Reich werden im Irak

Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 83 Minuten

Regie: Ulrike Zimmermann

Eine deutsche Reiseunternehmerin will vom gesellschaftlichen Wandel des Iraks profitieren und im kurdischen Norden investieren. Sie lernt die dortige Finanzbranche kennen und begreift, wie der Kapitalismus in dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land allmählich Fuß fasst. Der dokumentarisch mäandernde Film erweist sich als genau beobachtetes Länderporträt, das mit langen Einstellungen „Nicht-Orte“ wie Einkaufszentren mit drängenden gesellschaftlichen Fragen kontrastiert und dabei auch Kuriositäten Raum gibt. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
MMM Film Zimmermann & Co.
Regie
Ulrike Zimmermann
Buch
Heike Faller
Kamera
Bernd Meiners
Schnitt
Philip Scheffner
Länge
83 Minuten
Kinostart
27.11.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb

Diskussion
Der Irak ist gegenwärtig nicht unbedingt ein Ort, an dem man Geld anlegen möchte, könnte man meinen. Doch die Regisseurin Ulrike Zimmermann begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Reich werden im Irak“ – der Begriff Irak meint hier den nördlichen Teil des Landes, die Autonome Region Kurdistan – zwei Frauen, die mit genau diesem Gedanken spielen. Susanne Braack ist eine Reiseunternehmerin, die sich auf Wal- und Delphinexkursionen spezialisiert hat. Man beobachtet diese große blonde Frau häufig dabei, wie sie am Telefon Verabredungen arrangiert oder irgendwo auf jemanden wartet. Sie tritt dabei wie eine aufmerksame Zuhörerin auf, weniger als zupackende Geschäftsfrau. Die Idee für ihre Unternehmung fand sie in ein Buch der Journalistin Heike Faller. „Wie ich einmal versuchte, reich zu werden. Mein Jahr unter Spekulanten“, heißt das, und deren Welt scheint es der Autorin auch angetan zu haben. Dabei ist sie über den Irak gestolpert. Um Fallers Anliegen zu erklären, bedient sich Regisseurin Zimmermann eines älteren Fernsehbeitrags. Erkennbar ist „Reich werden im Irak“ kein Film mit einem konkreten Anliegen. Reflexionen über das enorme Wachstumspotenzial dieses „emerging market“, über brachliegende Ölvorkommen oder passende Anlageobjekte können ihn nicht tragen und sollen es wohl auch nicht. Hat man sich damit arrangiert, dass der Titel in die Irre führt, erweist sich der Film als fein beobachtetes Länderporträt. In langen Einstellungen kontrastiert Zimmermann geschäftsmäßige Nichtorte wie Einkaufszentren auf der Tonebene mit Diskussionen über gesellschaftliche Fragen. Darin kommt der Kampf gegen die in der Region sehr verbreitete Genitalverstümmelung bei weiblichen Säuglingen ebenso vor wie die verheerenden Auswirkungen des langjährigen UN-Embargos. Ein damals junger Mann erzählt, wie diese Maßnahme ihn und seine vom Westen angezogenen Freunde von der Außenwelt abschnitt. Dabei hatte ihn niemand gefragt, „ob ich damit einverstanden bin, Kuwait anzugreifen“. Dazu sieht man Security-Leute, die gelangweilt ihr Walkie-Talkie als Drehkreisel verwenden. Ein Journalist des „Kurdish Globe“ preist gegenüber Braack die angeblich zahlreichen „beautiful landscapes“, doch diese machen sich ziemlich rar, sieht man einmal von einem sehr übersichtlichen See mit einigen Ruderbooten ab. Viele Besucher wollen den Ort Hallabdscha besichtigen, an dem Saddams Husseins Regime 5000 Kurden vergaste. Eher kurios mutet dagegen ein Oktoberfest an, bei dem anwesende Bayern „oans, zwoa, gsuffa“ intonieren, während die einheimischen Besucher eher verschüchtert dabei stehen.
Kommentar verfassen

Kommentieren