Darth Vader hat auch schon mal mehr Eindruck hinterlassen als auf diesem Kindergeburtstag. Die kleinen Gäste lassen sich nur bedingt auf das Spiel mit dem Weltraumschurken ein, dafür muss sich die Frau in dem schwarzen Kostüm von einem dreisten Mädchen fragen lassen, wie alt sie eigentlich sei und warum sie keinen Freund habe. Für Pauline, 39 und bindungsscheu, sind solche ernüchternden Erfahrungen Alltag und schärfen nicht gerade ihr Selbstbild als »fast professionelle« Musikerin und Entertainerin. Trotzdem hält die gutherzige Frau weiter an Glauben und Bereitschaft fest, mit ihrer Arbeit als Animateurin Freude ins Leben anderer Menschen zu bringen. So nimmt sie bereitwillig jeden Auftrag an, selbst wenn sie sich dafür in der hintersten Provinz in albernen Outfits wie als Geige spielende Banane zum Affen machen muss. Auf der Fahrt zu einem solchen Auftritt gerät Pauline eines Tages auf Abwege: Als sie an einer Müllkippe stoppt und einen Mann nach dem Weg fragen will, überrumpelt sie diesen derart, dass er in eine Grube stürzt und mit dem Kopf aufschlägt. Einen Krankenwagen alarmiert Pauline noch, dann aber macht sie sich panikartig davon, ohne zu wissen, ob der Verunglückte den Fall überlebt hat.
Allzu lange bleiben Protagonistin und Zuschauer darüber nicht im Unklaren. Pauline erfährt aus der Zeitung, dass der Mann zwar nicht tot ist, aber mit fragwürdigen Heilungschancen im Koma liegt. Im Krankenhaus dringt die schuldbewusste Unfallverursacherin als angebliche Halbkusine des Komatösen an dessen Bett vor, erscheint täglich, um ihm Trost zuzusprechen, und verliebt sich allmählich in ihn. Anders als zuerst gedacht, hat der Mann aber doch Bezugspersonen: Als zwei Jugendliche im Krankenzimmer auftauchen, folgt Pauline ihnen und erfährt auf diese Weise mosaiksteinartig mehr über den Bewusstlosen. Sein Name ist Fabrice, sein Beruf Musiklehrer, sein Dasein vor dem Unfall war einzelgängerisch und depressiv. Kein beneidenswertes Leben, doch Pauline dringt in einer recht abenteuerlich erdachten Kette von Ereignissen immer weiter darin ein: In Fabrices Schule wird sie als seine Vertretung engagiert, von dort ist es nicht weit zu seiner Wohnung, wo sie fortan übernachtet, seine Zahnbürste benutzt und sich sowohl um seinen Hund als auch um seinen Sohn kümmert, den Fabrices Ex-Frau dort absetzt. Angesichts der Entwicklungen wächst Paulines Lügengeflecht immer weiter: Um ihre wahre Beziehung zu Fabrice zu verschleiern, verfällt sie auf zunehmend verwickelte Erklärungen, die ihr Improvisationstalent mächtig herausfordern.
In der Kombination aus Identitätsaneignung und der Nichtbereitschaft, sich der eigenen Verantwortung zu stellen, präsentiert sich die Hauptfigur durchaus pathologisch. Das macht es dem Versuch von »Die fast perfekte Welt der Pauline«, als romantische Komödie zu unterhalten, nicht einfach. Auch sind unbeschwerte Lacher Mangelware, obwohl sich Marie Belhomme sehr bemüht, auch Paulines schräge Züge als Teil ihres schüchternen, entwaffnend liebenswerten Wesens darzustellen. Dass sie dabei ohne ihre Darstellerin Isabelle Carré auf verlorenem Posten stünde, ist eine fast müßige Feststellung: In einer Rolle, die ihr wie auf den Leib geschrieben ist und Echos früherer Glanzauftritte – als Stalkerin im Thriller »Liebeswahn (Anna M.)« (2006), als sensible Introvertierte in der Komödie »Die anonymen Romantiker« (2011; fd 40 578) – enthält, läuft Carré zur Hochform auf. Paulines mal verhuscht-verlegenes, mal selbstbewusst neugieriges und von positiver Energie beseeltes Wesen besitzt dank ihr eine solche Folgerichtigkeit, dass man ihr sogar angesichts fragwürdiger Handlungen die Sympathie nicht versagt. Doch selbst diese fulminante Leistung verdeckt nicht die Schwächen des Drehbuchs, das in der Zeichnung der Nebenfiguren und einer glaubwürdigeren Gestaltung der Handlung einiges an Nachbesserung bedurft hätte. So wirkt der Film mitunter, als hätte er sich vom konfusen Charakter seiner Hauptfigur ein wenig zu sehr inspirieren lassen.