Es dürfte kaum möglich sein, im nunmehr 25 Jahre umfassenden Regiewerk Detlev Bucks thematisch auffällig Wiederkehrendes oder stringent Verbindendes zu entdecken. Eher im Gegenteil zeichnet es sich durch immer wieder überraschende Sujets, variierende Erzählweisen sowie das stets neugierige Einlassen auf unterschiedlichste Genres aus. Die Komödienanfänge mag Buck längst hinter sich gelassen haben, doch wer nach einem so dichten und spannenden Sozialdrama wie „Knallhart“
(fd 37 503) die Souveränität hat, einen in güldene Sommerfarben getauchten Kinderfilm zu drehen („Hände weg von Mississippi!“, fd 38 075), der ist – im guten Sinne – unberechenbar. In jedem Fall ist unübersehbar, dass Buck sein eigenes cineastisches „Patchwork“ immer sicherer und souveräner im Umgang mit filmischem Erzählen gemacht hat, sodass man sich durchaus vertrauensvoll auf ein zwischen Hamburg und Phnom Penh pendelndes interkulturelles Liebesmelodram einlassen kann, das sich auf dem Papier eher plakativ, vielleicht sogar etwas allzu leichtfertig anhören mag: Die Liebe zwischen einem 20-jährigen deutschen Rucksacktouristen und einem zierlichen kambodschanischen Bar-Girl, das HIV-positiv ist. Dass die Geschichte auf einer „wahren Begegebenheit“ basiert, muss sie nicht unbedingt von trivialen und kitschigen Anflügen befreien; Buck indes nutzt sie zu einem außerordentlich bildwirksam erzählten, emotional jederzeit glaubwürdigen Diskurs über junge Menschen zwischen den Fronten sich reibender, ethnisch sehr gegensätzlicher Kulturen, die sich angesichts mannigfacher Vorurteile und vermeintlicher Grenzen ihre eigene Perspektive schaffen müssen.
Wie kinoaffin, vor allem also visuell attraktiv Buck die Geschichte anzugehen versteht, zeigt bereits die Eröffnungssequenz, in der die junge Sreykeo im schicken Kleidchen in Zeitlupe durch die nächtlichen Straßen von Phnom Penh flaniert, eine fragile Traumgestalt im harten Kontrast zur Patina einer eher heruntergekommenen Stadt, die selbstsicher den gierigen Blicken der Männer Paroli bietet. Sreykeo ist auf dem Weg zu einem Internet-Café, um ihrem deutschen Freund Ben im fernen Hamburg mitzuteilen, dass sie HIV-positiv ist. „See you next life“, kommentiert sie undramatisch, woraufhin eine lange Rückblende einsetzt, um die Vorgeschichte des Paares zu erzählen. Auch dabei setzt Buck dramaturgisch dicht auf visuelle Chiffren, diesmal zunächst um die Naivität und Gedankenlosigkeit der jungen Touristen Ben und Ed zu beschreiben, die in Kambodscha ausschließlich ihren Spaß haben wollen: Posieren mit der Panzerfaust, Joints, LSD auf den Killing Fields, das Rumtreiben in Tanzbars mit Nutten und Spannern, Happy-Smile-Zigaretten und gedankenlos eingeworfenen Tabletten, deren Wirkung anderntags in einer pittoresken Hängematte im Touristenviertel Boeng Kak schon irgendwie nachlassen wird, während eine esoterisch angehauchte junge Reisende von der Zeit, in der man schwimmt, schwadroniert. Alles Pittoresk-Unverbindliche, sträflich Gedankenlose wird dann aber für Ben mit einem Schlag hinfällig – wofür Buck ein knappes, betont lakonisches Kinobild findet, wenn wie aus dem Nichts Sreykeo neben ihm auftaucht, als wäre sie immer schon da gewesen. „Leg’ deinen Kopf an meine Schulter, es ist schön, ihn da zu spür’n“, könnten die Toten Hosen treffend dazu singen, so einfach, undramatisch und doch spürbar tief funktioniert diese knappe Szene, die man sehen und (er)spüren muss, um den Wandel in Bens Haltung nachzuvollziehen: wie er Sreykeo fortan nicht nur einfach aushält, sondern sich um sie kümmert, sie zum Arzt begleitet, zu ihrer Familie im wabenartigen Wohnhaus La Building kommt, und wie er, viel später, mit ihr aufs Land reist, in Sreykeos Heimatdorf nahe Kompong Chhnang, wo sie Ben fragen wird, ob er sie heiraten und ihr hier ein Haus bauen wolle – was Ben verweigert: Er könne nicht, er sei zu jung dazu.
Buck hat zu diesem Zeitpunkt bereits äußerst prägnant und einprägsam deutlich gemacht, dass sich Bens Blick (und mit ihm der Blick des Zuschauers) auf die eigene Heimat merklich verschoben hat, auf das hiesige Arbeits- und Freizeitverhalten, auf Freunde und Familie, auf Liebschaften und die ganzen Unverbindlichkeiten, die Ben nicht mehr so viel bedeuten wie Sreykeo – einschließlich des Risikos und der Unwägbarkeiten eines gemeinsamen Lebens mit ihr. Mit viel Zeit, auch mit angenehmer Unaufgeregtheit und Ruhe sowie einem präzisen Gespür für Timing, Musik und das Arbeiten mit seinen Schauspielern schafft Buck einen sehr persönlichen globalen Raum, seine ganz eigene „intime“ Verflechtung und Intensivierung einer anrührenden globalen Beziehung.