Göttliche Intervention - Eine Chronik von Liebe und Schmerz

Drama | Israel/Frankreich/Marokko 2001 | 92 Minuten

Regie: Elia Suleiman

Szenen aus einem Land im Krieg: Palästinenser streiten und verfluchen sich, oder sie treffen sich zu traurigen Rendezvous am Checkpoint. In ineinander verschachtelten Episoden und mit langen, beobachtenden Einstellungen zeigt der Film auf ebenso eigene wie beeindruckende Weise eine zerrüttete, von Feindseligkeit durchdrungene Gesellschaft. Dabei entwickelt er einen schwarzen, oft bitteren Humor und steigert sich in manche tagträumerischen Allmachtsfantasien hinein. (Auch O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
YADON ILAHEYYA | DIVINE INTERVENTION
Produktionsland
Israel/Frankreich/Marokko
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Ness/Gimages/Ognon/Soread-2M/arte France Cinéma
Regie
Elia Suleiman
Buch
Elia Suleiman
Kamera
Marc-André Batigne
Musik
Mirwais · Natascha Atlas
Schnitt
Véronique Lange
Darsteller
Elia Suleiman (E.S.) · Manal Khader (die Frau) · Nayef Fahoum Daher (der Vater) · Emma Boltanski (französische Touristin) · George Khleifi (Jerusalemer Nachbar)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Episodenfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Wenn ein Aprikosenkern auf einen Panzer trifft, entsteht nicht mehr als ein unerhebliches Geräusch. Was aber wäre, wenn der Panzer stattdessen explodieren würde? Elia Suleiman illustriert am Beginn seines Films diese Art von verzweifelter palästinensischer Fantasie: den Tagtraum, mit den eigenen ärmlichen Mitteln etwas gegen die hoch gerüsteten israelischen Invasoren ausrichten zu können. Später im Film ist es ein Mädchen, das plötzlich fliegen kann und im Ninja-Kostüm eine ganze Horde Angreifer besiegt. Dabei handelt Suleimans Film gar nicht direkt von diesem unerklärten Krieg, und schon gar nicht befürwortet er Gewalt. Im Gegenteil spiegelt er eine tiefe Resignation und Traurigkeit, die sich über die palästinensischen Städte gelegt zu haben scheint, und zudem eine Feindseligkeit, die sich im eigenen Volk breit macht. Wenn es im Film Krieg zu sehen gibt, dann ist es der alltägliche Kleinkrieg der Nachbarn, das Misstrauen und die Missgunst der Palästinenser untereinander. Dass Suleiman, der inzwischen in Paris lebt, diesen Zuständen überhaupt noch ein wenig Humor abgewinnen kann, einen trockenen und wortkargen zumal, erscheint wie ein Wunder. Dabei steckt selbst in den absurdesten Situationen, die der Film schildert, immer ein großes Stück Wahrheit. Mit scheinbar endloser Geduld und in langen Einstellungen schaut der Film zu, welcher Wahnsinn sich im Schatten der Nachrichten abspielt. Es sind kurze Episoden, die ineinander verschachtelt sind und sich zum Teil wie manisch wiederholen. Ein junger Palästinenser, den Suleiman selbst spielt, kann sich nur an einem Checkpoint mit seiner Geliebten treffen, denn zwischen seinem Wohnort, Jerusalem, und ihrem, Ramallah, ist jeder Reiseverkehr unterbunden. So sitzen sie nur im Auto, fassen einander an den Händen, während die Grenzsoldaten ihre Arbeit verrichten. Zur selben Zeit, irgendwo anders im zersplitterten Land: Ein Mann wirft regelmäßig seinen Hausmüll auf das Grundstück seines Nachbarn, ein anderer hebt beim Vorbeifahren die Hand zum Gruß und schickt sogleich einen Fluch hinterher. Ein dritter zersticht einen Fußball, ein vierter wird verfolgt, weil er ein Weihnachtsmannkostüm trägt, ein fünfter sabotiert den Versuch, die Auffahrt zu seinem Haus zu reparieren. Wie sehr die israelische Gesellschaft in den Zeiten der Intifada zerrüttet und aggressionsbeladen ist, zeigte jüngst Avi Mograbi in „August” (fd 35 461). Elia Suleimans Film macht deutlich, dass es um den inneren Zusammenhalt der Palästinenser auch nicht besser gestellt ist. Jeder ist jedermanns Feind, und Liebe lässt sich nur unter größten Schwierigkeiten aufrecht erhalten. Aber der Film erhebt sich für Momente ein kleines Stück über diese düsteren Zustände, indem er einen ebenso bitteren wie düster-komischen Ton anschlägt. Das unerschütterlich-melancholische Gesicht der Hauptfigur, das manche als keatonesk bezeichnet haben, steht für die Perspektive des gesamten Films: Er zeigt den ganzen Wahnsinn, aber er hat nicht mehr die Lust und die Kraft, sich darüber aufzuregen. Dass Andere sich sehr wohl aufregen können, offenbart die Szene, in der ein Luftballon mit einem Arafat-Abbild über einem israelischen Grenzposten schwebt und diesen in Alarm versetzt. Hier landet Suleiman dann doch kurz beim Krieg, und er zeigt, wie lächerlich er ist, wenn er nicht so traurig wäre.
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