Jerry Maguire ist ein erfolgreicher Sportleragent. Einige der teuersten Spieler der amerikanischen Football-und Basketball-Ligen stehen bei ihm unter Vertrag. Es scheint ihm an nichts zu fehlen, ein Master of the Universe, wie es bei Tom Wolfe heißt. Aber das Glück dauert nur wenige Filmminuten, in denen Tom Cruise sein berühmtes, teures Lächeln zeigen darf. Ein wenig zu breit wirkt es zudem, haarscharf am Rande der Selbstparodie des mit Abstand erfolgreichsten Schauspielers seiner Generation. Und es bricht in sich zusammen, als ein Kind ein Autogramm von einem seiner Sportstars fordert - leider auf einer Karte, die nicht den richtigen Sponsor zeigt - und enttäuscht abziehen muß. Und kurz darauf gefriert jenes Lächeln, als ein Kind ihn wegen seines rigiden Erfolgsdenkens beschimpft. Dies allein scheint der Auslöser für die Wandlung des Jerry Maguire zu sein, und es ist nicht die letzte Szene, in der ein Kind eine entscheidende Rolle spielt. Noch in der Nacht nach diesem Vorfall verfaßt der Agent ein Memo, das er jedem seiner Kollegen zu lesen gibt. Weniger Kunden, denen mehr Zuwendung zuteil werden soll, empfiehlt er da, sowie Aufrichtigkeit und andere Tugenden, die im amerikanischen Sportgeschäft bekanntlich wenig Platz haben. Kurz darauf ist der große Jerry Maguire arbeitslos.Er erlebt den amerikanischen Albtraum: Erfolglosigkeit. Die Kollegen kennen ihn nicht mehr, die Verlobte wendet sich von ihm ab, und das Schlimmste: keiner seiner Vertragspartner hält noch zu ihm - bis auf eine Art ewiges Talent im Football, das sich seine Rente sichern will, und die bislang unscheinbare Sekretärin Dorothy, die Jerrys Memo toll fand. Nicht die besten Voraussetzungen für einen Wiederaufstieg, aber Jerry hat in den beiden gefunden, wonach er verzweifelt suchte: unverbrüchliche Loyalität. Außerdem hält er verbissen an seinem alten Optimismus fest, ganz im Sinne seines Lehrmeisters, der zwar verstorben, aber in kurzen Szenen immer wieder präsent ist: Ohne Herz kein Erfolg, ist eine von dessen vielen hübschen Devisen. Ausgestattet mit diesen Strohhalmen der Hoffnung plagt sich Jerry fortan um ein paar kleine Schritte vorwärts.In dieser zynischen Welt, so läßt Regisseur und Autor Cameron Crowe seinen Helden sagen, muß es Platz für Liebe geben. Das ist der Glaube, von dem sein Film geprägt ist - und der Jerry Maguire zunächst deutlich in die lange Tradition jener moralisch hochstehender Helden des US-Kinos stellt, die sich aufrecht dem Unrecht entgegenstellen. Aber Crowe zeigt nicht viel von diesem Unrecht, sein Film taugt nicht wirklich als bissige Satire auf das skrupellose Sportbusiness, obwohl sich der Regisseur zur Vorbereitung angeblich jahrelang darin umgesehen hat. Aber vielleicht ist gerade das der Grund dafür, daß er den Schwerpunkt schließlich auf einen einzelnen Betroffenen legte, der zumal beides in sich vereint: das Ideal des Erfolgs, der, was unbestritten bleibt, sich nicht ohne gewisse notwendige Mechanismen des Geschäfts einstellt, und das Ideal der Rechtschaffenheit. Was Jerry wirklich zermürbt, ist sein Zwiespalt: das Wissen um die Notwendigkeit des Erfolgs - mit dem er letztlich auch seine Beziehung zu Dorothy retten kann - und der Anspruch an sich selbst, diesen Erfolg ganz ohne die Mittel zu erreichen, die ihn schon einmal nach oben gebracht haben. In der Figur des von ihm betreuten Footballspielers spiegelt sich das reine Erfolgsdenken, und in der von Dorothy das der reinen Tugendhaftigkeit, und um beider Zuwendung buhlt Jerry mit allergrößter Anstrengung.Tom Cruise sieht man als Jerry nie wirklich am Boden liegen, dafür ist der Film zu sehr als heitere Komödie angelegt. Aber man sieht ihn linkisch und ratlos, betrogen und betrunken, und viel allein. Als sich doch mal ein kleiner Teilerfolg einstellt, will er beim Autofahren singen, findet aber im Radio keinen Song, dessen Text er auswendig weiß - es sind diese kleinen Niederlagen, die die Selbstbeherrschung bröckeln lassen. Und es sind zahllose solcher kleiner Regie-Ideen, die den Film zu einem Vergnügen machen. Dazu kommen Dialoge, deren Grundmuster nicht gerade neu erfunden wurden, die aber immer wieder überraschende Pointen und Wendepunkte bieten, sowie Situationen, die nicht halten, was sie versprechen, zum Glück. Etwa die Selbsthilfegruppe geschiedener Frauen, bei der man nie ganz sicher ist, ob sie nun persifliert wird oder nicht, zumal sich Dorothy alsbald dazu setzt. Oder die Spuren von Sentimentalität, die kaum einmal ausgespielt wird, sondern eher ein plötzliches Ende findet. Ganz ähnlich hatte Crowe in "Singles - Gemeinsam einsam"
(fd 30 165) gearbeitet, einer unterhaltsamen und gewagten Mischung aus Daily-Soap-Stilisierung und Grunge-Hipness. Im Soundtrack schließlich, der dort eine große Rolle spielte, scheint sich diesmal vielmehr eine Ansammlung von Lieblingsstücken des ehemaligen Musikjournalisten zu präsentieren, die als dramaturgische Zeichen kaum nützen, aber geschmacklich einwandfrei sind. Von den Stones, Tom Petty und James Brown reicht das Spektrum bis zu Kurt Cobain, von dem ein Song mehr schlecht als recht auf einer Westerngitarre intoniert, und Marvin Gaye, dessen "What's Going On" ebenso mittelprächtig gesungen wird.