Serie | Großbritannien 2019 | Minuten

Regie: Ricky Gervais

Zwischen Drama und schwarzer Komödie balancierende britische Serie von und mit dem Comedian Ricky Gervais: Nachdem ein Kleinstadt-Journalist seine Frau verloren hat, die an Brustkrebs gestorben ist, verfällt er in eine tiefe Depression, verliert jede Lust am Leben und ist nah dran, Selbstmord zu begehen. Bevor er den finalen Schritt tut, beschließt er jedoch, seinem Groll gegen die Welt und das Schicksal freien Lauf zu lassen und jedem in seiner Umgebung knallhart ins Gesicht zu sagen, was er denkt. Der Umgang mit anderen Menschen führt nichtsdestotrotz langfristig dazu, dass der Panzer aus Bitterkeit und Depression, in dem er sich verschanzt hat, allmählich Risse bekommt. Eine sehr dunkel getönte Dramedy-Serie, die subtil von der Frage nach dem Sinn des Lebens getrieben ist und vor allem als bissige Abrechnung mit den Widrigkeiten der menschlichen Existenz amüsiert. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
AFTER LIFE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2019
Regie
Ricky Gervais
Buch
Ricky Gervais
Schnitt
Jo Walker
Darsteller
Ricky Gervais (Tony) · David Bradley (Tonys Vater) · Tom Basden (Matt) · Kerry Godliman (Lisa) · Ashley Jensen (Krankenschwester)
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Serie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion

Eine sehr dunkel getönte Dramedy-Serie, die sechs Folgen lang subtil und sophisticated von der simplen, aber schwer zu beantwortenden Frage nach dem Sinn des Lebens getrieben ist.

Der Brite Ricky Gervais ist in seiner Heimat so etwas wie ein Superstar des zynischen, schwarzen, und stets unkorrekten Humors. Bekannt wurde er nicht zuletzt durch die Serie „The Office“, die mittlerweile Kultstatus genießt und mit der Gervais die Blaupause für den uneffizienten Chef „Stromberg“ lieferte. Sitcoms wie „Extras“ und „Derek“ zementierten neben seiner Arbeit als Stand-up-Comedian auf der Bühne seinen Ruhm.

Sein jüngstes Projekt startet nun bei Netflix: „After Life“ ist eine Feier des bad taste joke. Die Serie spielt, wie diverse andere Gervais-Projekte, mit dessen komödiantischer Todesfixierung: Am meisten reizt es den bekennenden Atheisten, sich über die Angst vor dem Sterben lustig zu machen. Das erhebt den 57-Jährigen auch zum würdigen Nachfahren der legendären Comedy-Truppe Monty Python; in Großbritannien und in den USA, wo er als Promis beschimpfender Golden-Globes-Gastgeber gefürchtet ist, gehört er zu den bekanntesten Comedians überhaupt.

Todeswunsch und Schiumpfwort-Kanonaden

Auch „After Life“ ist getränkt von Misanthropie. Tony, von Ricky Gervais mit kleinbürgerlicher Bodenständigkeit verkörpert, kann seit dem Krebstod seiner Frau keine Freude mehr am Leben finden, kein Tag vergeht ohne Suizid-Ankündigung. Jeden Morgen guckt er im Bett die Video-Botschaft, die ihm seine Frau hinterlassen hat, als Einstimmung in einen neuen traurigen Tag: „You are fucking useless“ sagt sie ihm fröhlich ins Gesicht und zählt ihm die To-do-Liste fürs Leben auf: „Fütter den Hund, räum auf, triff andere Menschen.“

Für ihn ist jedoch ein guter Tag, wenn ihn ausnahmsweise mal nicht die Lust überkommt, „fremden Menschen ins Gesicht zu schießen“, so zumindest sagt er es einmal in einer Therapiesitzung, in der er Trauerarbeit leisten soll. Angeheizt durch seinen eigenen Todeswunsch, verflucht er hemmungslos seine Umwelt – man staunt nicht schlecht über die Schimpfwort-Varianz der Briten, begleitet von Sarkasmus, der nichts ausspart. Tonys Motto: Ich habe nichts zu verlieren, also bin ich jetzt mal schonungslos ehrlich.

Zwischen seinen Therapiesitzungen, dem Schwatz mit dem Briefträger, dem Besuch von Friedhof und Seniorenheim, wo sein dementer Vater auf sein Ableben wartet (eine Anspielung auf Gervais’ Pflegeheim-Serie „Derek“), ist nur wenig Spielraum im Leben der fiktiven Kleinstadt Tambury, in der Tony lebt. Die immer gleichen Stationen, die der Protagonist durchläuft, erinnern an Bill Murrays Schicksal in „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Gervais beherrscht die hohe komödiantische Kunst der sich zuspitzenden Wiederholung, die in der Serie ihre adäquate Form gefunden hat.

Der Weg ist das Ziel, und er ist von Bosheit gepflastert

Schwarzgalliges Highlight jeder Folge ist der stets verspätete Arbeitsbeginn in der Redaktion der lokalen Gratiszeitung, wo Tony als stichelnder Chefredakteur über die träge Belegschaft herfällt. Da wird dann über die Verfressenheit der Kollegen gelästert und über deren schlechten Geschmack, beleidigt wird, wo es nur geht. Dass unter dem angriffslustigen Panzer eine empfindsame Seele liegt und die Serie schnell in vorhersehbares Fahrwasser gerät – geschenkt. Für „After Life“ gilt: Der Weg ist das Ziel, und dieser ist von Bosheit gepflastert. Im Stand-up-Comedian-Stil reiht Ricky Gervais, dessen Bühnenshow „Humanity“ ebenfalls auf Netflix abrufbar ist, so auch die ganz normalen Widrigkeiten des Lebens Szene an Szene. Und der kann nun mal nur mit Widerwärtigkeit begegnet werden. Also geht es lustvoll drauflos.  

Dass hier auch schon die Botschaft der keinesfalls nachzuahmenden zwischenmenschlichen Versuchsanordnung steckt, scheint fast zu simpel, macht das Gucken aber zu einem Lichtblick in unserer Zeit, der unter der Floskelhaftigkeit die Ehrlichkeit abhanden kommt. „After Life“ bietet hierfür eine gute Dosis Gegengift und beste Gelegenheit zu kathartischem Lachen, das sich über die ganz gewöhnliche Mittelmäßigkeit des Daseins verbreiten darf – und sogar ein bisschen mit ihr versöhnt.

Kommentar verfassen

Kommentieren