Die beste aller Welten

Drama | Österreich/Deutschland 2017 | 99 Minuten

Regie: Adrian Goiginger

Ein aufgeweckter siebenjähriger Junge wächst in einer Wohnsiedlung in Salzburg unter Drogenabhängigen auf, zu denen auch seine Mutter gehört. Ihrem Sohn zuliebe kämpft sie mit der Sucht, vermag sich aber nicht aus dem Teufelskreis von Abhängigkeit und Perspektivlosigkeit zu lösen, während der Junge immer wieder in bedrohliche Situationen gerät. Ein hautnah inszeniertes Suchtdrama, das detailgenau und differenziert ein Bild der Abhängigkeit zeichnet. Die Härte des Sujets wird durch die liebevolle Mutter-Sohn-Beziehung abgefedert, die mit Blick auf eine Überwindung der Sucht ein utopisches Potenzial entfaltet. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DIE BESTE ALLER WELTEN
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
RitzlFilm/Lailaps Pic./SWR/ORF
Regie
Adrian Goiginger
Buch
Adrian Goiginger
Kamera
Yoshi Heimrath · Paul Sprinz
Musik
Dominik Wallner · Manuel Schönegger
Schnitt
Ingrid Koller
Darsteller
Verena Altenberger (Helga Wachter) · Jeremy Miliker (Adrian Wachter) · Lukas Miko (Günter Goiginger) · Michael Pink (Grieche) · Reinhold G. Moritz (Berni)
Länge
99 Minuten
Kinostart
28.09.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
AL!VE
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Kindliche Fantasie trifft auf harte Drogen-Realität - eindringliches, autobiographisches Spielfilm-Debüt des Regiestudenten Adrian Goiginger

Diskussion

Wenn Adrian mal groß ist, will er Abenteurer werden. Der Siebenjährige ist wild entschlossen, auch wenn er nicht sicher ist, ob das überhaupt ein echter Beruf ist. Doch als seine Mutter Helga ihn darin beruhigt, spinnt der aufgeweckte Junge für sich weiter an einer Geschichte um seinen Traum. Als Helden denkt er sich dabei einen urzeitlichen Kämpfer mit Bogen, Schwert und Löwenmut aus, auf den eine schwere Mission wartet: In einer rauen Gebirgslandschaft muss er einem unheimlichen Dämon gegenübertreten, der dort in einer Höhle angekettet ist.

Den Weg des Kriegers hin zu der bösartigen Kreatur bildet der Film mit stimmungsvollen Fels- und Nebelbildern sowie einem sehr atmosphärischen Sound Design ab, zögert die Konfrontation aber hinaus. So unausweichlich diese ist, fürchtet der kleine Dichter sich doch vor dem Ende seiner eigenen Geschichte; dass seine imaginierte Schreckensgestalt den Sieg davonträgt, scheint angesichts der mächtigen Dämonen in seinem realen Leben nicht ausgeschlossen.

Ein Junge unter Drogensüchtigen

Mit ungewöhnlicher Überzeugungskraft setzt der 1991 geborene Regisseur Adrian Goiginger diese archaische Sphäre als Verfremdungsmittel ein, um in dem autobiografischen Drama „Die beste aller Welten“ die wahren Herausforderungen für die Hauptfigur zu verdeutlichen. Der tatsächliche „Dämon“, dem sich der junge Adrian stellen muss, ist die Drogensucht seiner Mutter. Der vaterlose Junge wächst in einer Wohnsiedlung am Salzburger Stadtrand inmitten eines Kreises von Junkies auf, die Helgas Wohnung als Treffpunkt nutzen und wenig Hemmungen zeigen, in Adrians Gegenwart zu koksen oder Drogencocktails zu schlucken. Die Mutter achtet zwar meist darauf, dass die lauten und streitlustigen Männer sich gegenüber ihrem Sohn zurückhalten. Doch steuert auch sie regelmäßig auf den Zeitpunkt zu, an dem sie nur noch zugedröhnt vor sich hindämmert. Das führt unweigerlich zu gefährlichen Situationen für Adrian; sei es, dass einer der Gäste ihm „zum Spaß“ Wodka einzuflößen versucht, sei es, dass er in Versuchung gerät, irgendwann doch einmal von dem „Zaubertrank“ im Kühlschrank zu kosten, den seine Mutter „nur für Erwachsene“ reserviert hat.

Schonungslos zeichnet Goiginger ein Milieu, in dem Perspektivlosigkeit die Sucht befeuert und die Abhängigen immer wieder zurückreißt. Auf ein drogenfreies Leben hoffen sie gar nicht; als einer von ihnen nach einem erfolgreichen Entzug in einer von christlichen Ex-Junkies geführten Einrichtung zurückkehrt, erwarten ihn Hohn und Ablehnung. Die Vorstellung, dass ihr Leben einen Wert in sich selbst hat, erscheint den Süchtigen doch zu kurios. Der Regisseur zeigt in dieser Konfrontation den Teufelskreis aus Abhängigkeit und latenter Selbstverachtung auf, vermeidet es dabei aber, den Drogenkonsum im Stile von „Kids“ spekulativ auszuschlachten oder ihm auch nur einen Hauch von Coolness à la „Trainspotting“ aufzusetzen.

Stattdessen macht er sich konsequent die Perspektive seines filmischen Alter Egos zu eigen; die Kamera ist oft am Boden platziert oder bildet den umherschweifenden Blick von Adrian ab, der aufmerksam beobachtet, sich aber auf vieles noch keinen Reim machen kann. Die Inszenierung lässt den Zuschauer etliche Szenen aus der Wahrnehmung des Jungen erleben, dem sein Leben durchaus nicht furchtbar vorkommt: Die Versteckspiele gegenüber einem gutgläubigen Mitarbeiter des Jugendamts sind für Adrian ein spannendes Spiel. Von der Nonkonformität seiner erwachsenen Freunde kann er immer wieder auch profitieren. Mal springt ein Ausflug mit Lagerfeuer raus, mal eine Packung Feuerwerkskörper – abenteuerliche Erlebnisse für einen Siebenjährigen, die ihn über die weniger erfreulichen Momente in seinem Dasein hinwegtrösten.

Schmerzhafte Intensität

Der junge Regisseur, der seinen Film als Studienarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg realisiert hat, bleibt hautnah an den Figuren, zeigt die Außenwelt nur sporadisch und erzeugt so eine mitunter schmerzhafte Intensität. Dass die sujetbedingte Härte dabei nie ins Unerträgliche umstürzt, verdankt Goiginger seinen phänomenalen Hauptdarstellern. Das Zusammenspiel von Verena Altenberger und Jeremy Miliker als Mutter und Sohn ist von großer emotionaler Wahrhaftigkeit geprägt, die der Film mit vielen Close-Ups einfängt.

Der Film ist als Hommage an Goigingers Mutter konzipiert. Das vermittelt sich durchweg, gerade weil er ihre Schwächen nicht verheimlicht. Bei den Versuchen, ihr Leben in den Griff zu bekommen, strauchelt Helga, rappelt sich aber Adrian zuliebe auch immer wieder auf. Der Liebe zu ihrem Kind entspringt ein fast utopisches Potenzial, gegen das die Suchtmittel auf verlorenem Posten stehen. Die Tage des Dämons sind gezählt.

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