Private Revolutions - Jung, Weiblich, Ägyptisch

Dokumentarfilm | Österreich 2015 | 103 (auch 52) Minuten

Regie: Alexandra Schneider

Über einen Zweitraum von zwei Jahren begleitet der Dokumentarfilm vier junge Ägypterinnen zwischen dem Sturz Mubaraks und den Präsidentschaftswahlen im Juni 2012 bei ihren Versuchen, politisch Einfluss zu nehmen. Die Frauen gehören zwar unterschiedlichen Lagern an, was sie aber über alle Differenzen hinweg eint, ist ihr Glaube an gesellschaftliche Veränderungen. Das spannende Porträt weiblicher Lebenswelten in Ägypten beginnt als Geschichte über Alltagsheldinnen, wandelt sich mit dem Wahlsieg Mursis aber zum Dokument einer Entwicklung, in der die vier Protagonistinnen zunehmend an die Grenzen patriarchaler Herrschaft stoßen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PRIVATE REVOLUTIONS - JUNG, WEIBLICH, ÄGYPTISCH
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Daniela Praher Filmprod.
Regie
Alexandra Schneider
Buch
Alexandra Schneider
Kamera
Sandra Merseburger · Alexandra Schneider
Musik
Julian Hruza · Fayrouz Karawaya
Schnitt
Alexandra Löwy
Länge
103 (auch 52) Minuten
Kinostart
10.09.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Dokumentarfilm: Vier Ägypterinnen glauben an Veränderung

Diskussion
Mit dem Ansatz eines Lächelns, das zwischen Stolz und Traurigkeit schwankt, zeigt Sharbat Abdullah der Filmemacherin ihre Sammlung an Tränengasgranaten: Souvenirs vom Tahrir-Platz. Inzwischen gehört sie zu den aktivsten Teilnehmerinnen der Proteste und nimmt dafür auch die Verachtung der Nachbarschaft in Kauf. Zu ihrer Tahrir-Grundausrüstung, die sie in ihrer Handtasche stets mitführt, zählen eine Maske, Vaseline fürs Gesicht, eine Schwimmbrille und eine Schere, um sich gegen Vergewaltiger zur Wehr zu setzen. Sharbat, die ihre Söhne mit zu den Demonstrationen nimmt, kämpft aber auch an privaten Fronten: Während der Dreharbeiten stellt sie einen Scheidungsantrag. Für ihr Langfilmdebüt hat die Wiener Regisseurin Alexandra Schneider zwei Jahre lang vier junge Ägypterinnen mit der Kamera begleitet. Was die Frauen in „Private Revolutions“ trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe, politischen Überzeugungen und Geschlechterrollen verbindet, ist der Glaube an gesellschaftliche Veränderungen. Es ist die Zeit nach dem Sturz Mubaraks und vor den Präsidentschaftswahlen im Juni 2012. Während Sharbat hitzig für den Boykott der Wahlen wirbt, ist Fatema Abouzeid für die Muslimbrüder und ihren Kandidaten Mursi im Einsatz. Auch wenn sie den gesellschaftlichen Turbulenzen mit einem immer milden Lächeln begegnet, verfolgt sie neben ihrer traditionellen Rolle als Mutter und Ehefrau zielstrebig und gut organisiert ihre Karriere: Neben der Wahlkampfarbeit hat sie erfolgreich ihr Politikstudium abgeschlossen. Fatema Abouzeid bekommt die Kamera dabei nie richtig zu fassen, ihre Antworten klingen formelhaft und ihre Freundlichkeit wirkt wie eine Wand. Bei den Szenen mit Amani Eltunsi, die einen Internetradiosender für Frauen betreibt und einen eigenen Verlag gegründet hat, ist dagegen von Beginn an ein Vertrauensverhältnis spürbar. Wie May Gah Allah, die sich für den Aufbau eines Entwicklungsprojekts in ihrer Heimatregion Nubien engagiert, ist Amani unverheiratet. In einer Buchhandlung präsentiert sie eine Publikation mit dem Titel „Familienstand ledig“. Auch ein paar Männer sind gekommen; Amani kontert ihre patriarchalen Kommentare mit lässigem Witz. Was als etwas beifälliges Alltagsheldinnenporträt in einer Atmosphäre des Aufbruchs beginnt – der etwas populistische Untertitel „jung, weiblich, ägyptisch“ signalisiert die Agenda, vielfältige Frauenbilder zu zeichnen – bekommt jedoch Risse. Mit dem Wahlsieg der Muslimbrüder verschwindet Fatema plötzlich von der Bildfläche des Films, sie kehrt nie wieder zurück. Amani steht bald traumatisiert in ihrem ausgebrannten Verlagsbüro und sieht sich gezwungen, vorübergehend nach Dubai zu emigrieren. Und Sharbats ältester Sohn erzählt von Verhaftung und Folter durch die Polizei. Schneider, deren Rhetorik und Habitus mitunter ein wenig sozialpädagogisch eingefärbt ist und die sich mit konfrontativen Fragen zurückhält, bringt sich im Film als von außen schauende empathische Person immer wieder explizit mit ein. Während sich knappe Off-Kommentare und ihre aus dem Off hörbaren Fragen wie eine Spur durch den Film ziehen, wirken die wenigen Szenen, in denen Schneider im Bild zu sehen ist, hingegen wie die etwas überflüssige Beweisführung ihrer ohnehin offensichtlichen Autorschaft.
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