Golda - Israels Eiserne Lady

Biopic | Großbritannien 2023 | 101 Minuten

Regie: Guy Nattiv

Am jüdischen Versöhnungstag des Jahres 1973 greifen Ägypten, Syrien und Jordanien die Golanhöhen und die Halbinsel Sinai an. Golda Meir, die israelische Ministerpräsidentin, versucht mit ihrem Kabinett die Taktik des Feindes zu durchschauen und eine erfolgreiche Verteidigung aufzubauen. Dabei wird US-Außenminister Henry Kissinger zu ihrem wichtigsten Gesprächspartner. Die spannende Aufbereitung des Jom-Kippur-Krieges spielt zumeist in Kommandozentralen und Innenräumen. Golda Meir erscheint als energische und kluge Entscheiderin. Durch unbeabsichtigte Bezüge zum Überfall der Hamas im Oktober 2023 und dem aktuellen Krieg gegen Israel weist der Film über sich hinaus. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
GOLDA
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Piccadilly Pic./Qwerty Films/Perfume Films
Regie
Guy Nattiv
Buch
Nicholas Martin
Kamera
Jasper Wolf
Musik
Dascha Dauenhauer
Schnitt
Arik Lahav-Leibovich
Darsteller
Helen Mirren (Golda Meir) · Liev Schreiber (Henry Kissinger) · Camille Cottin (Lou Kaddar) · Ellie Piercy (Shir Shapiro) · Rami Heuberger (Moshe Dayan)
Länge
101 Minuten
Kinostart
30.05.2024
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Biopic
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Biografischer Film über die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir, die während des Jom-Kippur-Krieges 1973 mit klugen Entscheidungen eine Niederlage ihres Landes verhindert.

Diskussion

Eine Frau raucht, und zwar ständig. Im Bett, auf der Liege beim Arzt, bei Konferenzen, beim Essen. Sie zündet sich eine neue Zigarette an der verglimmenden Glut der letzten an und gibt somit dem Begriff des Kettenrauchens eine wortwörtliche Bedeutung. Einmal wird die Rauchwolke, die sie genießerisch ausstößt, immer größer und größer – fast so, als sei eine Bombe hochgegangen. Es ist das einzige Mal, dass in „Golda – Israels Eiserne Lady“ privates Laster und politische Verantwortung so nahekommen.

Die Frau ist Golda Meir (1898-1978), die von 1969 an fünf Jahre lang Ministerpräsidentin des Staates Israels war. Nach einem kurzen Abriss der Konflikte, die das Land seit der Staatsgründung 1948 austragen musste, konzentriert sich Regisseur Guy Nattiv auf den Jom-Kippur-Krieg, der knapp drei Wochen dauerte. Im Oktober 1973 griffen Ägypten, Syrien und Jordanien völlig überraschend die Golanhöhen und die Halbinsel Sinai an, und zwar ausgerechnet an Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungstag. Die Geheimdienste waren nicht im Bilde, und die israelische Armee geriet in starke Bedrängnis.

Die Aschenbecher quellen über

Vor diesem Hintergrund zeigt der Film Golda Meir (Helen Mirren) zumeist in strategischen Konferenzen mit ihren militärischen Beratern, Verteidigungsminister Moshe Dayan und hochrangigen Offizieren. Man beugt sich über Landkarten, gibt Befehle, durchdenkt die Taktik des Feindes. Ist es ratsam, den Suez-Kanal zu überqueren, um die ägyptische Panzer-Offensive aufzuhalten? Oder wäre das eine Falle? Aus diesen Momenten bezieht der Film seine Spannung, ebenso aus den Funk-Mitschnitten einer Panzerschlacht, die das Leid der israelischen Soldaten verdeutlicht, ohne Bilder des Geschehens zu zeigen. Meir raucht auch hier wie ein Schlot; die Aschenbecher sind übervoll, der Feueranzünder klickt lautstark.

Energisch und klug sucht sie nach Lösungen, setzt sich gegen das ausschließlich aus Männern bestehende Kabinett durch und telefoniert gelegentlich mit Henry Kissinger, um die Unterstützung der US-Amerikaner einzufordern, die in dieser Zeit vorrangig mit dem Watergate-Skandal beschäftigt waren. Liev Schreiber spielt den US-Außenpolitiker mit bewundernswertem Understatement. Die Klischees, die man sonst mit Kissinger-Darstellungen verbindet, etwa seine tiefe, gebrochene Stimme, vermeidet Schreiber. Kissinger ist einer der wenigen internationalen Politiker, die Golda Meirs schwierige Lage verstehen. Er weiß, was sie durchmacht, und er ist der einzige, mit dem sie offen sprechen kann. Er ist auch der einzige, mit dem es zu humorvollen Zwischenspielen kommt, etwa bei jener Begegnung in Israel, als Golda Meir ihn nötigt, den Borschtsch ihrer Haushälterin zu kosten.

Eine harte, selbstbewusste Entscheiderin

Während Richard Nixon im Fernsehen seine berüchtigte „I am not a crook“-Rede hält, backt Golda Meir mit umgebundener Schürze in der Küche einen Kuchen. Das sind seltene Momente, in denen die Politikerin auch menschlich wirkt. Helen Mirren, unter schwerem Make-up bis zur Unkenntlichkeit versteckt, spielt Meir überwiegend als harte, selbstbewusste Entscheiderin, die auch ihrer Krebserkrankung stoisch begegnet. Was wirklich in ihr vorgeht, was sie wirklich denkt, erfährt man nicht. Erst in einer Rahmenhandlung, bei der sich Golda Meir einige Monate nach dem Jom-Kippur-Krieg vor einem Ausschuss für ihre Kriegsführung rechtfertigen muss, gesteht sie, auch Fehler gemacht zu haben.

Am Schluss des Films sieht man die reale Golda Meir in schwarz-weißen Fernsehnachrichten, wie sie bei einer Pressekonferenz neben dem ägyptischen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat sitzt und mit Charme und Humor die Anwesenden entwaffnet. Charaktereigenschaften, die man sich auch bei der von Mirren gespielten Meir gewünscht hätte.

Der Film zwingt auch dazu, über den aktuellen Nahost-Konflikt nachzudenken. Die Parallelen sind zu deutlich. Die Unterstützung der US-Amerikaner, die Waffenlieferungen, die unglückliche Rolle der Geheimdienste und die richtige Strategie im Kampf gegen den Feind sind die gleichen Probleme, mit den sich Israel damals wie heute herumschlagen muss. Beabsichtigt war diese Parallelisierung aber nicht. „Golda – Israels Eiserne Lady“ entstand im Jahr 2022 und lief acht Monate vor dem Überfall der Hamas bei der Berlinale. Trotzdem hat die Duplizität der Ereignisse etwas Beklemmendes, da der Nahost-Konflikt sich schon über Jahrzehnte hinzieht. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

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