Komödie | Deutschland 2012 | 97 (24 B./sec.)/93 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Stefan Hering

Eine junge BWL-Absolventin, die aus dem Arbeitermilieu stammt, soll für einen Waschmaschinenhersteller aus dem Ruhrgebiet 400 Mitarbeiter zur Kündigung motivieren. Hin- und hergerissen zwischen Herkunft und Aufstiegswillen, muss sie sich auch privat zwischen einem Manager und einem Gewerkschaftsführer entscheiden. Dabei gerät sie schnell zwischen alle Stühle, doch auch die Arbeiter wollen dem Stellenabbau nicht tatenlos zusehen und kidnappen kurzerhand ihren Chef. Eine etwas brav, mitunter holprig inszenierte Sozialkomödie. Dank der außergewöhnlichen Parteinahme für die Geknechteten und Bedrängten sowie des einnehmenden Ensembles, das sichtlich mit seinen Figuren leidet, bleibt die sanfte Kampfballade stets in Schwung. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Ester.Reglin.Film/SWR/arte
Regie
Stefan Hering
Buch
Beatrice Meier
Kamera
Christof Oefelein
Musik
Matthias Hornschuh
Schnitt
Oliver Grothoff
Darsteller
Bernadette Heerwagen (Karin Wegmann) · Sebastian Ströbel (Mike Sobotka) · Christoph Bach (Thomas Kruger) · Jürg Löw (Vatta Wegmann) · Dagmar Sachse (Gittie)
Länge
97 (24 B.
sec.)
93 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
26.09.2013
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Was den Briten bereits in den 1990er-Jahren mit Filmen wie „Brassed Off“ (fd 32 785) oder „Ganz oder gar nicht“ (fd 32 818) gelang, inmitten der neoliberalen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ein eigenes Genre der Sozialtragikomödie zu etablieren, ließ in Deutschland lang auf sich warten. Immerhin scheinen in diesem Herbst Filme wie „Abseitsfalle“ und „Global Player – Wo wir sind isch vorne“ das Defizit doch noch zu beheben, wenn man etwa an die Abwicklung der Autoproduktion im Bochumer Opel-Werk denkt, die den Wegfall von Hunderten von Arbeitsplätzen zur Folge haben dürfte und als jüngste Drohkulisse einer regionalen Verödung regelrecht nach einer filmischen Verarbeitung schreit. Der Debütfilm von Stefan Hering ist vielleicht nicht besonders originell, bringt aber genug Empathie mit, um einen nicht gleichgültig zu lassen. Ähnlich wie in „Brassed Off“ bekommt eine junge BWL-Absolventin, die selbst aus dem Arbeitermilieu stammt, die Gelegenheit zur Karrierebeschleunigung, wenn sie die Interessen der Konzernleitung vertritt, die auf möglichst reibungslosen Stellenabbau aus ist. Und genau wie in dem britischen Drama stellt die Liebe zu einem Aufrührer unerwartete Hindernisse in den Weg. Die zwischen Herkunft und Aufstiegswillen hin und her gerissene Heldin muss sich im Finale über ihre wahre Identität klarwerden. Damit die abgekupferte Grundkonstellation nicht gleich unangenehm auffällt, darf sich die Personalleiterin Karin zwischen zwei Männern entscheiden, dem Anzug tragenden Sanierer mit Doktortitel samt Anschlussprojekt im sonnigen Kapstadt und dem raubeinigen Gewerkschaftler mit Herz und wilder Mähne, der die Belegschaft gegen die Pläne des Mutterkonzerns in Dallas aufwiegelt. Obwohl der Waschmaschinenhersteller Gewinne erzielt, sollen ein Drittel der Beschäftigten entlassen werden. Um medienwirksame Streiks zu vermeiden, bekommt Karin die Aufgabe, die Betroffenen mit Abfindungen, Fortbildungsmaßnahmen und dem Wechsel in Transfergesellschaften auf Kosten des Staates zum freiwilligen Ausscheiden zu bewegen. Nur so könnte der Rest der Arbeitsplätze erhalten bleiben, vorausgesetzt das Werk im Ruhrgebiet gewinnt den Effizienzwettbewerb mit den restlichen drei europäischen Ablegern in England, Frankreich und Polen. Fast scheint die Rechnung dank antrainierter Psychotricks in der Gesprächsführung aufzugehen. Viele der resignierten Mitarbeiter nehmen lieber rechtzeitig das Geld, als am Ende mittellos in die Arbeitslosigkeit abzugleiten. Nur ein kleines Häuflein junger Gewerkschaftler aus dem firmeneigenen Fußballteam leistet Widerstand und organisiert ein solidarisches Turnier zwischen den gegeneinander ausgespielten Werken, um für die Ablehnung der Abfindungen zu werben. Je mehr sie an Zuspruch gewinnen, desto stärker gerät Karin unter ihren Ex-Kolleginnen, mit denen sie sich zuvor noch ein Büro teilte, ins Abseits. Da helfen auch keine Aussprachen auf dem Klo oder die Versicherung, den Abbau „sozialverträglicher“ gestalten zu wollen. Sie gilt als Mittäterin, die selbst bei privaten Grillabenden geschnitten wird. Diverse von lauten Aufbruchshymnen untermalte Fußballmanöver, Liebeswirrungen und peinlich einfallslose „Wir lassen uns unsere Würde nicht wegnehmen“- Dialoge später, kidnappt die verzweifelte Truppe nach französischem Vorbild ihren Chef, der sich jedoch sogleich mit ihnen solidarisiert, da er, jeglicher Befugnisse beraubt, ebenfalls mit der globalisierten Arbeitswelt fremdelt. Man hätte sich mehr groteske Szenen wie diese in der allzu brav gestrickten Etüde gewünscht, die in der optischen Auflösung und bei der Gestaltung der Nebenfiguren mitunter schamlos der „Lindenstraße“-Dramaturgie folgt, was nicht weiter verwundert, da die Produzentin Roswitha Ester jahrelang als Storylinerin und Producerin bei dieser Fernsehserie mitgewirkt hat. Doch dank der sensationell eindeutigen Parteinahme für die Geknechteten und Bedrängten und eines einnehmenden Ensembles, das sichtlich mit seinen Figuren leidet, bleiben die Bälle trotzdem in Schwung – der Anfang eines neuen deutschen Sozialkinos ist mit dieser sanften Kampfballade allemal geschafft.
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