Der Kaiser und sein Attentäter

Historienfilm | VR China/Japan 1998/99 | 160 Minuten

Regie: Chen Kaige

Im dritten Jahrhundert v. Chr. überzieht der Begründer der Qin-Dynastie die umliegenden Königreiche auf dem chinesischen Festland mit blutigen Kriegen, aus denen das erste "Reich der Mitte" erwächst. Nur seine Konkubine, die von einer friedlichen Vereinigung träumt, lehnt sich gegen seine Schreckensherrschaft auf und versucht, ihn mit Hilfe eines Attentäters zu stoppen. Monumentaler Historienfilm, der durch handwerkliche Brillanz und eine opulente Inszenierung besticht, wobei sich sowohl die formale Gestaltung als auch die Entwicklung der Charaktere mühelos mit vergleichbaren Hollywood-Produktionen messen lassen kann. Dafür nimmt der Film freilich deutlich politische Ambivalenzen und eine marktfähige Exotisierung der chinesischen Kultur und Geschichte in Kauf. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
JIN KE ZI QIN WANG | THE EMPEROR AND THE ASSASSIN
Produktionsland
VR China/Japan
Produktionsjahr
1998/99
Produktionsfirma
Shin Corporation/Le Studio Canal +/New Wave Co./Beijing Studio Prod./N.D.F.
Regie
Chen Kaige
Buch
Chen Kaige · Wang Peigong
Kamera
Zhao Fei
Musik
Zhao Jiping
Schnitt
Zhou Xinxia
Darsteller
Gong Li · Zhang Fengyi · Li Xuejian · Zhou Sun · Wang Zhiwen
Länge
160 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Historienfilm | Monumentalfilm
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Diskussion
Zwischen dem vierten und dritten Jahrhundert v. Chr. hatte König Shang Yang mit seinem Sieg über die nordchinesischen Nomadenvölker, der Besetzung des Shu- und des Ba-Reiches in den Bergen Westchinas sowie der Unterwerfung der Staaten Chu und Zhou die Voraussetzung für die Expansion des zentralchinesischen Königreichs Qin und die Gründung eines chinesischen Einheitsstaates geschaffen. Doch erst Shangs Nachfolger, der Fürst Zheng von Qin, konnte nach seiner Eroberung und Vernichtung der Staaten Han, Zhao, Wei, Chu, Yan und Qi den von vielen seiner Vorgänger und Gegner gehegten Traum des „Reichs unter dem Himmel“ verwirklichen. Mit dessen Gründung fand die als „Periode der Streitenden Reiche“ in die Annalen eingegangene Phase blutigster Auseinandersetzungen ihr vorläufiges Ende und wurde durch eine restriktive und nicht minder blutige Herrschaft des Qin-Staates über die unterworfenen Völker im „Reich der Mitte“ ersetzt. Als deren Herrscher ließ sich Fürst Zheng im Jahr 221 v. Chr. zum Begründer der Qin-Dynastie und dem ersten Kaiser Chinas krönen, dem bis heute sagenumwobenen Qin Shihuangdi. Den kompromisslos gewaltsamen Weg des Fürsten Zheng an die Macht des damals mächtigsten Reichs auf Erden zeichnet Chen Kaiges Historienepos in einem gelungenen Potpourri aus der monumentalen Darstellung historischer Überlieferung, der Verarbeitung chinesischer Mythen und Legenden und einer Liebesgeschichte nach, anhand derer sich die verschiedenen Stränge der Erzählung immer wieder verknüpfen und die komplizierten historischen Beziehungsgeflechte verständlich werden. Mit seinem 1999 in Cannes präsentierten, angesichts heftiger Kritik nach der Erstaufführung in der Heimat aber vollständig neu montierten und um fast eine halbe Stunde gekürzten Historienspektakel ist Chen Kaige ein Film gelungen, der sich sowohl in der formalen Gestaltung als auch in der Entwicklung der Charaktere und der aus der wechselnden Perspektive von Zhengs Konkubine sowie seines Attentäters erzählten Storyline mühelos an vergleichbaren Hollywood-Produktionen messen lassen kann. Darin verknüpfen sich die klassischen Dichotomien des Hollywood-Kinos um Kampf und Gewalt, Leidenschaft und Liebe, Verrat, Täuschung und den Träumen von Macht und Größe zu einem monumentalen Schaustück, das vor allem durch seine handwerkliche Brillanz und seine opulente Inszenierung besticht. Für diese setzten die Produzenten mit Gong Li als Konkubine des Kaisers, dem bekannten Regisseur Sun Zhou als Fürst Dan von Yan und sogar dem Regisseur selbst in der Rolle des sich selbst opfernden Kaiser-Vaters auf eine Starbesetzung und zögerten nicht einmal, den Palast des Qin-Reiches in seiner ganzen Größe zu rekonstruieren.

Nach einem ersten vorsichtigen Versuch Zhou Xiaowens aus dem Jahr 1996, die Kulisse des Qin-Staates zum Hintergrund einer Filmhandlung zu machen, ist Chen Kaige der erste chinesische Regisseur, der sich an diesen zeitlich vom gegenwärtigen Geschehen zwar weit entfernten, durch seine Legitimationsfunktion auch für die gegenwärtigen Machthaber ideologisch aber dennoch äußerst stark besetzten Stoff der Reichseinigung heran gewagt hat. Während die offizielle Geschichtsschreibung und die von den Propagandisten des Staatsapparates gepflegten Mythen, die den Blick Chinas auf seine Frühgeschichte bis heute prägen und als Grundlage nationalen Zusammenhalts herhalten müssen, die Geschichten um die Entstehung des Zentralstaates ausnahmslos glorifizieren, hat Chen Kaige eine andere Perspektive auf die Zeit und die Person des Qin Shihuangdi gefunden. Diesen zeichnet er als machtbesessenen und grausamen Herrscher ohne ethische Prinzipien. Für die Verwirklichung seiner Träume geht Zheng sogar so weit, seine Freunde, sein Volk und selbst seine eigene Mutter zu verraten und unzählige Untertanen in einen grausamen Tod zu schicken; zugleich wird er dabei aber auch als bemitleidenswertes Opfer seiner Wunschvorstellungen transparent. Einzig die Konkubine des Königs Zheng stellt sich dessen ungehemmtem Machtstreben entgegen. Sie unterhält eine Liebesbeziehung zu dem Kaiser genauso wie zu seinem Attentäter Jin Ke und dem Fürsten Dan des bedrohten Staates Yan und verfolgt dabei ihren eigenen Traum von Gewaltfreiheit und einer friedlichen Vereinigung der chinesischen Königreiche zu einem mächtigen Zentralstaat. Die Antagonismen von Krieg und Frieden, Macht und Freiheit, Hass und Liebe, wie sie auch zahlreiche westliche Filme dieses Genres prägen, hier aber durch den Traum einer „allumfassenden Liebe“ zwischen den Völkern wie auch innerhalb der Hierarchien von Staat und Familie ergänzt sind, beherrschen die Auseinandersetzungen des Films wie auch die Konstellation seiner Figuren.

Mit „Der Kaiser und sein Attentäter“ ist Chen Kaige ein Film gelungen, mit dem sich China mühelos auf dem Weltmarkt präsentieren kann und er selbst bereits im Vorfeld zum Star des nach Anerkennung strebenden chinesischen Kinos geworden ist. Von der künstlerischen Brillanz seiner früheren Werke von „Gelbes Land“ (1985) über „König der Kinder“ (1987) bis hin zu „Die Weissagung“ (1991, fd 29 505), die alle durch ihre metaphorischen Verschlüsselungen und ihre erst dadurch möglich gewordenen subtilen Einblicke in die chinesische Kultur bestachen, hat er sich mit seinem jüngsten Film freilich um Welten entfernt. Stattdessen ist die Geschichte und Kultur Chinas – ganz im Sinne des Marktes wie auch der Staatsführung, die sich seit dem Zusammenbruch des Sozialismus bevorzugt über dessen Vorgeschichte legitimiert – hier zur bloßen Kulisse und zu einer Projektion der (zweifellos beeindruckenden und unterhaltsamen) Exotisierung Chinas durch seine westlichen (!) Repräsentanten verkommen.
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