Tragikomödie | Deutschland 2010 | 87 Minuten

Regie: Sebastian Stern

Ein Mann mittleren Alters, der nach wie vor in seinem bayerischen Heimatort lebt, gibt sich nach außen selbstbewusst, hadert hinter seiner erfolgreichen Fassade aber mit beruflichen wie privaten Misserfolgen. In einer Bekannten findet er eine Leidensgenossin. Die Tragikomödie besticht durch eine genaue Figurenzeichnung sowie durch dezenten Humor. Ein Spielfilmdebüt, das mit lakonischem Augenzwinkern die Absurditäten einer bayerischen Kleinstadt einfängt, ohne seine Empathie für die Protagonisten einzubüßen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Loopfilm/Made in Munich Filmprod./BR
Regie
Sebastian Stern
Buch
Sebastian Stern · Peter Berecz
Kamera
Sven Zellner
Musik
Markus Lehmann-Horn
Schnitt
Wolfgang Weigl
Darsteller
Jürgen Tonkel (Pit) · Inka Friedrich (Christiane) · Michael Kranz (Flo) · Steffi Reinsperger (Moni) · Gerhard Wittmann (Herrmann)
Länge
87 Minuten
Kinostart
26.08.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Tragikomödie
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Diskussion
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Hummel eigentlich gar nicht fliegen können dürfte. Ihr Körper ist zu plump und die Flügel sind zu kurz. Die Hummel weiß allerdings nichts davon – und deshalb fliegt sie. Pit fühlt sich eher wie ein Überschallflugzeug. Wenigstens erweckt der gewandte Handelsvertreter diesen Eindruck zu Beginn von „Die Hummel“, dem Diplomfilm des HFF München-Absolventen Sebastian Stern. Der wurde 1979 im niederbayerischen Deggendorf geboren. Jedes Jahr veranstaltet er im benachbarten Viechtach, wo Stern Abitur machte, ein Kurzfilmfestival. Er ist seiner Heimat, dem Bayerischen Wald, verbunden geblieben; es kann also kaum verwundern, dass auch sein Abschlussfilm in Deggendorf spielt. Ein Heimatfilm im klassischen Sinne, der ausführlich in der Donaulandschaft und in großen Leidenschaften schwelgen würde, ist „Die Hummel“ aber nicht. Es geht, im Gegenteil, vielmehr um durchschnittliche Menschen mittleren Alters vor der Kulisse einer pittoresk gelegenen Kleinstadt, deren Schlüsselsätze etwa lauten: „Ich weiß gerade nicht, wohin mit mir.“ Den zeitlichen Rahmen stiftet das Volksfest in Deggendorf, das im Verlauf dieser lakonischen Tragikomödie aufgebaut wird und mit dem obligatorischen Feuerwerk endet. Der Kosmetikvertreter Pit nutzt die sentimentalen Erinnerungen, die an den sommerlichen Jahrmarkt geknüpft sind, um vorzugsweise seinen Ex-Freundinnen und sonstigen unglücklichen Bekanntschaften aus der Vergangenheit zweifelhafte naturkosmetische Produkte anzudrehen. Das ist, so umschreibt er es einem Kollegen, sein „warmer Markt“. Tatsächlich steht Pit kurz vor dem Bankrott; und um seine sozialen Beziehungen, insbesondere um das Verhältnis zu seinem erwachsenen Sohn Flo, ist es keinesfalls besser bestellt. Jürgen Tonkel spielt diesen Pit Handlos. Es ist die erste Kinohauptrolle für Tonkel. Am Theater hat er einschlägige Erfahrungen im komisch-lakonischen Fach gesammelt, etwa in der denkwürdigen Rolle eines Auftragskillers in „I Hired a Contract Killer“ am Metropol-Theater in München. Tonkel wechselt elegant zwischen den beiden Gesichtern seiner Figur: Kaum ist Pit allein, im Auto vor allem, wo er Opern hört, fällt das verkaufsfördernde, selbstbewusste Strahlen in sich zusammen. Risse in seiner glatten Fassade zeigen sich aber erst, als eine Frau auf den Plan tritt: Christiane, ebenfalls eine Bekanntschaft aus der Vergangenheit. Sie steckt wie Pit in einer Lebenskrise. Die Seelenverwandtschaft verhindert, dass er sie ähnlich emotionslos über den Tisch ziehen kann wie seine übrigen Kundinnen. Inka Friedrich spielt diese Frau. Zusammen ergeben die beiden ein hinreichend verzweifeltes, vor dem Abgrund der zweiten Lebenshälfte hilflos vereintes Paar. Die Figurenzeichnung von Stern, der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist liebevoll. Er macht sich über seine Figuren nicht lustig. Seine Alltagsbeobachtungen sind genau; Stern versucht, Abziehbilder zu meiden. Gelacht wird hier meist auf Augenhöhe und allenfalls augenzwinkernd über die Figuren: wenn etwa der Hund von Flos Freundin Moni, die einen Versand für Gothic-Artikel betreibt, in einem kleinen Hundesarg schläft. In der bayerisch-stoischen Erzählung, die so tief in den Absurditäten des Alltags wurzelt, klingt auch der Humor von Marcus H. Rosenmüllers „Wer früher stirbt ist länger tot“ (fd 37 745) an. Das Kind aus dessen Debütfilm ist hier erwachsen geworden und in der Heimat hängen geblieben.
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