Drama | Tansania/Deutschland/Italien 2013 | 115 Minuten

Regie: Noaz Deshe

Ein Albino-Junge flieht nach dem Mord an seinem Vater aus dem ländlichen Tansania nach Dar-es-Salaam, wo er vorübergehend Fuß fasst, bald aber wieder massiv von grausamen Organhändlern bedroht wird. Schließlich kommt es zur Katastrophe, wobei der Junge selbst auf Gewaltanwendung verzichtet, um den Teufelskreis aus Armut, Kriminalität, Selbstjustiz, Aberglaube und Not zu durchbrechen. Ein schockierendes, mitunter nur schwer zu ertragendes Drama, das ein Schlaglicht auf die grausame Realität von Albinos in Teilen Afrikas wirft. Der ständige Wechsel zwischen authentischem Erleben und surrealen Tag-Traum-Fantasien erschwert dabei oft den Zugang. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WHITE SHADOW
Produktionsland
Tansania/Deutschland/Italien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Asmara Films/Shadoworks/Mocajo Film/Chromosom Filmprod./Phantasma/Real 2 Reel Studios
Regie
Noaz Deshe
Buch
Noaz Deshe · James Masson
Kamera
Noaz Deshe · Armin Dierolf
Musik
Noaz Deshe · James Masson
Schnitt
Xavier Box · Noaz Deshe · Robin Hill · Nico Leunen
Länge
115 Minuten
Kinostart
06.11.2014
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Harte Konflikte dominieren Noaz Deshes Film »White Shadow«. Der zwischen Berlin und New York pendelnde israelische Regisseur erzählt größtenteils mit Laiendarstellern die grausame, brutal und schonungslos inszenierte Geschichte eines Massakers. Es geht um eine Gruppe von Albinos in Tansania, die nicht »nur« Opfer extremer Ausgrenzung unter ihren schwarzen Landsleuten sind; in den letzten Jahren ist zunehmend auch der uralte Aberglaube an die »heilende«, »magische« Kraft ihrer Körperteile revitalisiert worden, was in vielen ländlichen Gegenden zu einer regelrechten Menschenjagd auf die Albinos eskaliert ist, befeuert von skrupellosen Zauberern und Schamanen, die vom Handel mit teuren Albino-Gliedmaßen profitieren. »Albinos sterben nicht, sie verschwinden einfach«, heißt es in dem Film, der sich dem jungen Alias an die Fersen heftet. Alias wird nach dem Mord an seinem Vater von der Mutter nach Dar-es-Salaam zu geschickt, um bei einem Onkel in Sicherheit zu leben. In der Stadt findet er kleine Jobs, auch eine erste aufkeimende Liebe, doch allzu bald muss er wieder vor grausamen Organhändlern fliehen. Fortan schwebt er ständig in Gefahr, und die Katastrophe rückt mit langer Ansage immer näher. Armut, Kriminalität, Selbstjus-tiz, Anarchie, Aberglaube, Not, Unsicherheit und roheste Gewalt: Die Inszenierung zeigt Afrika jenseits vertraut idyllischer Bilder als düsteren Kontinent voller alltäglicher Gewalt, Barbarei und abstoßender Primitivität. Solch ein Afrika-Bild hat ebenso wie sein touristischer Gegenentwurf eine lange Tradition in der europäischen Kulturgeschichte, was beide Formen aber nicht wahrer macht. Der Regisseur hilft dem Zuschauer nicht, sich aus dem Dschungel der Wahrnehmun-gen herauszuarbeiten und eine eigene Perspektive zu finden. Im Gegenteil: Pochende, rasant schwenkende und wackelnde Handkamerabilder subjektivieren jedes Bild; die Perspektiven sind verzerrt und impressionistisch, es wird lose, achronologisch, oft ohne Zusammenhang erzählt, sodass man sich kaum einmal zurechtfindet im Gewusel aus Eindrücken und Zeit-ebenen, im Hin und Her zwischen authentischem Erleben und surrealen Tag-Traum-Fantasien. Das ist oft haltlos und in der Wirkung unangemessen distanzierend. Da sich der Film zwischen losem Schweben und angespannter Haltung nicht zu entscheiden vermag, wirkt er mitunter bleischwer; nichts wird vermittelt, eher wird vieles vorgeführt und prätentiös ausgestellt. Immerhin verbindet sich die inszenierte Handlung mit längeren halbdokumentarischen Passagen, die andeutungsweise erhellende Einblicke verschaffen. Das größte Problem des Films liegt in seiner Haltung gegenüber den Albino-Protagonisten, die den Blicken des Zuschauers ähnlich schutzlos ausgeliefert werden wie ihre Haut der afrikanischen Sonne. Wenn Deshe einen plakativen Film in der Tradition echter »Exploitation«-Filme hätte drehen wollen, dann wäre das immerhin ein ästhetischer Ansatz gewesen. So aber kommt eher unfreiwillig »Exploitation« im Sinne von Ausbeutung heraus, wodurch diese Menschen eine doppelte Ausgrenzung trifft. Dies moralisch anzuklagen und politisch zu kritisieren, hat vieles für sich, kann künstlerisch aber problematisch werden. »White Shadow« bringt den Zuschau-er in eine doppelte Problemlage: Während sich das Ästhetische, die Bilder und Sinneseindrücke, ins Hirn fressen, kämpft der Film gleichzeitig mit dem Problem der Hässlichkeit: Er zeigt Geschehnisse und Menschen, bei denen man sich unwillkürlich sträubt, sie anzusehen. Aufgeklärte Menschen sollten darüber hinwegsehen können, doch das magische Element des Kinos leistet Widerstand gegen noch so wertvolle Erkenntnis; und solch ein Widerstand wäre nur mit subtileren Mitteln, als sie Noaz Deshe einsetzt, zu überwinden gewesen.
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