Mensch 2.0 - Die Evolution in unserer Hand

Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz 2012 | 112 (24 B./sec.)/108 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Alexander Kluge

Dokumentarisch-essayistische Exkursionen durch die Welt der Robotik, in der Bio-, Nano- und Computertechnologien an der Verbesserung menschlichen Lebens zusammenarbeiten. Was wie Science Fiction klingt, wirft viele ethisch-existenzielle Fragen auf. Eine anregende Materialsammlung, die ursprünglich als 720-minütige DVD-Box erschien und für die Kinoauswertung auf knapp zwei Stunden komprimiert wurde. Stilistisch zerfällt der Film in eine konventionelle Wissenschaftsdokumentation und eine assoziativ-schweifende Reflexion über die Schnittmengen menschlicher und künstlicher Intelligenz. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MENSCH 2.0 - DIE EVOLUTION IN UNSERER HAND
Produktionsland
Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
DCTP/NZZ Film
Regie
Alexander Kluge · Basil Gelpke
Buch
Alexander Kluge · Basil Gelpke
Kamera
Michael Christ · Khairun Lamb · Walter Lenertz · Werner Lüring · Frank Messmer
Musik
Brian Burman
Schnitt
Brian Burman · Kajetan Forstner · Andreas Kern · Jakob Nägeli
Länge
112 (24 B.
sec.)
108 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
27.09.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
26 Jahre nach „Vermischte Nachrichten“ (1986) startet ein neuer Film von Alexander Kluge in den Kinos. „Mensch 2.0“ ist Teil des reisenden Filmfestivals „überall dabei“ der „Aktion Mensch“, das vom September 2012 an Filme zum Thema „Inklusion“ zeigt, die sonst wohl kaum eine (Kino-)Öffentlichkeit erreichen würden. Dabei handelt es sich bei „Mensch 2.0 – Die Evolution in unserer Hand“ um die auf 112 Minuten komprimierte Schnittfassung einer 4-DVD-Box, die 2012 von dctpTV und der „Neuen Zürcher Zeitung“ herausgegeben wurde. Darin beschäftigten sich die Filmemacher Basil Gelpke und Alexander Kluge mit den Fortschritten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und der Robotik sowie deren Einsatzmöglichkeiten, etwa in der Rehabilitationsmedizin oder auch in der posthumanen Kunst. Die Frage stellt sich: Inwieweit hilft der technische Fortschritt in Gestalt neuer Forschungsergebnisse aus den Gebieten von Computer-, Bio- und Nanotechnologie oder der Hirnforschung, das Leben der Menschen zu verbessern? Selbstredend kommen hier prinzipielle Fragen der Ethik ins Spiel, etwa: Ab wann tritt der Mensch in Konkurrenz zu künstlicher Intelligenz, wenn menschliches Bewusstsein in Maschinen transformiert werden kann? Noch befindet man sich auf dem Gebiet der Science Fiction, wenn ein weiblicher Roboter-Torso verkündet: „Künstliche Intelligenz lässt Maschinen wie mich denken. Und sogar träumen. Ich fühle mich gut als Roboter.“ Wenn dann ein Wissenschafter keck antwortet: „Und ich bin froh, ein Mensch zu sein!“, dann darf man sich an den zentralen Konflikt in Ridley Scotts „Prometheus“ (fd 41 192) erinnert fühlen. Sieht man in der körperlichen Hinfälligkeit des Menschen die entscheidende Schwachstelle dieser Konstruktion, dann tauchen am Horizont sehr schnell die Utopie einer entscheidenden Verlängerung des Lebens durch neue Technologien auf. Aber wird ein längeres Leben auch lebenswerter? Ein Zukunftsforscher wie Ray Kurzweil schwärmt von kommenden Revolutionen und setzt auf technologische Lebenserweiterung (Emotionaler werden! Kreativer werden!), damit die radikale Lebensverlängerung (400 Jahre lang 30 sein) nicht allzu langweilig wird. „Ist Bewusstsein nicht der fortwährende Versuch, den Gesetzen der Physik zu trotzen?“, fragt ein japanischer Wissenschaftler. Als Materialsammlung ist „Mensch 2.0“ äußerst anregend, formal aber fällt der Film allzu deutlich in zwei unterschiedene Teile auseinander. Während Gelpke rund um den Globus von Forschungsinstitut zu Forschungsinstitut reist, um in der Manier einer konventionellen Wissenschaftsdokumentation Talking Heads vor der Kamera zu platzieren, geht Kluge weit spielerischer und essayistischer mit dem Thema um. Im Gegensatz zu den konventionellen Interviews, bei denen die Antworten der Befragten durch Voice over übersetzt werden, ist Kluge in seinen Gesprächen stets als Gegenüber präsent. Er holt die Übersetzerin mit ins Bild, selbst wenn dies Verfahren etwas umständlich erscheint. Auch nutzt er die Möglichkeiten der Fiktion, wenn er nicht nur „FAZ“-Feuilletonchef Frank Schirrmacher, den Schriftsteller Hanns Magnus Enzensberger, den Künstler Anselm Kiefer oder den Philosophen Michel Serres vor die Kamera holt, sondern auch seine regelmäßigen Gäste Peter Berling und Helge Schneider. Selbst die Geschichtslehrerin und „Patriotin“ Gabi Teichert sowie Goethe und Schiller haben kurze Auftritte. Interessanterweise sind die eher assoziativen, schweifenden Passagen Kluges weit anregender als der vergleichsweise konzentrierte und diszipliniere Diskurs der Wissenschaftsdokumentation Gelpkes. Eine Frage der Intelligenz oder doch nur des Temperaments?
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