Wahrscheinlich fällt Stille nie mehr auf als in Kriegszeiten. In einem Dorf im Westen Frankreichs hört man im Jahre 1915 nur die Vögel ab und an kreischen. Der „große Krieg“ mit Geschützfeuer, Explosionen, Gasangriffen und dem Leid der Soldaten findet weit entfernt im Osten des Landes statt; niemand im Dorf kann sich das so richtig vorstellen. Vereinzelt dringen zwar Nachrichten auch hierher, und bei Heimatbesuchen versichert man einander routiniert: „Wir werden siegen.“ Im Allgemeinen aber hält man sich mit nationalistischen Tönen zurück, merkt man doch allerorten, welchen Preis der Krieg fordert.
Das Schreckensbild in „Die Wächterinnen“ sind ältere, schwarz gekleidete Männer, die in den Häusern auftauchen und verlegen ihre Hüte in den Händen drehen, im Wissen, dass ihre Mitteilung Trauer und Verzweiflung auslöst. Wenn bei Gedenkgottesdiensten für die getöteten Söhne des Ortes vom „Feld der Ehre“ die Rede ist, auf dem diese gestorben seien, muss das in den bäuerlichen Ohren besonders höhnisch klingen. Schließlich weiß niemand besser als sie, dass es nicht der Tod ist, der auf Feldern gedeihen sollte.