Drama | Türkei 2022 | 131 Minuten

Regie: Emin Alper

Ein junger, ambitionierter Staatsanwalt aus der Stadt wird in die anatolische Provinz versetzt, wo Wassermangel und politische Korruption herrschen. Als ein Roma-Mädchen vergewaltigt wird und der Neuling auf eine Strafverfolgung pocht, vertieft sich der Graben zwischen dem Juristen und der Landbevölkerung. Der geschickt mit einer bedrohlichen Atmosphäre und Elementen des Paranoia-Thrillers und Westerns spielende Film handelt von Themen wie Homophobie und Mob-Mentalität in der konservativen türkischen Provinz. Dabei wird nicht nur der Protagonist aller Gewissheiten beraubt, der Film bleibt auch für die Zuschauer vieldeutig und ohne eindeutige Auflösung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KURAK GÜNLER
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
4 Film/Horsefly Prod.
Regie
Emin Alper
Buch
Emin Alper
Kamera
Christos Karamanis
Musik
Stefan Will
Schnitt
Eytan Ipeker · Özcan Vardar
Darsteller
Selahattin Pasali (Emre) · Ekin Koç (Murat) · Selin Yeninci (Zeynep) · Erol Babaoglu (Sahin Oztürk) · Erdem Senocak (Kemal)
Länge
131 Minuten
Kinostart
28.09.2023
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Thriller
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Ein junger Staatsanwalt kommt in der türkischen Provinz an und gerät zunehmend mit der konservativen Männergesellschaft aneinander.

Diskussion

Als der junge Staatsanwalt Emre (Selahattin Pasali) in die türkische Kleinstadt Yaniklar kommt, wird er Zeuge einer martialischen Jagd. Johlende Männer brettern mit Jeeps durch die staubigen Straßen, schießen mit Gewehren in die Luft und ziehen ein erlegtes Wildschwein hinter sich her, das eine breite Blutspur hinterlässt. Der Einstieg in „Burning Days“ von Emin Alper beginnt mit dem zentralen Konflikt zwischen dem etwas peniblen Städter Emre und der rustikalen, traditionsverbundenen Landbevölkerung. Als Sahin (Erol Babaoglu), der Sohn des Bürgermeisters, den Staatsanwalt willkommen heißen will, weist der Jurist ihn mit versteinerter Miene wegen der gefährlichen Jagd zurecht. Weitere Situationen, in denen der Film die angespannte Atmosphäre zwischen den Figuren ausreizt, folgen.

Die Anfangsszene mit dem Wildschwein ist nicht nur Zankapfel verschiedener Mentalitäten und Weltanschauungen, sondern auch Symbol einer unterschwelligen Bedrohung. Was wäre, wenn sich der Zorn der im Blutrausch wütenden Machos plötzlich nicht mehr bloß auf ein Tier richtet? Durch den regionalen Wassermangel und einen anstehenden Wahlkampf, in den sich Emre unfreiwillig einmischt, macht sich der Außenseiter schnell unbeliebt. Nach einer durchzechten Nacht mit Sahin eskaliert das angespannte Verhältnis vollends. Als ein Roma-Mädchen, das an dem Abend anwesend war, vergewaltigt und verprügelt aufgefunden wird, fällt Emres Verdacht sofort auf Sahin.

Bedrohlich röhrende Streicher

„Burning Days“ präsentiert sich neben einigen Western-Anleihen zunehmend im Gewand eines Paranoia-Thrillers, der seinem Protagonisten keine Gewissheiten gönnt. Kaum ist Emre in einem verlassenen See einige Runden geschwommen, weiß es kurz darauf die ganze Stadt. Mit bedrohlich röhrenden Streichern und Kamerafahrten aus der Luft, die die Verlassenheit des Ortes betonen, unterstreicht Alper die unbehagliche Stimmung.

Der Film weiß mit der nebulösen Gefahr souverän zu spielen. Auch für die Zuschauer bleibt oft undurchsichtig, was Zufall und was Komplott ist. Stets bekommt Emre Ratschläge, von denen nicht klar ist, ob sie freundschaftlich oder als Drohung gemeint sind. In diesem Verwirrspiel kommt dem homosexuellen Journalisten Murat (Ekin Koç) gewissermaßen die Rolle der Femme fatale zu. Die Beziehung zwischen den Männern ist von Andeutungen und Unausgesprochenem geprägt. Die erotische Spannung bleibt subtil, die Frage, ob Murat nun Verbündeter oder Feind ist, unbeantwortet.

Wie ein Puzzle versucht Emre seine fragmentarischen Erinnerungen an die Tatnacht zusammenzufügen. Stets ändert sich dabei das Gesamtbild, ohne je wirklich an Kontur zu gewinnen. Emin Alper schafft ein mitreißendes Szenario, weiß aber nicht so recht, wo es hinführen soll. Statt auf eine Auflösung hinzuarbeiten, richtet sich die Inszenierung etwas zu bequem in einem Graubereich ein, in dem alles offen und vieldeutig bleibt. Schon bei den ungewöhnlich langen Gesprächsszenen hätte man sich mehr Zuspitzung gewünscht. Alper beweist ein gutes Gespür für unangenehme Reibungen im zwischenmenschlichen Miteinander, vergisst aber manchmal, einen Punkt zu machen.

Die Fronten sind verhärtet

Gegen Ende lässt die Inszenierung überdies im Unklaren, worauf „Burning Days“ hinauswill. Er jongliert mit Themen wie Männlichkeit und Homophobie, politischer Korruption und explosiver Mob-Mentalität. Ob der Film aber nun erzählen möchte, wie ein Außenseiter von einer Gemeinschaft zermürbt wird oder wie sich die Fronten zwischen konservativer Provinz und überheblichen Städtern verhärten, bleibt offen. Letzteres könnte man wegen des symbolträchtigen Schlussbildes eher denken.

Es war lange das Erfolgsrezept der Filme von Emin Alper, alles in der Schwebe zu lassen und die Wahrheit vorzuenthalten. Neu an „Burning Days“ ist, dass Alper nicht daran gelegen scheint, diesen Zustand zu überwinden.

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