Animation | Japan 2024 | 101 Minuten

Regie: Naoko Yamada

Eine introvertierte, tiefreligiöse Schülerin eines katholischen Mädcheninternats verfügt über eine synästhetische Gabe und kann die Aura von Menschen sehen. Der Außenwelt öffnet sie sich aber erst, als sie sich mit einer verrufenen Schülerin anfreundet und zusammen mit einem ebenfalls etwas eigenwilligen Jungen eine Band gründet. Der einfühlsame, dramaturgisch gänzlich unaufgeregte, aber durch eine zarte Farbkomposition bestechende Anime erzählt von der Entwicklung dreier japanischer Jugendlicher, die über die Musik einen Weg entdecken, ihre innersten Gefühle zu offenbaren. Darüber eröffnet sich ihnen auch ein Zugang zur Gesellschaft und sogar zu ihren eigenen Familien. - Ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
KIMI NO IRO
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
TOHO/Story Inc./Science SARU/Lawson Group/East Japan Marketing & Communications
Regie
Naoko Yamada
Buch
Reiko Yoshida
Kamera
Yoshimitsu Tomita
Musik
Kensuke Ushio
Schnitt
Kiyoshi Hirose
Länge
101 Minuten
Kinostart
27.04.2025
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 10.
Genre
Animation | Anime | Coming-of-Age-Film | Drama | Jugendfilm
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IMDb | TMDB

Anime um eine synästhetisch begabte Außenseiterin in einem katholischen Mädcheninternat, die mit zwei anderen eine Band gründet und in der Musik einen Weg zu anderen findet.

Aktualisiert am
29.04.2025 - 15:11:40
Diskussion

Toko gilt im Internat als Musterschülerin, aber auch als Sonderling. Sie wird zwar nicht angefeindet, doch man begegnet ihrer Überschwänglichkeit mit einer gewissen Reserviertheit als einer Mischung aus Unglauben und Amüsement. Ernst nimmt man sie selten. Wenn sie erklären soll, was sie umtreibt, wird sie zumeist poetisch: „So wie Schmetterlinge oder Bienen von schönen Blumen angezogen werden und Delfine Töne wahrnehmen, die Menschen nicht hören können, gibt es Farben, die man eher fühlt, als dass man sie sieht. Wenn ich eine schöne Farbe fühle, dann klopft mein Herz ganz laut.“ Das ebenso aufgeschlossene wie verschüchterte Mädchen würde einem Menschen nie eine schlechte Farb-Aura attestieren. Toko sieht um die Menschen herum immer nur das Positive in allen Schattierungen. Das mag auch an ihrer Frömmigkeit liegen, die sie von ihren Mitschülerinnen im katholischen Internat unterscheidet: Toko redet gern mit Gott und weiß, dass er ihr mit dieser synästhetischen Gabe ein besonderes Geschenk gemacht hat.

Eine Katze weist den Weg

Als Teenager hat sie allerdings hormonbedingt auch mit vielen Stimmungsschwankungen zu kämpfen. Das kulminiert immer dann, wenn sie auf ihre Mitschülerin Kimi trifft und nicht weiß, wie sie reagieren soll, weil sie in ihrer Nähe ein grandioses Farbfeuerwerk verspürt. Als Kimi von jetzt auf gleich aus dem Internat verschwindet, ist es für Toko ein Schock. Es heißt, sie sei mit dem Lehrpersonal aneinandergeraten. Angeblich arbeite sie jetzt in der Innenstadt in einem Buchladen. Doch derer gibt es viele.

Toko, die an ein vorbestimmtes Leben glaubt, nimmt es als Zeichen, als sie nach vielen erfolglosen Versuchen in den Buchläden der Stadt einer Katze begegnet. Sie folgt dem Tier durch die verwinkelten Gassen in einen Hinterhofladen, in dem Kimi die Bücher sortiert. Sie fasst sich ein Herz und spricht Kimi und den introvertierten Hui an, einen Jungen ihres Alters, der als einziger Kunde die Regale durchstöbert. Zwischen den drei Teenagern scheint es eine besondere Chemie zu geben. Toko sieht es an den Farben. Daher lügt sie das erste Mal in ihren Leben, als sie vorgibt, gut Klavier spielen zu können, nur weil sie im Gespräch zufällig ein Notenheft in die Hand genommen hat.

Musik scheint ein Schlüssel im Leben der Gitarre spielenden Kimi zu sein und Hui, der komponiert, eine Art Anker, der die Gemeinschaft der drei Außenseiter verfestigt. Ein ungenutztes Kirchengebäude auf einer der Stadt vorgelagerten Insel, in dem Hui einen Übungsraum eingerichtet hat, wird zum Treffpunkt der beiden Mädchen, deren Freundschaft sich schnell verfestigt.

„The Colors within“ ist kein Film über eine absonderliche synästhetische Begabung. Die Gabe ist allenfalls ein Element, das dem Anime von Naoko Yamada eine besondere pastellene Farbdramaturgie verleiht. Im Zentrum stehen drei Teenager, die mit ihrem Umfeld hadern und mit der Schule, den Mitschülerinnen oder den Eltern nicht gut klarkommen. So lebt Hui weitgehend auf sich gestellt neben dem Elternhaus, während Kimi bei ihrer Großmutter lebt, der sie verheimlicht, dass sie vom Internat geflogen ist. Auch Toko spürt, dass sich ihre Eltern um sie sorgen, weil sie sich nicht vorstellen können, was aus ihrer Tochter werden soll. Die drei Jugendlichen bilden eine Außenseiter-Clique, die in der Gesellschaft kaum wahrgenommen wird. Umso wertvoller ist für sie die Musik, mit der sie sich ihre innersten Gefühle offenbaren und auch andere mitreißen.

Eine Reise ins Innere

Regisseurin Naoko Yamada erzählt diese Selbstfindungsgeschichte sehr unaufgeregt. Als einziger Spannungsbogen fungiert eine Aufführung im Internat, bei der die drei teilnehmen und erstmals ihre Band vorstellen wollen. Aber das kommt erst beiläufig am Ende von „The Colors within“ zum Tragen. Denn nicht der äußere Erfolg, sondern die innere Reise der Protagonisten ist entscheidend, der zu einem versöhnlichen Abschluss kommt, als schließlich auch die Eltern erkennen, was aus ihren eigentümlichen Kindern werden kann.

„The Colors within“ ist vielleicht der erstaunlichste Anime der Regisseurin, die mit „A Silent Voice“ (2016) und „Liz und der blaue Vogel“ (2018) auch früher schon in die komplexe Welt von Heranwachsenden eingetaucht ist. Auch „The Colors within“ ist eine Coming-of-Age-Geschichte. Doch das Setting ist noch ungewöhnlicher und hermetischer. Denn ihre Protagonistin ist nicht nur autistisch begabt, sondern auch tiefreligiös. Diese Orientierung wird zu keiner Zeit infrage gestellt oder gar diskreditiert. Auch die Welt des christlichen Internats unterliegt nicht wie in ähnlichen Filmen dem Klischee einer autoritären Anstalt. Die scheinbar strenge Schwester Hiyoko avanciert im Gegenteil zu einer wichtigen Bezugsperson der um Halt suchenden Toko, als sie ein Geheimnis mit dem Mädchen teilt und sich ihr im richtigen Moment offenbart.

„The Colors within“ ist ein stiller, pastellener Film, der als Solitär aus der oftmals grellen Welt der Anime herausragt.

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