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SIGNIS-Preis in San Sebastián für „All Dirt Roads Taste of Salt“

Katholische Jury zeichnet Drama ums Aufwachsen einer Afroamerikanerin aus Mississippi aus

Veröffentlicht am
03. Oktober 2023
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„All Dirt Roads Taste of Salt“, der Debütfilm der 33-jährigen Filmemacherin, Dichterin und Fotografin Raven Jackson wurde auf dem 71. Internationalen Filmfestival in San Sebastián (22.9.-30.9.2023) mit dem SIGNIS-Preis ausgezeichnet.


„Wir waren uns sehr schnell einig“, sagt der Präsident der argentinischen SIGNIS-Organisation und Produzent Adrián Baccaro, Mitglied der Jury in San Sebastián, zu der auch noch der baskische Priester Edorta Kortadi und der Mexikaner Édgar Rubio von der SIGNIS-Zentrale in Brüssel gehörten. Gewinner des SIGNIS-Preises beim 71. Internationalen Filmfestival in San Sebastián (22.9.-30.9.2023) ist „All Dirt Roads Taste of Salt“ der US-Amerikanerin Raven Jackson. „Viele der 16 Wettbewerbsfilme hatten etwas mit unseren zentralen Themen soziale Gerechtigkeit und Spiritualität zu tun. Aber diese poetisch gefilmte Familiengeschichte schwarzer Frauen in Mississippi hat uns sofort überzeugt.“

Der Titel „All Dirt Roads Taste of Salt“ entstammt einem Gedicht, das die Regisseurin Raven Jackson vor Jahren nach einem langen Gespräch mit ihrer Großmutter geschrieben hat: „Mein Film ist eine Hommage an die Personen, die ich liebe und ganz besonders an die schwarzen Frauen. Ich wollte sie in ihrer ganzen Stärke und Verletzlichkeit dem Publikum nahebringen“, sagt Regisseurin Raven Jackson. Sie wurde 1990 in Tennessee geboren. Ihr Debüt handelt vom Leben der Afro-Amerikanerin Mackenzie, genannt Mack, die in den 1960er-Jahren im US-Südstaat Mississippi geboren wird, von der Kindheit bis zum Erwachsensein. Dabei geht es um kindliche Geborgenheit, erste Liebe, Schmerz und Trauer. Die junge Regisseurin nahm bereits vor fünf Jahren mit einem Kurzfilm am Studentenwettbewerb NEST in San Sebastián teil und kam zwei Jahre später zurück, um in einem Drehbuchworkshop ihr Debüt zu entwickeln. Fünf Jahre hat sie an dem Film gearbeitet, gedreht wurde dann in Mississippi während der Pandemie, eine, so Jackson, wirkliche Herausforderung. Der Film wurde im Januar 2023 beim Sundance Festival uraufgeführt.


Lebensfragmente wie durch ein Kaleidoskop

Die ästhetische Umsetzung ist beeindruckend: Jackson inszeniert ihre Familiengeschichte schwarzer Frauen mit Großaufnahmen von Haut und Wasser. Der Regen, der Fluss und generell die Natur sind wichtige Elemente, die den Film in seinem Spiel der Farben, bei allen bewegten Lebenssituationen auch ruhig und meditativ wirken lassen. Lange Einstellungen geben die Fragmente einer nicht-chronologischen Lebensgeschichte wieder, die wirkt, als würde sie durch ein Kaleidoskop betrachtet: ein Baby wird im Arm gehalten und in den Schlaf gewiegt, ein Mädchen lernt fischen, ein Haus brennt. Mack sieht ihre Eltern tanzen und nimmt an einer Beerdigung teil; lange, sehr lange umarmt sie ihre erste große Liebe. Und immer wieder sind Hände in Großaufnahmen zu sehen: Hände, die in Erde greifen, Hände im Wasser. „Wir sehen die Entwicklung einer jungen Frau, wie sie lernt, wie sie über die Welt noch staunen kann, aber sich auch ganz selbstsicher inmitten der Natur bewegt“, erklärt die Regisseurin und fügt hinzu, es sei ein sehr persönlicher Film, ein Film „für Zuschauer, die nicht in Schubladen denken.“

Raven Jackson hebt ihre Heldinnen aus ihrem sozial-historischen Kontext heraus, ohne das er deswegen vergessen würde, unterstreicht Adrián Baccaro: „Der Film zeigt keine direkte Gewalt. Leid und Gewalt im Süden der USA, die Sklaverei und die Unterdrückung haben wir schon in vielen Filmen gesehen. Das haben wir schon im Kopf.“ Aber immer wieder, wenn ein Bild von John F. Kennedy oder von Martin Luther King im Hintergrund zu sehen ist, wird in kurzen Momenten der zeitliche Kontext mit seinen politischen und sozialen Unruhen wieder präsent. Über den konkreten historischen Rahmen hinaus, zeigt der Film Frauen in verschiedenen Abschnitten ihres Lebens und wie sie das Wissen und die Erfahrungen teilen und weitergeben: „Diese Gemeinschaft hat auch etwas sehr Spirituelles, im Verhalten untereinander und auch im Verhältnis zur Natur. Mich hat das sehr an die indigenen Gemeinschaften in Lateinamerika erinnert. Sie nennen das ‚La Pachamama‘, Respekt dem Mitmenschen und der Erde gegenüber.“


Seit 66 Jahren in San Sebastián vertreten

Seit 66 Jahren ist die Film- und Medienorganisation der katholischen Kirche auf dem Festival in San Sebastián vertreten. 1957 gab es zum ersten Mal eine Jury der OCIC, der Internationalen katholischen Organisation für Film, die nach dem Zusammenschluss mit der Unda, der Internationalen Katholischen Vereinigung für Radio und Fernsehen, seit 2001 als SIGNIS firmiert. Die Arbeit der Organisation gehe weit über die Festivaljurys hinaus, sagt Adrián Baccaro: „Wichtig ist, dass die guten Filme gesehen werden. Wichtig ist, dass die Filme zum Gespräch über Gesellschaft und das Leben anregen. Ich arbeite in Argentinien sehr stark mit Filmen in der Bildung, darunter auch viele Filme, die von der SIGNIS ausgezeichnet wurden, etwa ‚Machuca‘, über eine Kindheit während der Pinochet-Diktatur.“ Dabei, so Baccaro, seien die Filme Ausgangspunkt von Diskussionsveranstaltungen, aber auch praktischer Kurse zur Filmgestaltung.


Die Jurybegründung im Wortlaut:

„Durch eine sehr poetische filmische Herangehensweise, die den subtilen Erscheinungen zwischen den Wesen und der Welt Leben verleiht, gelingt es der jungen Regisseurin in ihrem Debütfilm, uns den Alltag afroamerikanischer Frauen in seinen Leiden und Freuden, seiner Liebe und seinen Verlusten nahezubringen. Diese schöne visuelle Landschaft eröffnet uns Spiritualität über Fische und Regen, Umarmungen und Mitgefühl, Gespräche und Blicke als Symbole des tiefen Geheimnisses, das in uns wohnt.“

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