilbar an Krebs erkrankte Mann eine Art Bewerbungsgespräch mit Dr. Kruger, dem Leiter einer staatlich geförderten Sterbeklinik. Doch Demanet ist nicht krank, sondern nach dem Aus seiner Ehe nur deprimiert. Der allwissende Chefarzt bringt ihm deshalb schonend bei, dass der eingebildete Kranke den Ort seiner erhofften Erlösung ganz herkömmlich mit dem Taxi verlassen muss. Es wird dann doch ein Sarg sein, denn „Kill me please“ beginnt mit einer blutigen Verzweiflungstat. Nach eigenen Aussagen wollte sich sein Regisseur Olias Barco nach seinem ersten Film tatsächlich umbringen. Sein späterer Co-Autor Stéphane Malandrine riet ihm dann aber, lieber einen weiteren Film zu machen. Die grausige Selbstmordfantasie am Anfang gibt einen Vorgeschmack auf den folgenden Film, in dem bloß ein einziges Mal nach Plan gestorben wird: Ein sterbewilliger Herr trinkt, während eine hübsche Studentin ihn liebkost, ein Glas Champagner, im dem sich eine tödliche Dosis Pentobarbital befindet. So ungefähr mag man sich eine „Freitodbegleitung“ vorstellen, wie sie der Schweizer Verein Dignitas anbietet. Bei der Klinik des Dr. Kruger – ein prächtiges Schloss am Waldrand – handelt es sich dagegen um eine erfundene Institution in einem fiktiven Staat mit entsprechender Gesetzgebung. Der Film bietet sich jedoch kaum als ernsthafte Diskussionsgrundlage zum Für und Wider von Sterbehilfe an. Vielmehr inszeniert Barco um das heikle Thema herum ein absurdes, mitunter bitterböses Theater, ein Endspiel in einem tief verschneiten, durchaus jenseitig wirkenden Ort. Und er führt vor, dass die Todessehnsucht seiner Charaktere keineswegs das Ende von Eitelkeit und Egoismus bedeutet. Ganz uneigennützig scheint auch Klinikchef Kruger sein Lebenswerk nicht voranzutreiben. Als ungebetener Gast stellt die Steuerfahnderin Evard Nachforschungen an. Ihr ist aufgefallen, dass viele der Verstorbenen den Sterbehelfer in ihrem Testament großzügig bedacht haben. Bereichert sich Kruger mit voller Absicht am Erbe seiner Patienten? Die (ziemlich idiotische) Frage, ob sich der Wert eines Menschen in Geld beziffern lässt, kommt mehrmals auf und bildet sozusagen den ethischen Rahmen des Films. Doch Barco urteilt nicht abschließend über die Figuren, auch wenn die moralische Integrität des Doktors zunehmend fragwürdig wird. Mit Aurelien Recoing hat Barco einen großartigen Darsteller für Kruger gefunden. Wenn der Doktor in seinem schwarz-weißen Joggingdress durch den Schnee stapft, wirkt er wie ein leibhaftiger Knochenmann. Die herausragenden Schwarz-Weiß-Bilder von Frédéric Noirhomme verleihen dem Ganzen eine unwirklich-distanzierte, teils surreale Qualität. Um Recoing herum versammelt sich eine vorzügliche Darstellerschar: Bouli Landers als Vidal, der seine Frau als Wetteinsatz beim Poker verlor, sowie Saul Rubinek, der den moribunden Kanadier Breiman spielt. Zazie de Paris verkörpert die Opernsängerin Madame Zaza, die ihr Ableben zum künstlerisch vollendeten Schwanengesang stilisieren möchte. Virgile, gespielt von Virgile Bramly, hätte es gerne brutal. Er träumt vom Heldentod inmitten einer inszenierten Schlacht. Solchen Extravaganzen schiebt Dr. Kruger allerdings einen Riegel vor: In seiner Klinik wird ordentlich und würdevoll gestorben. Das Konzept beginnt zu scheitern, als im Schloss ein Feuer ausbricht, bei dem einer der Patienten verbrennt. Mit diabolischer Lust lässt Barco nun die ganze Sterbewirtschaft aus dem Ruder laufen. Die Lebensmittelvorräte sind verkohlt, ein entnervt abreisender Klient wird auf dem Weg zum Bahnhof erschossen. Der mysteriöse Attentäter schlägt ein zweites Mal zu, als die Finanzbeamtin Evard zwei Patienten ein Geheimnis anvertrauen will. Das große Plus dieser Farce ist die Unberechenbarkeit ihrer Handlung. Die Wendungen sind schlicht unvorhersehbar, wie im wirklichen Leben. Der Sensenmann – Barcos Film bestätigt diesen Verdacht am Ende vollauf – lässt sich von der ärztlichen Konkurrenz nicht ins Handwerk pfuschen.
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