Unfrosted: The Pop-Tart Story

Komödie | USA 2024 | 93 Minuten

Regie: Jerry Seinfeld

In den 1960er-Jahren wetteifern die Frühstücksflocken-Unternehmen Kellogg’s und Post um die Markteinführung eines neuen, unwiderstehlichen Frühstücksgebäcks. Post ist schneller, doch Kellogg’s lässt nichts unversucht, um ihnen bei der Produktentwicklung den Rang abzulaufen. Eine fröhliche Farce um die Entstehung der sogenannten „Pop-Tarts“, die in den USA zur beliebten Süßigkeit avancierten. Der Komiker Jerry Seinfeld inszeniert sein Spielfilm-Regiedebüt als köstlichen, prominent besetzten Gag-Reigen. Nicht jeder Witz sitzt, aber in der Tradition seiner bisherigen Comedy-Schöpfungen erweist sich Seinfeld einmal mehr als urkomischer Meister einer „Show about nothing“. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
UNFROSTED
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Columbus 81 Prod./Netflix Studios
Regie
Jerry Seinfeld
Buch
Jerry Seinfeld · Spike Feresten · Barry Marder · Andy Robin
Kamera
Bill Pope
Musik
Christophe Beck
Schnitt
Evan Henke
Darsteller
Jerry Seinfeld (Bob Cabana) · Melissa McCarthy (Donna Stankowski) · Jim Gaffigan (Edsel Kellogg III) · Hugh Grant (Thurl Ravenscroft) · Amy Schumer (Marjorie Post)
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Komödie | Satire
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In seinem Regiedebüt widmet sich Comedian Jerry Seinfeld einer uramerikanischen Süßigkeiten-Institution und ihrer umkämpften Markteinführung in den 1960er-Jahren.

Diskussion

Mit seiner Fernsehserie „Seinfeld“, einer „Show about nothing“, wie es weiland hieß, erlangte Comedian Jerry Seinfeld weltweit Berühmtheit. Die 1990er-Sitcom um die neurotischen New Yorker Thirtysomethings George, Jerry, Kramer und Elaine ist heute noch eine der beliebtesten Serien auf Streaming-Plattformen. Das „Nothing“ bezog sich bei „Seinfeld“ stets auf die Alltagserfahrungen der Charaktere, auf Ärgernisse und Widrigkeiten, die Seinfelds notorisch vom Großstadt-Ennui getriebene Figuren erlebten. Kleine, universelle Episoden über Dating-Querelen, die Enttäuschungen des Berufslebens sowie seltsame gesellschaftliche Usancen beschäftigten Jerry Seinfeld und seinen Mitschöpfer Larry David neun Staffeln und 180 Episoden lang. Das Betriebsprogramm der erfolgreichen Sitcom, die heute im kulturellen Zeitalter politischer Aufladung und der Fixierung auf Identitätsthemen hoffnungslos aus der Zeit gefallen scheint, ist – mit entscheidender Akzentverschiebung – auch das des neuen Spielfilms von Seinfeld, „Unfrosted“.

Über die Geburt eines süßen Süchtigmachers

Abermals ist es ein „Nothing“, ein kreatives Nichts, das als Antriebsmoment der Erzählung fungiert – in „Unfrosted“ ein überaus süßes Nichts, wie sich herausstellt. Es ist gar nicht so einfach, deutschen TV-Zuschauern den entscheidenden Zusammenhang des Films klarzumachen. Denn die Handlung dreht sich um eine für deutsche Supermarktbesucher wahrscheinlich so fremdartige wie ontologisch zweifelhafte Erscheinung, die sogenannten Pop-Tarts. Das süße Teiggebäck ist aus Regalen US-amerikanischer Handelsketten nicht wegzudenken. „Pop“ lautet der voranstehende Namensteil, weil man die rechteckigen Dinger in den Toaster steckt; der Verzehr der Tarts (also Törtchen) empfiehlt sich unmittelbar nach dem Herauspoppen aus dem Röster. Der Fama nach soll der Name des in den 1960er-Jahren entstandenen Gebäcks aber auch in Anlehnung an Andy Warhols Pop Art entstanden sein. Nährstofftechnischen Mehrwert über ihren Zuckeranteil und künstliche Geschmacksaromen hinaus weisen Pop-Tarts nicht auf. Die Leichtigkeit, mit der die Teilchen einem förmlich in den Mund springen, hat aber nicht nur für kindliche Konsumenten etwas zutiefst Tröstliches an sich.

Seinfelds „Unfrosted“ erzählt nun die Entstehungsgeschichte des Kult-Gebäcks, zeitgenössisch im Gewand eines sogenannten „IP-Films“ a la „Barbie“ – wobei „IP“ für „Intellectual Property“ steht und Filme charakterisiert, die auf einem bereits populären Produkt/einer erfolgreichen Marke/einem Franchise aufbauen. Der unternehmerische Zentralakteur ist in diesem Fall der Cerealien-Hersteller Kellogg’s. Das Unternehmen liefert sich in den 1960er-Jahren einen gnadenlosen Kampf um Marktanteile mit dem Konkurrenten Post, mit dem es Jahrzehnte vorher schon um die Dominanz im Frühstücksflocken-Sektor gerungen hatte. Vormachtstellung im Supermarktregal versprechen sich beide Firmen nun durch eine zuckersüße Neuerfindung – die spätere Pop-Tart.

Wettkampf um Dominanz auf amerikanischen Frühstückstischen

Noch steht aber weder der Name des Produktes fest noch seine ultimative Form. Um sie entbrennt zwischen den Unternehmern bald schon ein Rennen, das aus Markt-Perspektive dem Rennen um die erste Fahrt zum Mond gleichkommt. Jerry Seinfeld selbst spielt den Kellogg’s Executive Bob Cabana, Amy Schumer die machtbewusste Kontrahentin auf Seite der Firma Post. Das Post-Produkt erlebt bald seine Markteinführung, doch das Kellogg’s Team setzt nicht so sehr auf Schnelligkeit, sondern auf die minutiöse Produktentwicklung eines perfekten Süchtigmachers. Bob Cabana versammelt um sich ein höchst versiertes Expertenteam. Schlagfertig zur Seite steht ihm auch die resolute Führungspersönlichkeit Donna (Melissa McCarthy). Im Tandem motivieren sie ihr Produktentwickler-Team zur Höchstleistung.

Ein Nacherzählen des sich farceartig entfaltenden Geschehens geriete schnell unübersichtlich und müßig, daher sei nur so viel erwähnt: Jerry Seinfeld zieht „Unfrosted“ in derselben Manier durch wie seine Comedy-Nummern und die Episoden seiner einflussreichen Sitcom. Auf halbwegs geordnete Verhältnisse in der Beobachtungsphase knüpft ein zunehmend aus den Fugen geratendes absurdes Geschehen an. Die filmischen Mittel betreffend, gelingt das dem 70-jährigen Regiedebütanten durchaus beachtlich.

Ein Reigen herrlicher Cameo-Auftritte bis hin zu den „Mad Men“

Der munter vor sich hin groovende Gagreigen, bei dem zugegebenermaßen nicht jeder Witz zuverlässig zündet, wird garniert durch allerlei Starauftritte. Hugh Grant tritt als Plüschmaskottchen Tony the Tiger auf. Als ausrangierter Shakespeare-Mime muss der mürrische, rebellisch Veranlagte nun mit den Tigerkostüm vorliebnehmen. Christian Slater steuert als Milchmann zum Törtchen-Wahnsinn entscheidende Ingredienzien bei, und das Werber-Dreamteam aus „Mad Men“, bestehend aus Don Draper (Jon Hamm) und Roger Sterling (John Slattery) würde gerne das Marketingkonzept für Kellogg’s übernehmen, stößt aber auf firmeninterne Widerstände. „Warum sind die so gemein? – Es ist doch nur Marketing“, bemerkt Seinfelds Charakter an einer Stelle. Wer die „Mad Men“ damals in Aktion erlebte, ahnt: auf diese vermeintlich arglose Bemerkung folgt bald eine Auseinandersetzung der robusteren Art über die Bedeutung der Werbung.

Der selbstironische Don-Draper-Auftritt von Jon Hamm fügt sich ins illustre Ensemble, das Jerry Seinfeld für „Unfrosted“ versammelt hat. Kurzweilig wie ein flotter „Saturday Night Live“-Sketch entfaltet sich der Film, ohne großartige Botschaft oder vermeintlich tiefschürfenden Kommentar zur kulturellen Lage. Unter Jerry Seinfelds Regie offenbart sich der IP-Film selbst als das, was er ist: ein süßes Nichts.

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