Behzat Ç. Ankara Yaniyor

Krimi | Türkei 2013 | 106 Minuten

Regie: Serdar Akar

Nach einem Mordanschlag auf den türkischen Innenminister kehrt ein desillusionierter Kommissar wieder in seinen Job zurück. Bei seinen Ermittlungen stößt er auf ein Netz aus Intriganten und skrupellosen Polizisten, die das Land offensichtlich an den Rand eines Bürgerkrieges drängen wollen. Ein hochaktueller politischer Thriller, der die populäre Fernsehfigur eines unangepassten Kommissars nutzt, um auf die Gefährdung des Landes durch die selbstherrliche Regierung von Recep Erdogan hinzuweisen. Dramaturgische wie handwerkliche Unzulänglichkeiten fallen darüber nicht weiter ins Gewicht. (Erster Film: "Behzat Ç., 2011") - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BEHZAT Ç. ANKARA YANIYOR
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Adam Film
Regie
Serdar Akar
Buch
Ercan Mehmet Erdem
Kamera
Selahattin Sancakli
Musik
Pilli Bebek · Çem Kismet
Schnitt
Aziz İmamoğlu
Darsteller
Erdal Besikçioglu (Behzat Ç.) · Sanem Çelik · Asli Tandogan · Sadi Celil Cengiz · Nejat Isler (Ercuent Cozer)
Länge
106 Minuten
Kinostart
14.11.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Krimi
Externe Links
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Diskussion
Mit der Schließung des historischen Emek-Kinos in Istanbul und den Auseinandersetzungen um den Gezi-Park im Sommer 2013 haben die Proteste in der Türkei auch die dortige Filmszene erreicht. An den Demonstrationen, die sich schnell zum grundsätzlichen Protest gegen die selbstherrliche Regierung Recep Erdoğans mauserten, waren viele Filmschaffende beteiligt. Mit „Behzat Ç. Ankara Yanıyor“ findet die Haltung der außerparlamentarischen Opposition in der Türkei nun auch den Weg ins kommerzielle Kino. Der Film ist die zweite Kinoadaption einer populären Fernsehkrimiserie um einen unangepassten Leiter des Morddezernats in Ankara, der sich als vom Leben gezeichneter, leicht misanthropischer Draufgänger mit Sinn für sarkastische Ironie und derbe Flüche präsentiert. Der Mann, der kaum je ohne Bierflasche oder Schnapsglas zu sehen ist, löst seine Fälle oftmals jenseits gesetzlicher Richtlinien, auf jeden Fall aber gegen die Anweisungen seiner katzbuckelnden, meist korrupten Vorgesetzten. Eine Attitüde, die nicht nur der Kunstperson Behzat Ç. Ärger einbringt, sondern auch den Produzenten der Fernsehreihe. Denn die personifizierte Antithese zum muslimisch-türkischen Saubermann brachte schnell die Regierungspartei AKP gegen sich auf, die die Ausstrahlung der Sendung wegen Verletzung türkischer Werte verhindern wollte. Der Zensur gelang es zwar, Fluch- und Alkoholszenen aus dem Fernsehen zu verbannen, doch die unzensierte Webfassung verzeichnete daraufhin binnen weniger Stunden 130.000 Zugriffe. In „Behzat Ç. Ankara Yanıyor“ sieht man den außergewöhnlichen Kommissar zunächst als Trainer einer jugendlichen Fußballmannschaft. Nur mit Mühen kann er von Kollegen zum Wiedereinstieg überredet werden. Erst als der Vater eines seiner Spieler nach einer gewalttätigen Polizeiaktion gegen die Demonstranten zu Tode kommt, beginnt Behzat Ç., sich für das Attentat auf den türkischen Innenminister zu interessieren. Im Zuge der Ermittlungen stößt er auf ein Netzwerk aus Spitzeln, Intriganten und skrupellosen Polizisten, die den Mordanschlag ausnutzen, um die Türkei an den Rand des Bürgerkriegs zu drängen. Für türkische Zuschauer hallen Erinnerungen an die Zeit vor dem Putsch von 1980 nach, als die Militärs ihr Eingreifen mit der Eskalation der Straßenkämpfe und den vielen politischen Morden rechtfertigten. Und an das Trauma des „tiefen Staates“, jener Seilschaften, die das Land in den 1990er-Jahren mit geheimpolizeilichem Terror überzogen, um Liberale, Linke und kurdische Aktivisten zum Schweigen zu bringen. Regisseur Serdar Akar bezieht offen Stellung für die Demonstranten; er zeigt die Polizeigewalt genauso deutlich wie den polizeilichen Korpsgeist. Gegen den sind Behzat Ç. und sein Team, das zeitweilig ins Verkehrs- und Rauschgiftdezernat abgeschoben wird, nahezu machtlos. So ermitteln sie schließlich konspirativ und finden den Mörder des Innenministers und zweier weiterer Opfer. Der innere Friede ist damit nicht wieder hergestellt. Weiterhin werden Demonstranten willkürlich verhaftet und verprügelt, in der Ferne detonieren Bomben. Auf die Frage, ob das Krieg sei, antwortet Behzat: „Das ist kein Krieg, das ist Widerstand.“ Bei ihm ist das eine bloße Feststellung. So ganz ohne Pathos entfaltet dieser Satz eine tiefdüstere Ahnung. Denn trotz mancher handwerklicher Ungereimtheiten erscheint „Behzat Ç. Ankara Yanıyor“ als Geschichtsporträt in Echtzeit. Der Film zeigt auf ungeschönte Weise, wie die Türkei in einen Polizeistaat abrutscht, gegen den auch ehrliche Polizisten nichts mehr ausrichten können. Ein fürs Mainstream-Kino sensationeller politischer Kommentar, der sich schon jetzt einen Platz in der Filmgeschichte verdient hat.
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