War'n Sie schon mal in mich verliebt?

Dokumentarfilm | Deutschland/Österreich 2005 | 89 Minuten

Regie: Douglas Wolfsperger

Porträt des in Vergessenheit geratenen deutschen Schauspielers und Sängers Max Hansen, der Anfang der 1930er-Jahre ein Star war und als ausgesprochener Frauenheld galt. Wegen eines anzüglichen Liedes über Hitler musste er 1933 Deutschland verlassen und gelangte über Österreich nach Dänemark, wo er 1961 starb. Der dokumentarische Film verzichtet auf einen Off-Kommentar und lässt Archivmaterial und Ausschnitte aus Spielfilmen für sich sprechen, wobei sorgsam gestaltete Interview-Szenen das facettenreiche Bild des Porträtierten abrunden. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WAR'N SIE SCHON MAL IN MICH VERLIEBT?
Produktionsland
Deutschland/Österreich
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Icon Film/WDR/ORF/Epofilm
Regie
Douglas Wolfsperger
Buch
Douglas Wolfsperger
Kamera
Igor Luther
Musik
Haindling
Schnitt
Jean-Marc Lesguillons
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
GM Films (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Anfang der 1930er-Jahre war Max Hansen ein Star. Er sang und drehte Filme; allein zwischen 1930 und 1933 wirkte er in zehn Tonfilmen mit. Er war Komiker und Frauenheld. Doch heute kennt ihn kaum noch jemand. Selbst seine Kinder erfuhren erst lange nach seinem Tod Dinge über ihn, die sie nie vermutet hätten. Auch Douglas Wolfsperger kannte ihn nicht, bevor die Produzenten von Icon Film ihm das Thema anboten. Aber er recherchierte und fand auch jenseits der Familie noch Zeitzeugen, die Max Hansen gekannt hatten. Wie seinen wahrscheinlich größten Fan, Gerda Sasse, eine alte Dame aus Berlin, die Wolfsperger mit Hansens Sohn zusammenbringt. Solche Begegnungen und Erinnerungen sind das Kernstück dieses Dokumentarfilms über den 1897 in Mannheim unehelich geborenen Sohn einer dänischen Schauspielerin. In Filmausschnitten und Interviews spürt Wolfsperger dem Leben des Multitalents zwischen Erfolg, Emigration und Neuanfang nach – und der Atmosphäre einer vergangenen Zeit. Dass daraus ein stimmiges Porträt geworden ist, liegt daran, dass Wolfsperger in bester Dokumentarfilm-Manier auf einen Off-Kommentar verzichtet, die Interviewten nicht nur starr im Sitzen abfilmt, sondern sie auch in Bewegung bringt, und die Filmausschnitte kurz und prägnant sind. Kameramann Igor Luther hat vor allem die vielen Außenaufnahmen sorgsam kadriert und ausgeleuchtet, die Gruppe „Haindling“ steuert eine Musik bei, die stellenweise wie eine moderne instrumentale Weiterentwicklung der Hansen-Schlager klingt. Der junge Mann, der bei einer Pflegefamilie aufwuchs, entfaltete in den 1910er-Jahren im Münchner Kabarett „Simplizissimus“ sein Talent als Songschreiber und Sänger, studierte dann in Wien Gesang. Der Tenor mit den etwas weit auseinander stehenden Schneidezähnen galt wegen seiner humorvollen Lieder, Sketche und Parodien bald als der „kleine Caruso“. Er tingelte durch Varietés, spielte ab 1925 in Stummfilmen und machte Schallplattenaufnahmen. Mit zwei Kollegen gründete er in Berlin das „Kabarett der Komiker“, wurde für diverse Operetten engagiert. Vor allem seine Rolle als Leopold in Ralph Benatzkys „Im weißen Rössl“ (1930) machte ihn bekannt. 1933 musste er emigrieren – wegen eines Songs aus dem Jahr 1928, der nach der Machtergreifung der Nazis politisch brisant geworden war. In der dritten Strophe des Schlagers „War’n Sie schon mal verliebt in mich?“ heißt es: „Hitler und der Siggi Cohn kennen sich seit Jahren schon / Eines Tages ging’n sie aus miteinand’ ins Hofbräuhaus / Doch schon bei der fünften Maß, werden Hitlers Augen nass / Er umarmt den Siggi Cohn und stottert blass: / Warst du schon mal in mich verliebt? Das ist das Schönste, was es gibt.“ Der schwule Hitler war zuviel. Hansen ging nach Wien, wo man ihn mit offenen Armen aufnahm und er die damals noch unbekannte Sängerin Zarah Leander als seine Partnerin in Benatzkys „Axel an der Himmelstür“ an seine Seite holte. Als sich auch Österreich zu Hitler bekannte, floh Hansen nach Dänemark und drehte dort und in Schweden bis 1951 noch ein Dutzend Filme. Mit 43 Jahren heiratete er eine 19-jährige Dänin, mit der er drei Kinder hatte.1956 erlitt rr einen Schlaganfall; am 13. November 1961 starb er in Kopenhagen. Als die Nazis in Dänemark einmarschierten, plagte Hansen große Angst, dass seine halbjüdische Abstammung publik werden könnte; deshalb ließ er sich einen arischen Offizier als Vater seiner Kinder vermitteln (Freiherr Schürl von Waldheim zu Mellingholm) – was auch diese erst lange nach seinem Tod erfuhren, ebenso wie die Tatsache, dass ihr echter Vater Jude war. Frank und frei sprechen seine Töchter Eva und Ann-Mari und Sohn Max über Erlebnisse mit dem Vater, auch über seine Liebschaften. Das tut auch Brigitte Mira (die mittlerweile ebenso wie Gerda Sasse verstorben ist): „Ich soll die einzige Kollegin sein, die kein Verhältnis mit ihm hatte, aber das lag nicht an mir“, sagte sie lächelnd. Eine andere Kollegin schwärmt von seiner Ausstrahlung und seinem Charme, und Gerda Sasse vergleicht immer wieder ihre Lebenssituation mit der ihres Idols. Demnach muss Hansen wirklich so gewesen sein wie seine Lieder und Rollen: charmant, manchmal frech und immer voller Tatendrang. Acht Songs und etwa zwei Dutzend Ausschnitte aus seinen deutschen und dänischen Filmen komplettieren den Dokumentarfilm über einen vergessenen Star, von dem auch deutsche Filmlexika nur wenig wissen. Ein Rätsel bleibt indes, warum Wolfsperger nicht die Namen der Interviewten, die Titel der Songs und der Filmszenen einblendet; denn wer hat schon „Das Kabinett des Dr. Larifari“ (1930), „Das hässliche Mädchen“ (1933) oder „Glückliche Reise“ (1933) gesehen und erinnert sich spontan daran?
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