In this Corner of the World

Animation | Japan 2016 | 130 Minuten

Regie: Sunao Katabuchi

Außergewöhnlich intensiver Animationsfilm, der am Beispiel zweier Familien in Hiroshima und Umgebung die Kriegsmonate der Jahre 1944 und 1945 mit all ihren Entbehrungen, aber auch ihren verhaltenen Freuden verlebendigt. In meisterlicher Weise übersetzt er die Manga-Vorlage in bewegt-bewegende Bilder voller impressionistischer Poesie, ohne dadurch das Grauen des Krieges je zu beschönigen. Der intensive poetische Realismus findet eine perfekte Balance, um zugleich zu bestürzen und aufzurichten. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
KONO SEKAI NO KATASUMI NI
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Mappa/Genco
Regie
Sunao Katabuchi
Buch
Sunao Katabuchi
Musik
Kotoringo
Länge
130 Minuten
Kinostart
13.07.2017
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Animation | Drama | Kriegsfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein 12-seitiges Booklet mit Informationen zum Film, die Featurette "Hiroshima & Kure: Damals & Heute" (15 Min.) sowie ausführliche und erhellende Interviews mit Regisseur Sunao Katabuchi (42 Min.) und Produzent Masao Maruyama (13 Min.).

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.85:1, DD5.1 jap./dt.)
Verleih Blu-ray
Universum (16:9, 1.85:1, dts-HDMA jap./dt.)
DVD kaufen

Außergewöhnliches Anime über das Leben zweier Familien in der Zeit vor der Atombombe auf Hiroshima

Diskussion

„Es ist mal so und mal so, aber alles in allem aber gar nicht so schlecht, ein Kind zu sein.“ Als das Mädchen Suzu dies feststellt, ist die Welt noch in Ordnung. Japan bereitet sich insgeheim zwar längst auf den großen Krieg vor, doch im nahe Hiroshima gelegenen Ort Eba geht das Leben noch seinen beschaulichen Gang. Suzu, Tochter eines Algensammlers, lebt mit ihren Eltern, zwei Geschwistern und ihrer fürsorglichen Oma zusammen und gibt sich in den langen Tagen des Sommers ganz ihren Tagträumen über abenteuerliche Wesen hin, von denen sie auch mit 19 Jahren nicht lassen möchte. Da sie fast erwachsen ist, wäre es nun bald Zeit, eine Ehe einzugehen und ihre Familie hinter sich zu lassen.

Ihren Ehemann Shūsaku lernt Suzu erst zur Hochzeit richtig kennen. Er lebt mit seiner Mutter San, seiner Schwester Keiko und deren kleiner Tochter Harumi in den Hügeln der verschlafenen Hafenstadt Kure, ebenfalls nicht weit von Hiroshima entfernt. Für Suzu ist es hart, ihre Familie zu verlassen und mit einer anderen eine neue Gemeinschaft zu bilden. Doch wozu besitzt sie all ihre Tagträume und überdies die Gabe, ihre Umgebung in poetischen Zeichnungen zu verewigen? Suzu macht das Beste aus ihrer Lage, auch wenn sie das Heimweh plagt und die Versorgung mit Lebensmittel zu Beginn des Jahres 1944 immer schwieriger wird.

Der Krieg kommt näher

Während anderswo der Zweite Weltkrieg tobt, rücken in Kure alle enger zusammen und teilen sich das Wenige, das sie zum Leben haben, noch etwas sorgfältiger ein. Shūsaku ist ein guter Ehemann und muss im Gegensatz zu Suzus Bruder die Stadt nicht auf einem Kriegsschiff verlassen. Doch die feindlichen Fliegerstaffeln bringen den Krieg immer näher. Monat für Monat nehmen die Bombardierungen zu, denn Kure ist ein wichtiger Hafen für die japanische Armee. So dringen Leid und Tod allmählich in die Gegend ein, während der heiße Sommer 1945 über dem Land liegt.

Die Manga-Zeichnerin Fumiyo Kōno, geboren 1968 in Hiroshima, kennt die schrecklichen Kriegsjahre nur aus Geschichten und als Lehrstoff der Schule. Doch für die Menschen in ihrer Heimatstadt hat sie sich schon immer interessiert und ihre Geschichten auch in Mangas verarbeitet. Ihr dreibändiges Werk „Kono Sekai no Katasumi ni“ („In this Corner of the World“) entstand zwischen 2007 und 2009 und beschreibt anhand der Hauptfigur Suzu das Trauma eines Landes zwischen Hurra-Patriotismus, bedingungsloser Ergebenheit und dem Wahnsinn menschlicher Zerstörungswut, die selbst den letzten beschaulichen Winkel der Erde erreicht.

Weit von computeranimierten Perfektion entfernt

Der Animationsfilmregisseur Sunao Katabuchi hat sein Handwerk in den 1980er-Jahren an der Seite von Hayao Miyazaki gelernt. Sein dritter Langfilm „In this Corner of the World“ entstand ganz im Geiste seines Lehrers und erweckt den mitunter groben Federstrich Kōnos, von dem man am Ende des Abspanns eine Kostprobe zu sehen bekommt, in einer pastellenen, fast impressionistischen Art zum Leben. Dieser Stil ist weit von der computeranimierten Perfektion Hollywoods entfernt, berührt aber umso nachhaltiger.

Es geschieht nicht viel in diesem Film, der Tableaus vom Leben am Stadtrand versammelt, Alltagsszenen im Zeichen der Armut und der Allgegenwart einer tödlichen Kriegsbedrohung. Gerade dieser beiläufige Realismus, die genau beobachteten Details angesichts des Widersinns einer nichts in Frage stellenden Gesellschaft, bewegt und irritiert. Es verlangt eines gewissen Vorwissens, um die geschichtlichen Zusammenhänge einzuordnen, aber auch um die Spannungskurve des Films nachzuvollziehen, die durch Datumseinblendungen strukturiert wird und unbarmherzig bis zum 6. August 1945 fortschreitet.

Das atomare Inferno von Hiroshima findet dann fast beiläufig statt, manifestiert sich aber umso eindringlicher in den Panoramen der zerstörten Stadt und den lethargisch-leeren Kinderaugen. Darin erzielt der Film eine ähnlich niederschmetternde Intensität wie „Die letzten Glühwürmchen“ (1988) von Isao Takahata, der ebenfalls die Absurdität der Bombe thematisiert, auch wenn bei Katabuchi ein wenig mehr Hoffnung in die totale Verwüstung fließt.

Es gibt wenige Filme, die wie „In this Corner of the World“ in gleichem Maße bestürzen und aufrichten, sodass sich Tränen der Trauer und Wut mit denen der Zuversicht mischen.

Kommentar verfassen

Kommentieren