The Double (2013)

Komödie | Großbritannien 2013 | 86 Minuten

Regie: Richard Ayoade

Ein schüchterner Angestellter hat zwischen tristem Büroalltag und privater Einsamkeit nur einen Lichtblick: eine schöne Kollegin, die im Wohnblock gegenüber wohnt. Als ein Doppelgänger von ihm auf der Bildfläche erscheint, der wesentlich selbstbewusster auftritt, droht ihm dieser letzte Rest an Glück streitig gemacht zu werden. Frei nach Dostojewskis "Der Doppelgänger" gestaltete surreale Parabel um die Auslöschung des Individuums in Zeiten der Ökonomisierung. Oszillierend zwischen Groteske und Tragödie, beeindruckt der Film durch sein eindringliches, düster-schäbiges Production Design, einen kongenialen Soundtrack sowie seinen hervorragenden Hauptdarsteller. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE DOUBLE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Alcove Ent.
Regie
Richard Ayoade
Buch
Richard Ayoade · Avi Korine
Kamera
Erik Wilson
Musik
Andrew Hewitt
Schnitt
Chris Dickens · Nick Fenton
Darsteller
Jesse Eisenberg (Simon / James) · Mia Wasikowska (Hannah) · Wallace Shawn (Mr. Papadopoulos) · Yasmin Paige (Melanie) · Noah Taylor (Harris)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Impuls/Warner Vision (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Impuls/Warner Vision (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
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„Sie besetzen meinen Platz“, sagt ein unfreundlicher Mann in der U-Bahn zu Simon (Jesse Eisenberg), einem verhuschten Büroangestellten in einer schäbigen Großstadt. Simon ist irritiert, denn in dem menschenleeren Wagon gibt es mehr als genug freie Sitze. Trotzdem trollt er sich. Ein Menetekel für das was Simon bevorsteht. Denn von seinem Platz vertrieben wird er bald noch viel gründlicher und auf noch viel seltsamere Weise: von einem Mann, der ihm bis aufs Haar gleicht.

Diskussion
„Sie besetzen meinen Platz“, sagt ein unfreundlicher Mann in der U-Bahn zu Simon (Jesse Eisenberg), einem verhuschten Büroangestellten in einer schäbigen Großstadt. Simon ist irritiert, denn in dem menschenleeren Wagon gibt es mehr als genug freie Sitze. Trotzdem trollt er sich. Ein Menetekel für das, was Simon bevorsteht. Denn von seinem Platz vertrieben wird er bald noch viel gründlicher und auf noch viel seltsamere Weise: von einem Mann, der ihm bis aufs Haar gleicht. Regisseur Richard Ayoade stützt sich für seinen Film „The Double“ auf Dostojewskis Erzählung „Der Doppelgänger“ (1864). Dort wird in einer beklemmenden Mischung aus Fantastik und eindringlicher Milieustudie die „Seelenangst“ eines kleinen Beamten geschildert, der auf drastische Weise merkt, wie wenig Kontrolle er über sich und sein Leben besitzt, als er peu à peu von einem erfolgreicheren Ebenbild verdrängt wird. Obwohl das Production Design der Verfilmung auf keine reale Epoche verweist, sondern von fern an die Retro-Science-Fiction-Dystopie in Terry Gilliams „Brazil“ (fd 25 074) erinnert, gelingt dem Film ein beachtliches Update des Stoffes in die Gegenwart der „Corporate Culture“, der hier der Schimmer ihrer Glasfassaden und Flachbildschirme gründlich ausgetrieben wird. Was bleibt, ist eine modrige, tageslichtlose Tretmühle, in der Menschen nur noch als Datenlieferanten interessant sind. Etwa für die Selbstmordstatistik. Sich von anderen ausnutzen zu lassen, ist Simon James gewöhnt. Im Konzern, in dem er mit Datenverarbeitung zu tun hat, herrscht zwar oberflächlich ein geschäftsmäßig-freundlicher Tonfall, doch in Wahrheit unterliegt alles knallharter Effizienz. Zwischen seiner trostlosen Büroparzelle, dem Altersheim, wo seine griesgrämige Mutter untergebracht ist, und einer Mini-Wohnung in einem tristen Hochhaus gibt es für Simon nur einen Lichtblick: eine junge Kollegin (Mia Wasikowska), die im Block gegenüber wohnt und die Simon heimlich mit dem Fernrohr beobachtet. Doch auch dieser Lichtblick droht zu entgleiten, als mit James Simon ein Doppelgänger in der Firma auftaucht, der wesentlich besser als das Original seine Ellenbogen einzusetzen weiß, um sich nach oben zu boxen oder eine Frau zu beeindrucken. Bisweilen lassen Jesse Eisenbergs melancholisch-unbewegte Mimik, sein schlecht sitzender Anzug und der Kampf mit den Tücken der Dingwelt und der Technik, etwa einer Fahrstuhltür, an Buster Keaton und das Slapstick-Kino denken. Doch das Lachen bleibt einem im Halse stecken angesichts dieses traurigen Clowns, der kaum eine Chance hat, den Kampf zu gewinnen. Wie soll man auch die Kraft zur Selbstbehauptung aufbringen, die Keaton oder Chaplin an den Tag legten, wenn man nicht einmal seine Einzigartigkeit bewahren kann? Oder sollte etwa die Liebe Simon aus dem befreien, was er selbst als Marionetten-Dasein empfindet? Dostojewskis Vorlage, die auf das vorausweist, was Kafka zu Beginn des 20. Jahrhunderts als surreal zugespitztes Stimmungsbild der Moderne verdichtete, liefert hier den Stoff für einen beunruhigenden Abgesang auf das Individuum in der Ära der totalen Ökonomisierung. Die klaustrophobisch-stimmungsvollen Settings, die hervorragende schauspielerische Leistung von Jesse Eisenberg und ein mustergültiger Soundtrack, der Elemente aus Schuberts „Der Doppelgänger“ aufgreift und ironisch-kontrapunktierenden Japan-Sixties-Pop einflicht, sorgen dafür, dass der Film einem nachhaltig unter die Haut geht.
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