Melodram | Deutschland/Frankreich/Luxemburg 2013 | 101 (24 B./sec.)/97 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Franziska Buch

Eine junge deutsche Schriftstellerin verliert ihren französischen Geliebten, der nach einem Unfall ohne Hoffnung auf Genesung ins Koma fällt. Sie lernt seine Ehefrau ebenso wie einen unter Erfolgsdruck stehenden, nach einer Fehlentscheidung scheiternden deutschen Investmentbanker kennen, die beide auf verschiedene Weise ihr weiteres Leben beeinflussen. Ein gefühlsbetontes Melodram um Liebe und Lebensentwürfe, das durchaus geschickt auf der Klaviatur eines betont populären, gut gespielten Unterhaltungskinos spielt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Frankreich/Luxemburg
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Wüste Film/Wüste Film West/Iris Prod./Drimage/NDR/BR
Regie
Franziska Buch
Buch
Martin Rauhaus
Kamera
Hagen Bogdanski
Schnitt
Andrea Mertens
Darsteller
Jessica Schwarz (Patrizia Munz) · Hans-Werner Meyer (Frank Berendssen) · Sandrine Bonnaire (Françoise Dupret) · Gérard Jugnot (Monsieur Albert) · Jean-Yves Berteloot (Jean-Jacques Dupret)
Länge
101 (24 B.
sec.)
97 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
11.07.2013
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Melodram
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Lighthouse/farbfilm (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
Lighthouse/farbfilm (16:9, 2.35:1, dts-HDMA frz./dt.)
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Diskussion
Die Vorstellung ist reizvoll: Wie würde dieses verzwickte, zwischen zwei Städten und zwei Ländern, zwischen grundverschiedenen Lebens-, Liebes- und Geschäftsentwürfen pendelnde Drama wohl aussehen, wenn es ein ausgewiesener „Cineast“ inszeniert hätte? Etwa Angela Schanelec oder Pia Marais, Ulrich Köhler oder Christian Petzold? Auch sie erzählen immer wieder von Menschen, die sich zwischen den Arbeits- und Liebeswelten verlieren, mit rigoros-radikalen filmischen Mitteln: wortkarg reduziert, voller elliptischer Auslassungen, betont intellektuell und unterkühlt, quasi im Stil hermetischer Lyrik, die herkömmliche Strukturen meidet und stets mit dem Risiko behaftet ist, sich dem unmittelbaren Verständnis zu entziehen. Diese Vorstellung ist insofern hilfreich, als man sich dadurch die spezifische Erzählweise von „Adieu Paris“ besser bewusst macht: nämlich als eine Art extrovertierten Gegenentwurf, zugänglich und „zuschauerfreundlich“ inszeniert, deshalb aber nicht zwangsläufig anspruchslos. Franziska Buch erzählt nicht minder mutig und selbstbewusst, „nur“ völlig anders. Sie spielt auf der Klaviatur gefühlsbetonter Melodramatik, räsoniert eher sinnlich-plastisch über Liebe und Tod und zeichnet dabei doch auch Lebensentwürfe und entwickelt Lebenseinsichten – was keine geringer zu schätzende filmische Gratwanderung darstellt. Am Beginn steht eine Liebe, die brutal zerstört wird: Patrizia, Autorin eines erfolgreichen Szene-Romans, telefoniert von Düsseldorf aus mit ihrem Geliebten Jean-Jacques in Paris, der in just diesem Moment mit seinem Auto verunglückt und ins künstliche Koma versinkt. Alarmiert reist sie nach Paris, muss sich am Flughafen aber von einem ungeduldigen Investmentbanker in der Warteschlange hinter ihr Geld für ein Upgrade ihres Tickets leihen – und stößt im Krankenhaus auf die Ehefrau des Geliebten, die Zahnärztin Françoise. Beide Frauen wussten nichts voneinander. Der Schock der Erkenntnis ist fast so tief wie der über die Diagnose, dass es für Jean-Jacques keine Hoffnung gibt: Lediglich Maschinen erhalten ihn angesichts eines massiven Hirnschadens noch am Leben. Die Frauen begegnen sich fortan immer wieder, verhalten sich zueinander, bauen eine Nähe auf und suchen gemeinsam nach Erklärungen und Entscheidungen. Derweil gerät auch der Investmentbanker Frank in einen Notstand: Der Flug nach Frankreich, auf dem er Patrizia begegnete, führt ihn zum Inhaber einer traditionsreichen Fleischwarenkette, die einer von Franks Kunden übernehmen will. Für Frank könnte der Deal den Aufstieg in die Chefetage bedeuten. Er rät zur Geschäftsübernahme, muss aber erkennen, dass seine Einschätzung der „französischen Waren-Idylle“ eine Illusion war. Darüber bricht alles für ihn zusammen: seine Zukunft, seine Existenz, selbst seine kleine Familie, die mehr auf Luxus denn auf Vertrauen, Liebe und Herzenswärme gebaut war. Die punktuellen Begegnungen von Patrizia und Frank bilden die beiden Achsen der Erzählung, innerhalb der sich die Koordinaten um Begegnungen, Lebensmodelle und -haltungen, um Abschied und Tod, aber auch um Trost und die Kraft zum Neuanfang formieren. Wenn man will, kann man das als Kolportage bezeichnen und dem Film zumindest kolportageartige Züge vorwerfen; wenn er deutsche und französische Mentalitäten beschreibt oder soziale Befindlichkeiten in schickem Ambiente spiegelt, greift er narrativ wie visuell in der Tat auf klischeehafte Chiffren zurück. Gleichwohl würde man es sich zu leicht machen, wenn man den Film als „intellektuell flach“ abtäte: Als solide gespielter und inszenierter Unterhaltungsfilm lotet er seine Themen durchaus konsequent aus und lebt von seiner empathischen Nähe zu den Personen – ganz einfach dadurch, dass er ihre Gefühle ernstnimmt und sich selbst „anmaßt“, gefühlvoll zu erzählen.
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