Der Liebhaber meines Mannes

Drama | USA/Großbritannien 2022 | 109 Minuten

Regie: Michael Grandage

In Rückblenden erzähltes Drama über einen schwulen britischen Polizisten in den 1950er-Jahren, der in einer fatalen Dreiecksbeziehung zwischen seinem Liebhaber und seiner Ehefrau gefangen ist. Die Gefahr einer Entdeckung seiner homosexuellen Beziehung wird ebenso zur psychischen Belastung wie die platonischen Gefühle gegenüber seiner Frau, mit der ihn tiefe Zuneigung verbindet. Raffinierte Perspektivwechsel, gute schauspielerische Leistungen und die eindringliche Zeichnung einer moralistisch-intoleranten Gesellschaft, die Homosexualität unter Strafe stellt, tragen zum Gelingen dieses klassisch inszenierten Films bei. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MY POLICEMAN
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Amazon Studios/Independent Entertainment/MGC Entertainment
Regie
Michael Grandage
Buch
Ron Nyswaner
Kamera
Ben Davis
Musik
Steven Price
Schnitt
Chris Dickens
Darsteller
Emma Corrin (junge Marion) · Gina McKee (ältere Marion) · David Dawson (junger Patrick) · Rupert Everett (älterer Patrick) · Harry Styles (junger Tom)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm | Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Drama über einen schwulen Polizisten in den 1950er-Jahren, der zwischen dem Wunsch nach persönlicher Erfüllung und Selbsthass schwankt.

Diskussion

Die Erkenntnis, dass homosexuellen Männern bis zur Legalisierung von schwuler Liebe zu Ende der 1960er-Jahre großes Unrecht widerfahren ist, hat sich mittlerweile in der britischen Gesellschaft durchgesetzt. Eines der prominentesten Opfer der Repression gegen Homosexuelle, der Mathematiker Alan Turing, ziert heutzutage auf der Insel sogar den 50-Pfund-Schein. Auch britische Filme und Serien beschäftigen sich regelmäßig mit dem Thema, beziehungsweise mit der wiederkehrenden Repression gegen die LGBT-Community durch die berüchtigte Clause 28, welche unter der Thatcher-Regierung die sogenannte „Förderung von Homosexualität“ durch lokale Behörden verbot. So handelt die Serie „It’s a Sin“ (2021) von einer schwulen Freundesclique in den 1980ern, das Drama „Blue Jean“ (2022) von einer lesbischen Sportlehrerin Ende der 1980er-Jahre, die wegen der durch Konservative aufgeheizten Stimmung nicht ihr Coming Out am Arbeitsplatz wagt.

Tragisches Liebesdreieck

Ein Staatsdiener, zumal einer in blauer Polizistenuniform, riskierte in den 1950er-Jahren bei Bekanntwerden seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung im Vereinigten Königreich nicht nur seine Stellung, sondern auch eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Eine einfache Denunzierung reichte aus, um schwule Männer hinter Gitter zu bringen. Auch in dem Drama „My Policeman“ wird es solch eine Denunzierung geben, denn der Ordnungshüter, um den es geht, ist in einer Dreiecksbeziehung zwischen einem Mann und einer Frau gefangen. Alles beginnt Ende der 1950er-Jahre scheinbar traditionell am Strand von Brighton. Die junge Lehrerin Marion (Emma Corrin) lernt den attraktiven gleichaltrigen Tom (Harry Styles) kennen. Er stellt sich als Polizist heraus und überzeugt sie nicht zuletzt durch seine freimütige Art, wenn er sie etwa bittet, ihm die Literatur und die Malerei näherzubringen. Im Gegenzug bringt er ihr das Schwimmen bei, und so kommen sich beide immer näher. Wenn Toms kultivierter Freund, der Museumsleiter Patrick (David Dawson), zu den beiden stößt, wird der wegen seines Mangels an Bildung gehemmte Tom lockerer. Zuweilen hat Marion den Eindruck, dass auch Patrick mit ihr flirtet, doch ihr Herz gehört ganz dem charmanten Polizisten.

Was Marion nicht weiß: Tom und Patrick sind in Wirklichkeit ein Liebespaar, und sie fungiert als eine Art Schutzschild für Tom. Seit etlichen Wochen trifft er sich mit Patrick in dessen Wohnung, und stets müssen sie darauf achten, dass niemand von ihren Rendezvous erfährt. Schließlich heiratet Tom die gutgläubige Marion und tut dabei weder sich noch ihr noch Patrick einen Gefallen.

Eine Liebe, die nicht sein darf, mündet in Selbsthass

Eingebettet ist die Geschichte in eine Rahmenhandlung, die in den 1990ern spielt. Die Figuren sind mittlerweile um die 60, und Patrick zieht nach einem Schlaganfall in das Haus der Eheleute in Sussex ein. Allerdings meidet Tom (Linus Roache) den lallenden, im Rollstuhl sitzenden Patrick (Rupert Everett), und so übernimmt Marion (Gina McKee) dessen Pflege. Was zwischen den dreien vor vier Jahrzehnten vorgefallen ist, erfährt man nach und nach durch Patricks Tagebuchaufzeichnungen, die in Rückblenden illustriert werden. Zwar ähneln die drei Schauspieler in der Jetztzeit nur bedingt ihren jungen Counterparts, dennoch sind die Zeitebenen für sich allein genommen stimmig.

In den Rückblenden betreibt Tom ein anstrengendes Versteckspiel, das in Selbsthass und auch immer wieder in Aggressionen gegen Patrick umschlägt. Tom ist Gesetzeshüter und kann sich seine sexuelle Orientierung nicht verzeihen. Durch die Ehe mit Marion will er sich beweisen, dass er wie alle anderen sein kann und opfert sein Lebensglück seinem Streben nach Recht und Ordnung. Dennoch kann er nicht von Patrick lassen, und das zeitigt ein paar schöne Szenen des Ausgelassenseins zwischen den beiden und gipfelt in einer romantischen gemeinsamen Reise nach Venedig.

Raffinierte Perspektivwechsel

Doch die Gefahr lauert überall. Homosexualität wird entweder totgeschwiegen oder geächtet. Vor dem Gericht, das einen der Protagonisten anklagt, spielt sich der Staatsanwalt süffisant als moralische Instanz auf, und die Gesetze der Zeit geben ihm Recht.

Die Erzählstruktur von Michael Grandages Drama, das auf dem Roman „My Policeman“ von Bethan Roberts aus dem Jahr 2012 basiert, operiert mit einigen raffinierten Perspektivwechseln. Anfangs werden die Rückblenden nur aus Marions Sicht geschildert, und so hält man Toms Interesse an ihr für aufrichtig. Aus Toms Perspektive und mit Wissen um seine Beziehung zu Patrick, die chronologisch vor seiner Bekanntschaft mit Marion erfolgt, ergibt sich ein anderes Bild. Es reflektiert Toms Zwiespalt zwischen dem Objekt seiner Leidenschaft, Patrick, und seiner aus Rationalität Auserwählten, Marion. Allerdings vereint ihn mit ihr später auch eine liebevolle Verbundenheit, wenn auch eine leidlich platonische.

Nun mag man sich fragen, ob solche Geschichten in Zeiten der Ehe für alle in westlichen Ländern noch erzählt werden müssen. Doch leider ist Homophobie durchaus noch existent, und zum anderen schafft es der Film anschaulich, den Zwiespalt und die Frustration von Figuren in einer Gesellschaft zu inszenieren, die von sehr rigiden Moralvorstellungen und einem Klima der Angst geprägt war. Alle drei Figuren sind in eine falsche Zeit hineingeboren worden, in der von Staats wegen verordnete Heteronormativität in die Privatsphäre von Menschen eingreift und Leben zerstört.

Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt

Entscheidend für das Gelingen dieses klassischen Dramas ist die Chemie zwischen den Schauspielern. So strahlt Harry Styles mit seinem jungenhaften Charme in den Rückblenden eine Unbefangenheit aus, die jederzeit in Verzweiflung umschlagen kann. Charakterlich ist er nicht so festgelegt wie der von Linus Roache gespielte ältere Tom, der Selbstgerechtigkeit und Verdrängung zu seiner Raison d’être erhoben hat. Überzeugt Emma Corrin als junge Marion mit Naivität, Anhänglichkeit, aber auch Güte, wirkt Gina McKee als ältere Marion deutlich reifer und abgeklärter. Besonders subtil agiert David Dawson als jüngerer Patrick, der sich ständig beherrschen muss, seine inneren Konflikte aber trotzdem gekonnt durch Blicke und Gesten nach außen transportiert, während seinem älteren Gegenstück Rupert Everett eher die undankbare Rolle des durch den Schlaganfall in seiner Mimik und Gestik eingeschränkten älteren Patrick zufällt.

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