Uferfrauen - Lesbisches L(i)eben in der DDR

Dokumentarfilm | Deutschland 2019 | 121 Minuten

Regie: Barbara Wallbraun

Sechs lesbische Frauen erinnern sich an ihre Erfahrungen in der DDR, an Einsamkeit, erste Liebe, den Kampf um Selbstbestimmung, staatliche Überwachung und Repression. Die bewegenden Reflexionen stehen für sich, formen sich trotz ihrer Singularität aber zu einer kollektiven Erzählung. Auch wenn gesellschaftliche und politische Kontextualisierungen zu kurz kommen, ist der Film ein wichtiger Beitrag zu einem wenig dokumentierten Kapitel in der Geschichte der DDR. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Sunday Filmproduktion/ZDF - Das kleine Fernsehspiel
Regie
Barbara Wallbraun
Buch
Barbara Wallbraun
Kamera
Anne Misselwitz · Julia Hönemann
Musik
Martin Kohlstedt
Schnitt
Jana Teuchert
Länge
121 Minuten
Kinostart
03.09.2020
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Sechs lesbische Frauen erinnern sich an ihre Erfahrungen in der DDR, an Einsamkeit, erste Liebe, den Kampf um Selbstbestimmung, staatliche Überwachung und Repression.

Diskussion

Pat Wunderlich steht in einer leeren Dachwohnung in Stralsund und stößt eine Art rituellen Schrei aus. Der Ort, den sie nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder aufsucht, ist mit einem schmerzhaften Kapitel in ihrem Leben verbunden. Mitten in der Nacht, die sie mit ihrer ersten Liebe, einem 17-jährigen Mädchen, in ihrer Wohnung verbrachte, traten Kollegen vom Jugendwerkhof, wo sie als Erzieherin beschäftigt war, die Tür ein. Pat wurde vom Dienst suspendiert, bekam zwei Jahre Berufsverbot und wurde wegen Verführung einer Minderjährigen zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der Parteirausschmiss folgte umgehend: „Ein Genosse darf nicht vor Gericht.“

Überwacht und verfolgt

Pat ist eine der sechs lesbischen Frauen, die die Filmemacherin Barbara Wallbraun porträtiert. „Uferfrauen – lesbisches L(i)eben in der DDR“ widmet sich einem wenig dokumentierten Kapitel in der Geschichte der DDR: dem Leben als lesbische Frau. Auch wenn nach einer Strafrechtsreform von 1968 Homosexualität nicht grundsätzlich verboten war, standen nach Paragraf 151 sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gleichen Geschlechts unter Strafe. Staatliche Überwachung und polizeiliche Verfolgung gehörten zum Alltag, öffentliche Orte für Homosexuelle existierten kaum, noch in den 1980er-Jahren wurde die schwul-lesbische Szene von der Staatssicherheit observiert.

Die Akte von Carola Güldner etwa umfasst 220 Seiten. Ihre Erlebnisse mit staatlicher, aber mehr noch familiärer Repression haben sichtbar Spuren hinterlassen. Nach einer ersten sexuellen Erfahrung mit einer um einige Jahre älteren Frau aus dem Nachbarort wurde sie von den Eltern pathologisiert und kriminalisiert. Die Mutter fiel bei ihr zu Hause mit Desinfektionsmitteln ein und fantasierte sich in eine verschwörungstheoretische Erzählung über lesbische „Infizierung“ hinein, die vom Rassenwahn der Nazis nicht weit entfernt war. Carola schnitt sich mit den Kanten einer Bierdose die Pulsadern auf, sie landete in einer Nervenklinik. Jahre später, als sie in der lesbischen Szene um die Gethsemane-Gemeinde in Berlin aktiv war, versuchte die Stasi, sie als IM zu gewinnen.

Keine Sprache, keine Bilder

Auch Christiane, die ihr Lesbischsein erst im Laufe ihrer zweiten Ehe entdeckte, machte traumatische Erfahrungen mit den Repressionsinstrumenten der DDR. Die Treffen, die sie in ihrer Wohnung für Homosexuelle und Lesben veranstaltete – in der Stasi-Terminologie: Zusammenrottung –, fanden durch Razzien regelmäßig ein vorzeitiges Ende. Christiane wurde immer wieder verhaftet und verhört. Einmal steckten Männer sie in ein Auto, bedrohten sie mit der Waffe und fuhren mit ihr tief in den Wald – eine „Todesfahrt“. Sie bekam Depressionen und musste zeitweilig in die Psychiatrie.

Christiane aus Berlin, Carola aus Dresden, Pat aus Mecklenburg-Vorpommern, Elke und das langjährige Paar Sabine und Gisela aus Sachsen-Anhalt erzählen: über ihre Kindheit, das Erwachen ihrer Sexualität, erste Begegnungen und Beziehungen mit Frauen, ihre Kämpfe um Selbstbestimmung, ihre Erfahrungen als lesbische Mütter. Sie alle wurden in einer Zeit groß, in der es keine Sprache und keine Bilder beziehungsweise Vorbilder für lesbisches Leben gab.

Die Liebe der Frauen

Umso wichtiger war es, sich Frauen, die ähnlich empfanden, anvertrauen zu können. Elke, die heute im Radio eigene Sendungen macht – „Frauenleben“ und „Lesbit“ –, erinnert sich, wie sie in der mit pornografischer Literatur gut bestückten Bibliothek ihres Vaters über die Liebe von Frauen zu Frauen „forschte“ und sich unmittelbar darin wiederfand. Gisela wiederum, die den Begriff „lesbisch“ zum ersten Mal mit 18 Jahren hörte, stellte ihr heterosexuelles Leben zunächst gar nicht in Frage.

Der Film stützt sich ganz auf die persönlichen Erinnerungen der Frauen. Mitunter wirkt die Fragestellung etwas sehr allgemein. So wird beispielsweise nicht erklärt, was an der Gesetzeslage spezifisch für das System der DDR war und inwieweit sich diese von der Situation in Westdeutschland unterschied. Unscharf wirken auch die – nicht leicht zu ziehenden – Grenzen zwischen gesellschaftlicher und staatlicher Repression, persönlichem Schicksalsschlag und politischer Unterdrückung.

Eine kollektive Erfahrung

„Uferfrauen – Lesbisches L(i)eben in der DDR“ ist dennoch ein bewegendes Porträt lesbischen Lebens. Die anfangs lose nebeneinanderstehenden Biografien verdichten sich zunehmend zu einer auch kollektiven Erzählung. Man wünscht sich sehr, dass die Frauen früher voneinander gewusst hätten. Es wäre ihnen vielleicht einiger Schmerz erspart geblieben.

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