Die Macht der Bilder - Leni Riefenstahl

Dokumentarfilm | Deutschland/Großbritannien/Frankreich 1993 | 188 Minuten

Regie: Ray Müller

Ein dreistündiger Dokumentarfilm über die Filmregisseurin Leni Riefenstahl, die mit ihren Filmen "Triumph des Willens" (1934) und "Olympia" (1936/38) zur filmischen Chefpropagandistin des Dritten Reiches avancierte. Das Porträt gibt eine "vorurteilslose" Annäherung vor, kann die politische Bedeutung der umstrittenen Regisseurin, deren ideologischer Hintergrund nicht erhellt wird, jedoch nie klar definieren. Vielmehr scheint es, als würde der Regisseur dem Charme seiner Interview-Partnerin und ihrer Selbstinszenierung erliegen. Seiner politischen Dimension enthoben, ergeht sich der Dokumentarfilm in einer ausgiebigen Würdigung der Ästhetik, die Riefenstahl in ihren Filmen entwickelte; so wird der rigorose Gestaltungswille hervorgehoben, der Wahrheitsgehalt der Bilder jedoch kaum hinterfragt. Das Ergebnis ist eine überlange Bestandsaufnahme ohne eigenen Standpunkt, die ein noch immer brisantes Thema gedankenlos behandelt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Großbritannien/Frankreich
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Omega/Nomad/ZDF/Channel Four/arte
Regie
Ray Müller
Buch
Ray Müller
Kamera
Walter A. Franke · Michel Baudour · Jürgen Martin · Ulrich Jaenschen · Horst Kettner
Musik
Ulrich Bassenge · Wolfgang Neumann
Schnitt
Beate Köster · Stefan Mothes · Vera Dubsikova
Länge
188 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (FF, Mono dt.)
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Diskussion
1978 hatte der französische Filmhistoriker Charles Ford eine heftige Huldigung und Verteidigung der "Schauspielerin, Regisseurin und Fotografin" Bertha Helene Amalia Riefenstahl (geb. am 22.8.1902 in Berlin) publiziert (deutsche Taschenbuchausgabe 1982 bei Heyne). Jahrzehntelang in Deutschland als "berüchtigste Filmemacherin des Dritten Reichs" verschrien, dazu noch übel verleumdet, wurde sie noch an ihrem 90. Geburtstag im Deutschen Fernsehen quasi totgeschwiegen. Ihren 1987 erschienenen"Memoiren: 1902-1945 Zeitgeschichte" (Ullstein-Taschenbuch 1990) hatte man ermüdende Rechthaberei und den ernüchternden Eindruck eines zähen Egoismus nachgesagt. Dessen eingedenk, versucht nunmehr Ray Müllers Dokumentation eine "Annäherung" ohne Vorurteil. Es ist Müller gelungen, mit Sorgfalt, Geduld und Beharrlichkeit weder der "Montage eines Mythos" zu verfallen noch einem diffusen Sympathisantentum Vorschub zu leisten. An Hand von Bilddokumenten und Spielfilmausschnitten verfolgt er den Werdegang der Tänzerin zur Bergfilm-Schauspielerin und Regisseurin, setzt parallel dazu Wegmarken der deutschen Geschichte vor und nach Hitlers Machtergreifung und läßt die bei den Interviews 89j ährige zu allem und jedem zu Wort kommen. Zugleich lockt er sie aus der Reserve, wenn sie sein Kamerateam korrigiert und dabei aus der Haut fährt, oder wenn sie mit leuchtenden Augen vom Schneidetisch aus die Montage des Fahneneinzugs in Gruppen nach rechts oder links in ihrem Reichsparteitagsfilm "Triumph des Willens" (1935) cineastisch erläutert. Noch ausführlicher geht Müller auf die Fotografin Riefenstahl nach 1945 ein. Anfang der 60er Jahre hatte sie bei den Nubas im Südsudan gelebt und gearbeitet, bis sie mit ihren Afrika-Bildbänden Aufsehen erregte. Als fast 80j ährige wandte sie sich dem Tiefseetauchen zu. Mit ihrem 40 Jahre jüngeren ständigen Begleiter Horst Kettner schwimmt sie fotografierend durch zauberhafte Korallengärten, Schwärme tropischer Fische und in die Nähe von Riesenrochen. Trotz dieser unterhaltsamen Ausflüge vergißt Müller keineswegs eine bohrende Schlußfrage zu den auf ihr lastenden "Schatten der Vergangenheit". Leni Riefenstahl antwortet mit einer Gegenfrage: "Wo liegt denn meine Schuld?" Offenbar kann sie ihre Verblendungen und Verstrickungen nicht in einer tieferen Einsicht erfassen. Auch diese Femseh-Dokumentation läßt brisante Fragen im Zusammenhang mit Propaganda-Filmkunst offen, die ja ebenso bei kommunistischen Agitationsfilmen von Eisenstein und Pudowkin gestellt werden können. Ihr kommt jedenfalls das Verdienst zu, durch Ehrlichkeit und Fairness nicht in den Sog der "Macht der Bilder" geraten und nicht obendrein der Beredsamkeit einer glaubhaft unpolitischen, phänomenal willensstarken Dekor-Schönheitsfanatikerin erlegen zu sein.
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