- | Japan 2011 | 92 Minuten

Regie: Goro Miyazaki

Ein Jahr vor der Ausrichtung der Olympischen Spiele in Tokio 1964 verlieben sich die Teenager Umi und Shun ineinander, entdecken dann aber, dass sie möglicherweise miteinander verwandt sind. Das Anime von Goro Miyazaki nach einem Manga für Mädchen entwirft unaufgeregt und wirklichkeitsnah eine atmosphärisch-nostalgische Liebes- und Alltagsgeschichte. Zwar gewinnt die Liebesbeziehung kaum an Tiefe, doch verleiht der umsichtig rekonstruierte historische Hintergrund der Handlung eine größere Relevanz. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
KOKURIKO-ZAKA KARA
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Studio Ghibli/Nippon Televi/Dentsu/Hakuhôdô DYMP/Disney/Mitsubishi/Tôhô
Regie
Goro Miyazaki
Buch
Hayao Miyazaki · Keiko Niwa
Kamera
Atsushi Okui
Musik
Satoshi Takebe
Schnitt
Takeshi Seyama
Länge
92 Minuten
Kinostart
21.11.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe (DVD) enthält keine erwähnenswerten Extras. Die umfangreichere BD enthält den Film als animierte Storyboards (91 Min.), ein Interview mit Regisseur Goro Miyazaki (18 Min.), eine Pressekonferenz zum Film (39 Min.) sowie das Feature "Yokohama gestern und heute" (23 Min.). Die BD ist mit dem Silberling 2014 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.85:1, DD5.0 jap./dt.)
Verleih Blu-ray
Universum (16:9, 1.85:1, dts-HDMA5.0 jap./dt.)
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Es müssen nicht immer Maschinenmenschen und Mechas, fantastische Wesen oder mystische Gottheiten sein. Obwohl diese Figuren weithin das Bild japanischer Zeichentrickfilme prägen, beschränken sich Animes bei weitem nicht auf die Genres des fantastischen Films. Manchmal richten sie den Blick nicht in die Ferne, sondern beobachten nur den Alltag, erzählen von Gefühlen und kleinen Erlebnissen. Dann wollen sie ein Stück vom Leben zeigen, unaufgeregt und wirklichkeitsnah. - Kritik von Stefan Stiletto, FILMDIENST 24/2013.

Diskussion
Es müssen nicht immer Maschinenmenschen und Mechas, fantastische Wesen oder mystische Gottheiten sein. Obwohl diese Figuren weithin das Bild japanischer Zeichentrickfilme prägen, beschränken sich Animes bei weitem nicht auf die Genres des fantastischen Films. Manchmal richten sie den Blick nicht in die Ferne, sondern beobachten nur den Alltag, erzählen von Gefühlen und kleinen Erlebnissen. Dann wollen sie ein Stück vom Leben zeigen, unaufgeregt und wirklichkeitsnah. In dieser Tradition steht „Der Mohnblumenberg“ von Goro Miyazaki. Seine nach „Die Chroniken von Erdsee“ (fd 38 415) zweite Regiearbeit ist den Ghibli-Filmen „Tränen der Erinnerung – Only Yesterday “ (fd 37 739), „Flüstern des Meeres – Ocean Waves“ oder „Stimme des Herzens“ (1995) näher als den fantastischen Abenteuer- und Fantasy-Filmen von Goros Vater Hayao Miyazaki, die für das Studio stilbildend waren. Die Adaption des Shojo-Mangas von Tetsuro Sayama und Chizuru Takahashi, einem Comic, der sich speziell an jugendliche Mädchen richtet, führt zurück ins Jahr 1963. In einem alten Herrenhaus, das sich auf einem Hügel hoch über der Bucht von Yokohama befindet, lebt die 17-jährige Umi mit ihrer Großmutter, ihren Geschwistern und ein paar Untermieterinnen. Jeden Morgen hisst sie vor dem Haus zwei Flaggen. Es ist ein Gruß an die vorbeifahrenden Schiffe – und eine stille Geste der Erinnerung an ihren Vater, einen Seemann, der im Koreakrieg verschollen ist. Just durch dieses Ritual zieht sie auch die Aufmerksamkeit von Shun auf sich, der sich zusammen mit anderen Schülern für den Erhalt eines Clubhauses in einem alten Gebäude einsetzt, und in den sich Umi schon bald verliebt. Doch ausgerechnet die süßliche Romanze, die im Mittelpunkt des Films steht, nimmt kaum für sich ein. So träumerisch auch manche Blicke zwischen Shun und Umi sein mögen, so wenig entfaltet der Film eine zu Herzen gehende Love Story zwischen den beiden. Im Gegenteil: Als sie erfahren, dass sie einander vielleicht verwandtschaftlich näher stehen, fügen sie sich schlicht ihrem Schicksal. Sie leiden nicht, sondern driften eher dahin. So kommt die Handlung nicht in Schwung und plätschert weitgehend vor sich hin. Viel interessanter ist hingegen, was im Hintergrund passiert. Denn die Handlung spielt ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Tokio 1964 und damit in einer Zeit des Aufbruchs und des Wandels, in der sich der Blick allmählich von der Vergangenheit in die Zukunft richtet und darum gestritten wird, wie diese aussehen soll. In Schülerversammlungen protestiert man und lehnt sich gegen „die Alten“ auf, deren Weisungen man nicht länger folgen will, während sich das idyllische ländliche Leben allmählich verändert. In der Darstellung dieses Zeitkolorits liegt – wenngleich unter nostalgisch anmutenden gelb-orangen Farbtönen – die Stärke des Films. Goro Miyazaki, der ursprünglich nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte und zunächst als Landschaftsarchitekt arbeitete, zeigt hier ein gutes Gespür dafür, wie durch die Gestaltung des Kontexts ein atmosphärischer Rahmen für eine Geschichte entstehen und dieser Tiefe verleihen kann. Erstaunlich konservativ gerät dabei allerdings die Darstellung der Jugend in der japanischen Nachkriegsgesellschaft. Denn nicht die Jugendlichen repräsentieren den Fortschritt und die Aufgeschlossenheit für Neues, sondern die Erwachsenen. Die Jugend übernimmt vielmehr die mahnende, bewahrende Rolle, die sich für den Erhalt der Traditionen einsetzt und sich gegen die Modernisierung stemmt. Auch die Geschlechterrollen verharren derweil in alten Schemata, so dass den jungen Frauen unter Umis Leitung bei der Instandsetzung des alten Clubhauses beispielsweise nur die Funktion des Putztrupps zukommt, während die Jungen durch Selbstinszenierungen auf sich aufmerksam machen. Wie „Der Mohnblumenberg“ vom Wandel erzählt, so sucht auch das Studio Ghibli mit seinen aktuellen Produktionen nach einer neuen Identität und bereitet sich mit Animes jüngerer Regisseure auf die Zeit des (wieder einmal) angekündigten Ruhestands von Hayao Miyazaki vor. Es wird spannend, wie differenziert die künftigen Geschichten dann von der Vermittlung zwischen Tradition und Fortschritt, Vergangenheit und Zukunft erzählen werden.
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