Der Bodyguard - Sein letzter Auftrag

Thriller | Frankreich/Belgien 2015 | 98 Minuten

Regie: Alice Winocour

Ein französischer Soldat kehrt mit körperlichen und seelischen Schäden aus Afghanistan zurück. In seiner Wahrnehmung gestört, lässt er sich trotzdem als Bodyguard einer reichen Frau und ihres Sohns anheuern. In ihrer Villa stößt der Beschützer bald auf Anzeichen einer Gefahr, die außer ihm jedoch niemand zu erkennen scheint. Sinistrer Psychothriller, der im Kern ein schlichtes Home-Invasion-Szenario ausbreitet, untergründig aber überaus geschickt Urängste thematisiert. Mit nur wenigen drastischen Gewaltszenen versehen, zeigt er seine intensiv verkörperte Hauptfigur als überraschend gebrochenen Charakter. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MARYLAND | DISORDER
Produktionsland
Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Dharamsala/Darius Films/Mars Films/France 3 Cinéma/Scope Pic.
Regie
Alice Winocour
Buch
Alice Winocour · Jean-Stéphane Bron
Kamera
Georges Lechaptois
Musik
Gesaffelstein
Schnitt
Julien Lacheray
Darsteller
Matthias Schoenaerts (Vincent) · Diane Kruger (Jessie) · Paul Hamy (Denis) · Zaïd Errougui-Demonsant (Ali) · Percy Kemp (Imad Whalid)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Thriller
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Koch (16:9, 1.85:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 1.85:1, dts-HDMA frz./dt.)
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Was genau Vincent (Matthias Schoenaerts) bei seinem Kampfeinsatz in Afghanistan erlebt hat, erfährt man nicht. Es gibt keine Rückblenden im zweiten Langfilm von Alice Winocour, nur eine Gegenwart, in der der junge Soldat wieder in Frankreich ist, aber irgendwie trotzdem noch im Krieg. Der klingelt ihm sozusagen noch in den Ohren.

Diskussion
Was genau Vincent (Matthias Schoenaerts) bei seinem Kampfeinsatz in Afghanistan erlebt hat, erfährt man nicht. Es gibt keine Rückblenden im zweiten Langfilm von Alice Winocour, nur eine Gegenwart, in der der junge Soldat wieder in Frankreich ist, aber irgendwie trotzdem noch im Krieg. Der klingelt ihm sozusagen noch in den Ohren. Bei einem Arztbesuch erfährt man, dass Vincent psychisch und physisch angegriffen ist; die Beeinträchtigung seines Hörvermögens lässt den Arzt einen nochmaligen Einsatz bezweifeln. Die Tonspur des Films vergegenwärtigt immer wieder Vincents akustische Wahrnehmungswelt, in der Geräusche auftauchen, die es womöglich nur in seinem Kopf gibt, und andere Geräusche nur gedämpft ankommen, die bei der Orientierung in der realen Welt helfen und vor Gefahren warnen könnten, was ein konstantes Gefühl der Unsicherheit zur Folge hat. Dass Vincent angesichts dieser Verfassung Probleme mit dem Job als Bodyguard bekommt, für den ihn ein Kumpel anheuert, liegt auf der Hand. Dennoch schließt er sich einem Team an, das bei einer Party eines reichen Libanesen für die Sicherheit der Gäste verantwortlich ist. Der Abend ist für den Soldaten voller Irritationen. Trotzdem lässt er sich für einen weiteren Job anwerben: Er soll die deutsche Ehefrau des Libanesen (Diane Kruger) und deren kleinen Sohn beschützen, während ihr Mann überstürzt zu einer dubiosen Reise aufbricht. Vincent sagt vielleicht auch deshalb zu, weil ihm die blonde Frau während der Party ins Auge gestochen ist. Allerdings merkt er bald, dass der Job keineswegs aus bloßem High-Society-Babysitting besteht. Er spürt die Gefahr, doch aus welcher Richtung die diffuse Bedrohung kommt, vermag er nicht sagen, und außer ihm scheint niemand die Anzeichen ernst zu nehmen. Im Kern entpuppt sich der Thriller als schlichter Home-Invasion-Stoff, der geschickt ein Urangst-Szenario ausspielt: Auf Vincents starken, durch seine Kriegserfahrungen jedoch psychisch geschwächten Schultern liegt die ganze Verantwortung für eine fragile Frau und ihr kleines Kind. Während sich draußen Unheil zusammenbraut, erweist sich die prächtige Villa trotz Videoüberwachung als unzureichender und überdies schwer zu verteidigender Schutzraum. Allerdings setzt Alice Winocour nicht auf eine konventionelle Suspense-Dramaturgie, vielmehr inszeniert sie einen sinistren Psychothriller, bei dem man lange nicht weiß, was eigentlich das Schlimmste ist: das, was Vincent draußen vermutet, oder Vincents Furcht, die ihn in ständige Alarmbereitschaft zu versetzen scheint. Das Paranoia-Szenario, das die Regisseurin eindrucksvoll umsetzt, trifft ins Herz des von Terror-Ängsten überschatteten Zeitgeists. Dazu kommen Spannungen zwischen Vincent und seinen Schützlingen. Der Soldat aus der Banlieue laviert ungeschickt zwischen seiner Position als Angestellter und der Rolle als »Mann im Haus«, was für Reibungen zwischen ihm und der Frau sorgt, weshalb sich nur sehr langsam ein Vertrauensverhältnis herausbilden kann. Während in vergleichbaren Thrillern die Gewalt oft zur Katharsis überhöht wird, bei der sich die Spannungen entladen und beschädigte Helden die Chance erhalten, sich durch den Kampf und das Ausfüllen der klassischen Beschützerrolle als Mann neu zu definieren, hält sich Alice Winocour in dieser Hinsicht bemerkenswert zurück. Ausbrüche physischer Gewalt sind nur sehr sparsam (dann aber drastisch) eingesetzt, und dem Leibwächter wird etwas sehr Unerwartetes als Reaktion darauf abverlangt: Scham und Verstörung. Matthias Schoenaerts füllt das ähnlich intensiv aus wie im Drama »Bullhead« (2011) von Michaël R. Roskam, wo er ebenfalls zwischen Grobschlächtigkeit und Sensibilität changiert.
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