Ein ganzer Kerl (Serie)

Drama | USA 2024 | 266 (6 Folgen) Minuten

Regie: Regina King

Als ein einflussreicher Unternehmer bankrottzugehen droht, sehen nicht wenige im Umfeld des egozentrischen Machtmenschen ihre Chance auf Rache gekommen. Rund um ihn und diverse weitere Figuren, deren Schicksal mehr oder weniger eng mit seinem verwoben ist, beginnt ein Kampf ums Überleben und darum, was einen „ganzen Kerl“ ausmacht und was ihn ins Grab bringt. Die Verfilmung eines Romans von Tom Wolfe überzeugt mit hervorragenden Darstellern, schafft es bei der Aktualisierung der Vorlage rund um patriarchales Machtgebaren aber nicht, dem Stoff neue Facetten abzugewinnen und sich zum wirklich bissigen Gesellschaftsporträt zu runden. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A MAN IN FULL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
David E. Kelley Prod./Royal Ties Prod.
Regie
Regina King · Thomas Schlamme
Buch
David E. Kelley
Kamera
Tobie Marier-Robitaille · Craig Wrobleski
Musik
Craig Deleon
Schnitt
Naomi Sunrise Filoramo · Ben Lester
Darsteller
Jeff Daniels (Charlie Croker) · Diane Lane (Martha Croker) · William Jackson Harper (Wes Jordan) · Aml Ameen (Roger White) · Tom Pelphrey (Raymond Peepgrass)
Länge
266 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Serie
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Eine Serienverfilmung von Tom Wolfes gleichnamigem Roman aus den 1990er-Jahren rund um männliche Machtkämpfe und den drohenden Crash übergroßer Egos.

Diskussion

Charlie Croker (Jeff Daniels) ist eine höchst unsympathische Person. Aus dem ehemaligen Footballstar der Universität ist einer der wohlhabendsten Männer Atlantas geworden; mit harten Geschäftspraktiken hat er es im Immobiliengeschäft ganz nach oben geschafft. Weil dieser Gipfel irgendwann nicht mehr hoch genug schien, musste schließlich ein eigenes Hochhaus her – Eitelkeit siegt über ökonomische Vernunft. Jetzt, kurz nach seinem 60. Geburtstag, kann er die millionenschweren Kredite dafür nicht mehr bedienen. Waren die windigen Deals bislang immer aufgegangen, bleibt die Bank dieses Mal eisern: Der Immobilien-Tycoon ist angeschlagen und nicht mehr „too big to fail“. Die anderen Raubtiere nehmen Witterung auf. Der süße Duft von Geld und Macht liegt in der Luft.

Der Clinch übergroßer männlicher Egos

Croker hat eben auf zu großem Fuß gelebt. Und dabei zu oft die Menschen in seinem geschäftlichen wie privaten Umfeld mit seiner mitunter ruchlosen Art vor den Kopf gestoßen. Der Groll des großspurigen Bankers Harry Zale (Bill Camp) entspringt dabei hauptsächlich dem Geiste männlichen Konkurrenzgebarens. Das Wohl der Bank spielt demgegenüber eine weit geringere Rolle. Es ist der Nervenkitzel, ein anderes Alphatier zu erlegen, der ihn antreibt. Im Windschatten seines Vorgesetzten lebt auch Crokers ehemaliger Bankberater Raymond Peepgrass (Tom Pelphrey) seinen Hass auf den eigentlich bewunderten Macher aus und steigert sich zunehmend in einen gefährlichen Wahn hinein: Endlich möchte auch er zu den Gewinnern gehören.  

Es sind auch jene Szenen, in denen im Duell der Alphatiere das Testosteron nur so durch den edlen Konferenzraum spritzt und Croker und Zale sich bis aufs Blut beharken, die zu den großen Momenten dieser Serienverfilmung nach einem Roman von Tom Wolfe gehören. Jeder Satz wird zu einem Projektil, das Löcher in die Verteidigungslinie des Gegners reißen und das Ego erschüttern soll. Jeff Daniels und Bill Camp liefern sich ein grandioses Schauspielerduell. Vorgetragen mit feiner satirischer Überspitzung, türmen sich die Egos dieser alten weißen Männer bis in lächerliche Höhen auf, nur um dann wieder in bräsiger Selbstgenügsamkeit zusammenzufallen.

Kontrastfigur: ein Afroamerikaner, der im Knast landet

Im zweiten Erzählstrang soll diese Welt der weißen mächtigen Männer mit der harten Realität der Straße kontrastiert werden. Conrad Hensley (Jon Michael Hill), der Mann von Crokers Sekretärin Jill (Chanté Adams), schlägt im Affekt einen weißen Polizisten nieder. Dieser ist ihm gegenüber zuerst handgreiflich geworden, was die Staatsanwaltschaft wenig interessiert. Croker will sich der Sache annehmen und schickt seinen Firmenanwalt Roger White (Aml Ameen) als Verteidiger. Der frustrierte (ebenfalls weiße) Richter aber möchte ein Exempel an dem jungen Schwarzen statuieren, und schließlich muss Conrad bis zum Prozesstermin in einer Zelle in Fulton einsitzen, einem berüchtigten Gefängnis für gefährliche Gewalttäter.

Es sind also mindestens zwei Männer, die in völlig unterschiedlichen Welten um ihr gesellschaftliches Überleben kämpfen. Der reiche Weiße, der von Serienmacher David E. Kelley deutlich an Donald Trump angelehnt wird, kann sich auf ein breites Netzwerk und seinen Einfluss verlassen: Trotz aller Bedrohung fällt er in ein relativ luxuriöses Sicherheitsnetz. Conrad hingegen muss im Knast um sein Leben fürchten.

Wer von den Jungs hat den Größeren?

Rassismus, Macht und männliche Überheblichkeit: Phallischer Trotz ist das zentrale Thema von „Ein ganzer Kerl“. Über Bande gespielt geht es immer ums Gemächt: Wer von den Jungs hat nun eigentlich den Größeren? Croker weiß, dass er aus der Zeit gefallen ist. Männer wie er, so offenbart er sich in einem Moment von zurückhaltender Reflexion ausgerechnet seinem Chauffeur, hätten in dieser Welt keinen Platz mehr. Doch nicht nur dem mächtigen Unternehmer geht es um den Erhalt seiner Potenz, die er symbolträchtig mit Glas und Beton in die Skyline von Atlanta zementiert hat.

Alle Männerfiguren arbeiten sich auf unterschiedliche Weise daran ab, was es heißt, ein Mann zu sein. Wenig überraschend verheddern sich die besonders maskulinen Exemplare in ihrer eigenen Eitelkeit. Besonders viel Neues ringt Kelley dieser Tom-Wolfe-Adaption indes nicht ab. Zwar werden der 1998 erschienene Roman „A Man in Full“ auf die Gegenwart übertragen und die Konflikte aktualisiert. Wie indessen die Welten von Croker und von Conrad zusammenhängen, bleibt weitestgehend unklar.

Im Spiel von Jeff Daniels, wie er diesen ins Taumeln geratenen harten Burschen anlegt, steckt tatsächlich viel Trump. Das Leben muss mit Nachdruck gelebt werden, damit die Menschen sich an einen erinnern. Gut möglich, dass diesem Motto auch der Ex-Präsident der USA folgt. Doch fügt diese Erzählung den Bildern über patriarchale Macht nichts hinzu, was wir nicht auch schon in der Erfolgsserie „Succession“ gehen hätten. Und auch die Gefängnisszenen um Conrad entspringen generischer Dramaturgie. Das hat Steven Zaillian in „The Night of“ wesentlich eindringlicher erzählt.

Letztlich scheut sich die Serie, ihre Charaktere zu zerstören, findet sogar für Croker einen Moment der Rehabilitierung, mit dem es sich Kelley viel zu leicht macht. „Ein ganzer Kerl“ ist somit das Paradebeispiel einer allzu versöhnlich-glatten Mainstream-Produktion, die auch visuell ziemlich konventionell daherkommt: Streng entlang der Figuren erzählt, wirken die Bilder ein bisschen, als hätten sie die Lust an diesem Thema verloren. Doch die Schauspieler:innen brillieren und trösten über die ermüdende Formlosigkeit hinweg

 

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