Biopic | Schweiz 2014 | 106 Minuten

Regie: Stefan Haupt

Semidokumentarische Geschichte der Zürcher Schwulenbewegung, exemplarisch erzählt entlang der in den 1950er-Jahren beginnenden Liebesgeschichte zweier Männer und ihres Umfelds rund um die schwule "Selbsthilfeorganisation" und den Club "Der Kreis". Mit Hilfe von dokumentarischem Material und Reenactments gelingt dem Film eine facettenreiche Einlassung auf ein persönliches Schicksal und die Entwicklung der schwulen Emanzipation in Zürich, deren Beobachtungen über den lokalen Kontext hinausweisen.(Teils O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DER KREIS
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Contrast Film/SRF
Regie
Stefan Haupt
Buch
Stefan Haupt · Ivan Madeo · Urs Frey · Christian Felix
Kamera
Tobias Dengler
Musik
Federico Bettini
Schnitt
Christoph Menzi
Darsteller
Matthias Hungerbühler (Ernst Ostertag, jung) · Sven Schelker (Röbi Rapp, jung) · Anatole Taubman (Felix) · Marianne Sägebrecht (Erika Rapp) · Stefan Witschi (Rolf)
Länge
106 Minuten
Kinostart
23.10.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Dokumentarfilm | Drama
Externe Links
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Diskussion
„Wir waren so geprägt vom Verstecken, dass uns allein der Gedanke, es könne einmal so etwas wie eine registrierte Partnerschaft geben, wie ein Traum erschienen ist“, staunt kurz vor Schluss des Films Ernst Ostertag – und neben ihm auf dem Sofa nickt Röbi Rapp verschmitzt. Im Sommer 2003 waren Ostertag und Rapp das erste homosexuelle Paar, das in der Schweiz heiratete. Bis heute leben sie gemeinsam in Zürich. „Der Kreis“ von Stefan Haupt erzählt ihre Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Geschichte der Homosexuellen in Zürich, die weitaus mehr als eine regionale Angelegenheit gewesen ist. Mitte der 1950er-Jahre beginnt der junge Referendar Ernst Ostertag seine Arbeit an einer Zürcher Mädchenschule, wo es nicht gern gesehen wird, dass er im Unterricht Camus lesen lässt. Noch weniger gern wäre er gesehen, wüsste die Schulbehörde um seine homophilen Neigungen. Andererseits ist in der Schweiz Homosexualität früher als in anderen Ländern kein Straftatbestand, weshalb Zürich zum attraktiven internationalen Treffpunkt der frühen Schwulenbewegung wurde. In der Stadt residierte auch eine schwule „Selbsthilfeorganisation“ mit dem Namen „Der Kreis“, die ein gleichnamiges, international wahrgenommenes Periodikum publizierte und ab 1948 einen Club führte, der als Treffpunkt der Szene diente und dessen Maskenbälle ein internationales Publikum anlockten. Hier begegneten sich auch Ernst Ostertag und der junge Frisör Röbi Rapp. Die beiden Männer verlieben sich ineinander, aber bis sie Ende der 1960er-Jahre in eine gemeinsame Wohnung einziehen, muss das Paar allerlei Konflikte lösen, die exemplarisch alle Varianten zwischen Heimlichtuerei, Verleugnung und Eingeständnis der eigenen Identität durchspielen.Während der eher einfache Röbi seine Homosexualität auch vor seiner Mutter recht offen lebt, braucht der Bürgersohn Ernst lange Zeit, bis er seinen Eltern gegenüber ehrlich sein und zu Röbi stehen kann. Ernst und Röbi gehören dazu, zum „Kreis“, dessen Politik darin besteht, durch Unauffälligkeit und Zusammenarbeit mit der Sittenpolizei seinen Spielraum als Subkultur zu sichern. Als Ende der 1950er-Jahre Morde im „Stricher-Milieu“ Zürich aufschrecken, ändert sich das Klima in der Stadt. Es kommt zu Razzien, Verhören, Misshandlungen, Denunziationen und zur Einführung eines Schwulenregisters. Als 1960 ein Tanzverbot für Männer mit Männern vom Stadtrat verabschiedet wird, verliert „Der Kreis“ zunächst sein finanzielles Standbein, muss 1967 das Erscheinen der Zeitschrift einstellen und löst sich kurz darauf auf. Erst die Studentenunruhen des Jahres 1968 sorgen dafür, dass sich die staatliche Repression anderen Zielen zuwendet. Stefan Haupt ergänzt seine „Oral History“ der Zürcher Schwulenbewegung durch Dokumentarmaterial und füllt Lücken durch exemplarisches Re-Enactment, was dem Film heute etwas anachronistisch die Anmutung von klassischem Fernsehdokumentarismus verleiht, aber andererseits bestens in die Zeit passt, zu der der Film spielt. Gleichzeitig erhält der Film durch dieses Verfahren eine Multiperspektivität, die unterschiedliche und einander widersprechende Haltungen zum „Coming Out of the Closet“ durchspielt. In Zeiten wachsender und auch gewaltbereiter Homophobie erzählt „Der Kreis“ mit viel Lokalkolorit eine Geschichte zwischen geduldeter Subkultur, Repression und institutionalisierter Akzeptanz, die in diesem speziellen Fall sogar den Protagonisten ein Happy End ermöglicht. Dass es auch andere, problematischere Biografien gab, macht der Film aber nachdrücklich klar.
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