The Airstrip - Aufbruch der Moderne, Teil III

Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 107 Minuten

Regie: Heinz Emigholz

Essayistischer Architektur- und Kunstfilm von Heinz Emigholz, in dem er rund um den Globus der klassischen Moderne in der Architektur nachspürt und mit pointierten Off-Kommentaren über die ökonomisch-materiellen und ideologischen Bedingungen der Bauwerke räsoniert. Der anregende, thematisch reiche und zudem humorvolle Film ist Schlusspunkt und eine Art „Best of“ von Emigholz’ weitgespanntem Projekt „Photographie und jenseits“, in dem kurze narrative Szenen und formale Spielereien ein Ende der asketisch-minimalistischen Erzählweise des Experimentalfilmers ankündigen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Filmgalerie 451/WDR
Regie
Heinz Emigholz
Buch
Heinz Emigholz
Kamera
Heinz Emigholz
Musik
Kreidler
Schnitt
Till Beckmann · Heinz Emigholz
Länge
107 Minuten
Kinostart
02.10.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
„Ich bin mir sicher, dass alles, was Menschen überhaupt zu erzählen haben, in Architektur vorzufinden ist: ihre Liebe zueinander, ihre Angst voreinander, ihr Bedürfnis nach Schutz und Ausstattung, ihre Eingebundenheit in den Zirkel der Natur. Nicht zuletzt wird eine der Architektur innewohnende brüllende Komik weltweit unterschätzt.“ Seit 1993 arbeitet Heinz Emigholz an dem Projekt „Photographie und jenseits“. Aus dem ursprünglich geplanten kommentarlosen Essayfilm wurden im Laufe der Zeit zehn lange und 74 kurze Filme, von denen sich die meisten mit Architektur beschäftigen und sich ganz aufs visuelle und akustische Kinoerlebnis verlassen. Mit „The Airstrip – Aufbruch der Moderne, Teil III“ endet dieses Projekt vorerst und schickt den Zuschauer noch einmal auf eine Reise um die Welt, von Berlin in die Normandie, später nach Polen, Italien, Süd- und Mittel­amerika, auf die Nördlichen Marianen, nach Japan, in die USA, ins Ostseebad Binz und schließlich wieder nach Berlin. Der Film beginnt mit einer atmosphärischen Abtastung der Skulptur „Der gefesselte Prometeus“ von Reinhold Begas. Doch früh mischt sich auch eine Stimme ein (die von Nadja Brunckhorst), die in kurzen Kommentaren Architektur zu Geschichte und Politik in Beziehung setzt und später auch Autobiografisches einfließen lässt. Es geht bei der Reise um die Welt immer wieder um dieses komplexe Wechselverhältnis, wenn etwa davon gesprochen wird, dass Südamerika den Zweiten Weltkrieg vor allem als Fleischexporteur erlebte, was es den Argentiniern erlaubte, spektakuläre Prachtbauten zu realisieren. Zwar gibt es in „The Airstrip“ längere Ortserkundungen ohne Kommentar, doch scheint Emigholz dieser minimalistischen Verfahrensweise früherer Filme überdrüssig. Stattdessen zeigt er Lust am Erzählen, etwa wenn es ihn auf die Nördlichen Marianen lockt, weil er sich an Filme über den Krieg im Pazifik erinnert, die er einst im Provinzkino sah. Es sind Namen wie Guadalcanal oder Mindanao, die ein fernes Echo zum Klingen bringen: „Ich gestehe, dass ich mein Leben der Existenz der ersten beiden Atombomben verdanke und – als Deutscher – einem japanischen Fanatismus, der zu ihrem Abwurf über Japan führte.“ Und: „Ich kam mir vor wie eine Schildkröte, die an ihren Geburtsort zurückschwimmt, um ihre Eier im Sand zu vergraben – an dem Strand, an dem die vielen Soldaten sterben mussten, denen ich mein Leben und eine Kindheit im Schutz des Gleichgewichts des Schreckens verdankte.“ Dazu kommen „special effects“, etwa wenn Steaks durch den Flughafen von Montevideo zur Musik von Kreidler „tanzen“, und nicht zuletzt auch Humor. In einem schönen Sinne erinnert dieser ungeordnete essayistische Duktus an Chris Markers reiselustigen, neugierigen Klassiker „Sans Soleil“ (fd 24 435). Auf die nächste Werkphase von Heinz Emigholz darf man gespannt sein.
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