© Leonine ("The Zone of Interest")

Neuer Kinotipp: „The Zone of Interest“

Das Auschwitz-Drama „The Zone of Interest“ ist neuer Kinotipp der Katholischen Filmkritik

Veröffentlicht am
28. Februar 2024
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Die Jury der Katholischen Filmkritik hat den Film „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer zum neuen Kinotipp gekürt. Er handelt im Sommer 1943 von dem Kommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höß, und seiner Ehefrau Hedwig, die am Rande des Vernichtungslagers in einer ländlichen Villa leben und das furchtbare Geschehen jenseits der grauen Betonmauer spielend ausblenden.


Über die Menschheitsverbrechen der Nazis gibt es viele Filme, doch nur wenige wagen sich an die Vernichtungsmaschinerie in den Konzentrationslagern heran. Der millionenfache Massenmord scheint im Kino kaum darstellbar zu sein. Denn der Ausspruch des Philosophen Theodor W. Adorno, dass nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben barbarisch sei, gilt mit guten Gründen auch für die Bilderwelten. Allzu leicht verhebt man sich künstlerisch wie moralisch beim Versuch, den Schock und das Entsetzen, die mit Orten wie Auschwitz verbunden sind, sicht- oder verstehbar machen zu wollen.

Dennoch gibt es Ausnahmen, die sich dem Holocaust in seiner brutalsten Gestalt stellen. Filme wie „Shoah“ von Claude Lanzmann oder die anderer Dokumentaristen, aber auch Spielfilme wie „Son of Saul“ von László Nemes, die sich mit hohem ethischen und konzeptionellen Aufwand bis in die Krematorien der deutschen Konzentrationslager wagen.

Der jüngste Versuch stammt von dem englischen Regisseur Jonathan Glazer, der sich in „The Zone of Interest“ die Adorno’sche Formel zu einer Art Leitschnur erkoren hat. Sein lose auf dem gleichnamigen Roman von Martin Amis beruhendes Drama erzählt vom Leben des KZ-Kommandanten Rudolf Höß und seiner Frau Hedwig, die mit ihren fünf Kindern und vielen Haushaltshilfen 1943 eine Villa in unmittelbarer Nähe zum Lager bewohnen.

Villa mit vielen Angestellten: "The Zone of Interest" (Leonine)
Villa mit vielen Angestellten: "The Zone of Interest" (Leonine)

Der Film hebt mit einer bestechenden Idylle an. Inmitten einer friedlich-grünen Natur hat sich die Familie Höß am Ufer eines Sees niedergelassen. Die Blätter rauschen im Wind, Kinder vergnügen sich im Wasser, abends kehren die Ausflügler in zwei schwarzen Limousinen in ihr herrschaftliches Haus zurück. Erst am nächsten Morgen realisiert man, dass das Anwesen unmittelbar an der Betonmauer des KZs liegt, aus dem immer wieder Schreie, Schüsse und ein düsteres Grollen herüberdringen. Doch bis auf die Silhouette eines Wachturms und dem Rauch und Feuer spuckenden Schlot des Krematoriums bleiben die Todesmühlen von Auschwitz-Birkenau außerhalb des Bildes.

Aus dieser Diskrepanz zwischen bieder-herrischer Bürgerlichkeit und dem Wissen um den industriell organisierten Massenmord erwächst eine schwer erträgliche Spannung, die keine Auflösung zulässt, sondern bis zum Schluss an den unerträglichen Widersprüchen festhält. Während Hedwig zum Kaffeekränzchen lädt, empfängt der Kommandant zwei Manager von Topf & Söhne, die ihm die neuen Krematorien in Auschwitz II erläutern, welche im Dauerbetrieb „beladen und betrieben“ werden können. Abends legt er sich dann zu seinen Töchtern ins Bett und liest ihnen mit weicher Stimme Märchen vor.

Die Jury der Kinotipps würdigt vor allem die konzentrierte Stille und den streng registrierenden Gestus der Bilder, die nichts erklären oder forcieren und gerade dadurch eine enorme Konzentration bewirken. Und die auch dann nicht verlorengeht, wenn Höß mit seinen Kindern bei einem Bootsausflug auf der Sola in KZ-Abwässer mit menschlichen Überresten gerät. Oder wenn er im Sommer 1943 nach Berlin versetzt wird, was zu einer schweren Ehekrise führt, weil seine Frau das Anwesen in Auschwitz auf keinen Fall verlassen will.

„The Zone of Interest“, so die Jury, ist ein wichtiger Film, weil er an die Ränder des Denkbaren vordringt und vor Augen führt, wie Menschen sich mit den furchtbarsten Verbrechen arrangieren können. Wobei es weniger die Täterperspektive als vielmehr die schwer aushaltbare Mischung zwischen der Ungeheuerlichkeit „auf der anderen Seite der Mauer“ und der gespenstischen Normalität eines privilegierten Daseins ist, die „The Zone of Interest“ so erschütternd macht.

Die Jury würdigt insbesondere die Anbindung des weitgehend undramatischen Films an die Gegenwart, die den Zivilisationsbruch mit der Gegenwart verbindet und das heutige Museumsgelände in Auschwitz miteinbezieht, wo die Baracken mit den Haaren, Brillen und Schuhen der Ermordeten stummes Zeugnis geben. Das ist noch immer ein Schock und verankert den Film so wortlos wie schmerzhaft in der unmittelbaren Gegenwart.

"The Zone of Interest" läuft ab 29. Februar in den deutschen Kinos (Leonine)
"The Zone of Interest" läuft ab 29. Februar in den deutschen Kinos (Leonine)

Der „Kinotipp der Katholischen Filmkritik“ hebt Filme hervor, die in besonderer Weise religiöse Themen aufgreifen, von menschlichen Nöten, Sorgen und Hoffnungen erzählen und Antworten auf existenzielle Fragen formulieren.

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