Nicolas Cage auf blutigem Rachefeldzug für eine ermordete Geliebte: Ein exzessiv-stilvoller Horrorfilm mit psychedelischer Aura.
Von allen Farben, die in Panos Cosmatos’ psychedelischem Rachetrip „Mandy“ erstrahlen und dem Betrachter die Pupillen weiten – einen farbenfreudigeren Film kann man sich nicht vorstellen – ist Rot die alles beherrschende. Red ist der Vorname des holzfällenden Waldschrates Miller, dem Nicolas Cage eine bärtige Besessenheit verleiht. Rot ist das Feuer, in dem Millers geliebte Freundin Mandy vor seinen Augen verbrennt. Rot sind die Blutströme, die seinen Pfad der Rache färben. Dabei beginnt dieser Film ganz bodenständig, in den Shadow Mountains des Jahres 1983. Ein süßlicher Begrüßungssong ertönt, rote Lettern zu einer Kamerafahrt über schier unendlichem Mischwald. Irgendwo dort rückt ein Holzfällertrupp einem Baum nach dem anderen motorsägend zu Leibe. Zum Team gehört auch Red Miller. Bald sammelt ein Hubschrauber die Arbeiter ein und bringt sie nach Hause.
Man meint, die Nostalgie nach den analogen Achtzigern zu verspüren, wie sie Serien wie „Stranger Things“ genüsslich zelebrieren. Doch schon der erste Auftritt von Reds Freundin Mandy (Andrea Riseborough) gebietet der Bodenständigkeit nach wenigen Minuten Einhalt. Mandy malt dunkle, bedeutungsschwangere Bilder, liest Fantasybücher, ihr entströmt eine entrückte Magie. In ihrem Holzhaus sind sie und Red ganz für sich, fernab der Zivilisation. Die Welt dringt bloß durchs Radio zu Miller, wenn er Besorgungen macht. Genervt schaltet er das Autoradio aus, als Präsident Reagan – „die amerikanische Bevölkerung verachtet Pornographie und Abtreibung“ – seine konservative Wende preist. Das Unheil naht schließlich in einem Van. Der fahle Sektenguru Jeremiah Sand (Linus Roache) erblickt Mandy im Wald, lässt sie durch ein echsenhaftes Monster entführen. Wie einst Charles Manson war er Musiker, so erfährt man, doch sein Talent blieb unentdeckt. Ein disparater Haufen blutarmer Jünger hat sich ihm angeschlossen. Sand lässt sich Mandy vorführen, umschmeichelt sie: „Du bist etwas Besonderes, ich bin etwas Besonderes.“ Benjamin Loebs virtuose Kamera lässt ihre Gesichter in anamorphem Panavision miteinander verschmelzen. Doch die Versöhnung bleibt aus, Mandy lacht Sand bloß aus, und dafür rächt er sich bitterlich.
Nicolas Cage, der in einer Filmminute so viele Grimassen schneidet wie Robert Mitchum in seiner ganzen Karriere, darf nun endlich den ihm innewohnenden Wahnsinn von der Kettensäge lassen – den introvertierten Zausel nahm man ihm nur widerstrebend ab. Die Rachemission beginnt holprig, Red Miller verunglückt mit seinem Wagen. Doch gestärkt von einer Zauberdroge macht er sich mit einem eigens zurechtgeschmiedeten Schwert daran, das Reich des Bösen zu bezwingen. Keine Wendung dieser Geschichte ist wirklich originell, der Plot trifft in Variationen auf viele Cage-Filme der vergangenen Jahre zu. Doch optisch bleibt es mitreißend, wenn Red und seine Widersacher die Kettensägen wie Samuraischwerter in einem Martial-Arts-Streifen kreuzen. Man ahnt zwar stets, was als nächstes passiert, doch welche akrobatischen Verrenkungen Cages Gesichtsknochen sich dazu einfallen lassen, das mag niemand vorherzusagen.
Dazu kommt der sphärische Soundtrack, eine der letzten Arbeiten des isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson. Er bricht die zaghaften Realitäts-Verortungen auf, deren seltsame Dialektik aus Hippie-Exzessen und Achtziger-Rollback mehrdeutig bleibt. Schade nur, dass Regisseur Panos Cosmatos die fantastische Andrea Riseborough so früh opfert. Doch als Sehnsuchtsbild kehrt Mandy immer wieder.