Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 93 Minuten

Regie: Sandra Kaudelka

Leistungssportler aus der DDR, die bei internationalen Wettkämpfen Erfolge feierten, sollten die Überlegenheit des Sozialismus unter Beweis stellen. Dass der Medaillenregen vielfach nur mit Drill und systematischem Doping zustande kam, ist inzwischen weithin bekannt. Vier ehemaligen Vorzeige-Athleten äußern sich zu ihrer Vergangenheit in der DDR, doch nur die Ex-Sprinterin Ines Geipel lässt eine differenzierte Sicht der Dinge erkennen. Angereichert mit vielen Archivsequenzen wirkt der Dokumentarfilm allzu oft nur wie ein überlanger Nostalgie-Trip. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Lichtblick Media/Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFF)/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
Regie
Sandra Kaudelka
Buch
Sandra Kaudelka
Kamera
Jenny Lou Ziegel · Hendrik Reichel
Musik
Cassis Birgit Staudt
Schnitt
Vessela Martschewski · Sandra Kaudelka
Länge
93 Minuten
Kinostart
10.10.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Udo Beyer sitzt hinter dem Schreibtisch seines Reisebüros in Potsdam und sagt, er sei mit sich absolut im Reinen. Auf einen Stapel Urlaubskataloge liegt eine rostige, eiserne Kugel. Ein Erinnerungsstück an jene Zeiten, in denen Beyer als Kugelstoßer zahlreiche internationale Titel sammelte. Beyer war einer der Vorzeige-Stars der DDR, die mit sportlichen Erfolgen die Überlegenheit des Sozialismus unter Beweis stellen sollten. Dass die Medaillenflut vielfach durch Drill und systematisches Doping zustande kamen, ist heute hinlänglich untersucht. Auch damit hat Udo Beyer kein Problem. Aus einem müden Ackergaul könne man auch mit Doping kein Rennpferd machen, sagt er lapidar. Bis in dieser Dokumentation von Sandra Kudelka aber das Wort „Doping“ zum ersten Mal fällt, dauert es 67 Minuten. Dass es der Autorin, die bis zur Wende selbst im Leistungskader der Wasserspringer war, nicht darum geht, ehemalige DDR-Sportler ein weiteres Mal an den Pranger zu stellen, mag man akzeptieren. Allerdings fragt man sich mit zunehmender Dauer des Films, worum es ihr eigentlich geht. Neben Beyer porträtiert sie die ehemaligen Sprinterinnen Marita Koch und Ines Geipel sowie die Wasserspringerin Brita Balduss. In Einzelgesprächen berichten die Athleten von ihren Erfolgen und erzählen, wie es ihnen seitdem ergangen ist. Wobei mehr als die Hälfte des Films aus Archivmaterial besteht, das die Sportler bei ihren erfolgreichen Auftritten während Olympiaden und Weltmeisterschaften oder beim Training zeigt. Hinzu kommen Sequenzen aus Home Stories, die vermutlich für das DDR-Fernsehen produziert wurden. Beyer mit Frau und Tochter auf dem heimischen Sofa, Marita Koch mit ihrem neuen Trabi oder in ihrer Zweiraumwohnung beim Staubwischen. Auch eine Szene, in der eine Stewardess vor dem Abflug zu einem internationalen Wettkampf einer Reporterin die exklusive Bord-Verpflegung (Kartoffelpürree) verrät, fehlt nicht. Solches Archivmaterial hat mitunter den Vorzug unfreiwilliger Komik, aber auch viel von einem Nostalgie-, bzw. Ostalgie-Trip. Zumal die aktuellen Auslassen der Protagonisten dazu kaum einen Kontrast bilden. Beyer erinnert sich, dass bei Schulungen überall Südfrüchte herumlagen und er mit dem System („Mir ging’s doch gut“) nie ein Problem hatte. Zu seiner Spitzeltätigkeit („IM Kapitän“) befragt ihn die Autorin netterweise erst gar nicht. Und Marita Koch lächelt bei der Erinnerung an eine Rede vor dem SED-Parteitag seltsam vor sich hin. Einzig Ines Geipel, die kurz vor der Wende über Ungarn nach Deutschland floh, sich danach als Aufklärerin in Sachen Doping engagierte und heute Professorin an der Schauspielschule Ernst Busch ist, äußert sich ebenso selbstkritisch wie differenziert zum Sportsystem der DDR. Hätte die Autorin sich auf Geipel konzentriert, wäre womöglich ein spannender Dokumentarfilm herausgekommen. So aber ist das Ganze über weite Strecken ein letztlich belangloser und viel zu langer Nostalgie-Trip.
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