Time Out of Mind

Drama | USA 2014 | 121 Minuten

Regie: Oren Moverman

Ein älterer, alkoholsüchtiger Obdachloser wird aus der leerstehenden Wohnung, in der er untergeschlüpft war, vertrieben und versucht, sich auf den Straßen New Yorks über Wasser zu halten. Außerdem sucht er zögerlich die Nähe seiner Tochter, die den Kontakt zum Vater längst abgebrochen hat. Das subtile, fast dokumentarisch anmutende Drama verfolgt eindringlich, wie sich ein Leben ohne festen Wohnsitz gestaltet. Dabei stellt er eine vorzüglich gespielte Hauptfigur in den Mittelpunkt, deren Gestaltung nicht nach Mitleid heischt, der man dank der Geduld und Genauigkeit der Darstellung aber trotzdem die Anteilnahme nicht verweigern kann. Ein vielschichtiges Plädoyer für die Menschenwürde derer, die aus dem sozialen Netz herauszufallen drohen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
TIME OUT OF MIND
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Blackbird/Cold Iron Pic./Lightstream Pic.
Regie
Oren Moverman
Buch
Oren Moverman
Kamera
Bobby Bukowski
Schnitt
Alex Hall
Darsteller
Richard Gere (George) · Ben Vereen (Dixon) · Jena Malone (Maggie) · Kyra Sedgwick (Karen / Falsche Sheila) · Steve Buscemi (Art)
Länge
121 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
NewKSM (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
NewKSM (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Die äußeren Verwahrlosungserscheinungen, die mit einem Dasein ohne festen Wohnsitz einhergehen, hat der alkoholabhängige George (Richard Gere) noch halbwegs im Griff. Einen Platz in einer der New Yorker Obdachlosenunterkünfte zu bekommen, wo man heiß duschen und in einem richtigen Bett schlafen kann, ist zwar umständlich, aber es ist machbar.

Diskussion
Die äußeren Verwahrlosungserscheinungen, die mit einem Dasein ohne festen Wohnsitz einhergehen, hat der alkoholabhängige George (Richard Gere) noch halbwegs im Griff. Einen Platz in einer der New Yorker Obdachlosenunterkünfte zu bekommen, wo man heiß duschen und in einem richtigen Bett schlafen kann, ist zwar umständlich, aber es ist machbar. Nachdem er seinen Mantel verscherbelt hat, um sich davon neuen Fusel zu kaufen, kann er sich in einer sozialen Kleiderklammer eine neue Jacke organisieren. Der freundliche Betreiber eines veganen Restaurants spendiert ihm und einem anderen Obdachlosen eine warme Mahlzeit. Was George aber nicht im Griff hat, ist die Verwahrlosung seiner Zeit: Da sind zu viele Stunden, die unausgefüllt und unstrukturiert herumgebracht werden müssen, ohne Beschäftigung und ohne einen Ort, um zur Ruhe zu kommen. Was ihm bleibt, ist warten, durch die Straßen laufen, anderen beim Leben zuschauen, wieder warten, wieder laufen: von der Bank am Straßenrand in die U-Bahn, zum Laden, wo es Bier oder Schnaps gibt, in den Wartesaal der Notaufnahme, wo es warm ist, und immer wieder zurück auf die Straße. Der Aufenthalt im Obdachlosenheim geht mit einem zähen Prozedere einher: vorm Eingang, wo eine ganze Schlange Wohnungsloser auf Aufnahme harrt, steht George sich die Beine in den Bauch, vor den Sprechzimmern diverser Sozialarbeiter, Beamter oder Ärzte, denen er Rede und Antwort stehen muss, wenn er Hilfe bekommen will, starrt er Löcher in die Luft. Regisseur und Drehbuchautor Oren Moverman schafft es in seinen Filmen immer wieder, anhand einer kleinen, fokussierten Geschichte markante Schlaglichter auf den Zustand und die inneren Brüche der US-Gesellschaft zu werfen. In „The Messenger“ (2009) ging es anhand zweier Soldaten, die die Aufgabe haben, Hinterbliebenen die Nachricht vom Tod der im Kampfeinsatz Gefallenen zu bringen, um den Preis, den einzelne Bürger für die Außenpolitik ihres Landes zahlen; in „Rampart – Cop außer Kontrolle“ (2011) beleuchtete er anhand eines beklemmenden Porträts das nach wie vor höchst brisante Thema der Polizeigewalt. „Time out of Mind“, der mitunter fast dokumentarisch wirkt, liefert nun eine beeindruckende Studie davon, wie es sich lebt, wenn man seinen Platz in der Gesellschaft verloren hat. Dabei erweist Moverman sich wieder als toller Schauspieler-Regisseur: Nach Woody Harrelson und Ben Foster in „The Messenger“ und „Rampart“ läuft hier Richard Gere zu neuer Bestform auf. Sein Porträt eines Obdachlosen buhlt nicht um Mitleid; Gere spielt George als verschlossene, nicht unbedingt sympathische Figur, der man nichtsdestotrotz, je mehr Zeit man mit ihr verbringt, die Anteilnahme nicht verweigern kann. Was genau den Ausschlag gegeben hat, dass George sozial abgerutscht ist, lässt Moverman klugerweise im Vagen: Familiäre Probleme und Versäumnisse werden nur angedeutet; Georges Tochter, die mit dem Vater keinen Kontakt mehr haben will, spielt eine kleine Rolle, psychologisch auserklärt wird Georges Verfassung aber nicht. Es geht nicht darum, den Mann als armes Opfer unglücklicher Fügungen und sozialer Kälte darzustellen, noch darum, ihn für alles, was mit ihm passiert, allein verantwortlich zu machen. Es geht um eine Menschenwürde, die, egal durch wessen Verschulden, vor die Hunde zu gehen droht und die es zu verteidigen gilt: als Individuum, aber auch als Gesellschaft.
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