grenzenlos - Geschichten von Freiheit & Freundschaft

Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 82 Minuten

Regie: Birgit Schulz

Sieben Kurzfilme erzählen ohne Dialoge über schwierige Themen wie Fluchterfahrungen von Kindern, Heimatverlust, Ängste und Unsicherheit sowie den Neuanfang in der Fremde. Mit starken Stimmungsbildern und poetischen Geschichten gelingt es mehreren Beiträgen, Bilder für die Situation junger Geflüchteter zu finden. Durch den programmatischen Verzicht auf Sprache entsteht allerdings auch der unzutreffende Eindruck, dass diese vor allem eine Barriere sei. - Ab 8.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Bildersturm Filmprod./WDR
Regie
Birgit Schulz · Nazgol Emami · Johanna Bentz · Diana Menestrey · Camilo Colmenares
Kamera
Ahmad Jalboush
Schnitt
Ole Heller
Länge
82 Minuten
Kinostart
22.03.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Dokumentarfilm | Episodenfilm
Externe Links
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Kompilationsfilm aus sieben Beiträgen, die ohne Dialog über schwierige Themen wie Fluchterfahrungen von Kindern, Heimatverlust, Ängste und Unsicherheit erzählen.

Diskussion
Filme ohne Dialoge sind in der Bildungsarbeit derzeit sehr gefragt. Um Geflüchteten, vor allem Kindern, den Zugang zum Kino zu ermöglichen, bedarf es Geschichten, die ohne Sprache auskommen. „grenzenlos“ ist ein Auftragsfilm, der diese Lücke füllen soll und darüber hinaus eine klare didaktische Intention hat. Die sieben Kurzfilme, die eigens für diese Kompilation von jungen Regisseuren aus Ägypten, Jordanien, Iran, Deutschland, Kolumbien und Syrien produziert wurden, sollen Kinder mit Fluchterfahrungen ansprechen und universell verständlich sein. Es gibt sehr schöne Momente in diesen Filmen, die ganz plastisch vor Augen führen, wie es sich anfühlt, in ein fremdes Land zu kommen. In „Die Lupe“ zaubert ein Mädchen mit einem Vergrößerungsglas bunte tanzende Lichter in die karg-graue Wohnung, in der sie jetzt lebt und in der noch die Taschen mit dem Hab und Gut der Familie herumstehen. In ihrer Fantasie lässt sie das Leben bunt werden, das sie als so trist und beklemmend empfindet. Und schließlich ist es die zauberhafte Lupe, die das Mädchen zu einer Freundin führt. In „Jumana“ hilft unterdessen ein Malkasten einem anderen Mädchen, die Erinnerung an das frühere Zuhause vor der Flucht mit dem neuen künstlerisch in Einklang zu bringen. Viele der Filme nähern sich den schwierigen Themen auf poetische Art und hebeln die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit aus. So verwandelt sich in „Die Pause“ der klar umgrenzte Innenhof einer Schule durch Animationselemente für kurze Zeit in einen Abenteuerspielplatz, in dem die Grenzen des Realen ausgehebelt und aus Bäumen dicht bewachsene Urwaldriesen werden – bis die Schulglocke wieder ertönt und die Kinder in den Alltag zurückholt. In „Der magische Ballon“ schickt ein Mädchen, das durch eine Fußverletzung in seinem Bewegungsspielraum stark eingeschränkt ist, einen gelben Ballon stellvertretend auf eine Reise durch die Welt und lässt sich später von den Erlebnissen berichten. Eher realistisch bleibt hingegen „Abdullah“, die Geschichte eines Jungen, der – wie sich erst im Laufe des Films herausstellt – nur noch ein Bein hat, sich davon aber nicht unterkriegen lässt. Aber weil Abdullah nichts über sich erzählt und die Kamera ihn nur etwa beim Reiten oder beim Krafttraining beobachtet, erhalten die Aufnahmen sogar etwas Mystisches. Nicht immer gelingt es den Regisseuren, aus ihren Ideen eine stimmige Geschichte zu entwickeln. So wird in „Sara & Moris“ behauptet, dass die Erinnerung an die Lieblingskatze, die in der Heimat zurückgelassen werden musste, ein Kind in der Fremde stark machen kann – was zwar sicherlich gut gemeint, aber eher unglaubwürdig ist. Und auch die Reise eines Mädchens, das mit einer übermenschlich großen Begleiterin durch ein Krisengebiet zieht, bleibt in „Riese“ eher kryptisch. So dominiert der Eindruck, dass die Leistung der Filme vor allem darin besteht, Stimmungsbilder zu entwerfen und Trost zu spenden. In den Filmen spiegeln sich die Folgen von Gewalterfahrungen und Heimatverlust, die Auseinandersetzung mit dem Erlebten, Angst und Unsicherheit, aber auch Anklänge von Hoffnung und die Möglichkeit auf einen Neubeginn. Ob die Geschichten, die oft in die Vergangenheit weisen und wenig über die Zukunft erzählen, über ihre pädagogische Funktion als Gesprächsimpuls hinaus das junge Zielpublikum wirklich ansprechen, für das sie hergestellt wurden, ist allerdings fraglich. Manchmal führt der programmatische Verzicht auf Sprache ausgerechnet dazu, dass die Filme nicht mehr authentisch wirken. Bringt ein Vater seine Tochter tatsächlich nur mit einem Kopfnicken ins Bett? Sicher nicht. Manche Situationen, in denen eigentlich geredet werden müsste, hier aber aus formalen Gründen nicht geredet werden darf, wirken allzu künstlich. Dabei bedeutet universelle Verständlichkeit ja nicht, unbedingt jedes Wort verstehen zu müssen. In dieser Hinsicht braucht die grenzüberschreitende Filmarbeit ein wenig mehr Mut. Sprache ist nicht nur eine Barriere.
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