Crash Test Dummies

- | Deutschland/Österreich 2005 | 97 Minuten

Regie: Jörg Kalt

Ein junges rumänisches Paar kommt nach Wien, um ein gestohlenes Auto zu überführen, was auf Anhieb nicht klappt. Dafür lernen die beiden gleichaltrige Österreicher kennen und erleben mit Menschen, die sich alle irgendwie durchs Leben bringen und nie die Hoffnung verlieren, tragikomische Augenblicke, die man kaum für möglich hält. Ein dreisprachiger, sorgsam konstruierter, stets glaubwürdiger Ensemble-Film mit amüsanten Slapstick-Szenen über die Liebe und das Leben, in dem das Geld ins Zentrum einer Parabel über das Leben in einer „europäischen Gemeinschaft“ rückt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CRASH TEST DUMMIES
Produktionsland
Deutschland/Österreich
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
ICON Film/Amour Fou
Regie
Jörg Kalt
Buch
Jörg Kalt · Antonin Svoboda
Kamera
Eva Testor
Musik
Bernhard Fleischmann
Schnitt
Emily Artmann
Darsteller
Maria Popistasu · Bogdan Dumitrache · Simon Schwarz · Kathrin Resetarits · Viviane Bartsch
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
MFA (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Der tragikomische Humor vieler Slapstick-Stummfilme à la Buster Keaton schwebt über fast allen Szenen dieser Momentaufnahme junger Leute aus Wien kurz vor Beitritt der neuen osteuropäischen EU-Staaten. Auch wenn sie es nicht merken: In gewisser Weise sind alle Figuren die „Crash Test Dummies“ des Titels, nicht nur Martha, die sich wirklich als lebendes Objekt im Auto-Beschleunigungs-Aufprall-Simulator ihr Geld verdient – und sich nach jedem Test ein paar Minuten länger übergeben muss. Sie hofft aber, dass es einmal besser werden wird. Auch das eint die Hauptfiguren. Neben Martha geht es um ihren seltsamen Wohnungsgenossen Jan, der gerade als Kaufhaus-Detektiv anfängt, aber dazu keine rechte Lust hat und immer noch hofft, dass Rita, seine im selben Haus wohnende Ex-Freundin, zu ihm zurückkommt – schließlich ist sie nicht schrecklich unfreundlich, wenn er sie bei ihrer Arbeit im Krankenhaus besucht. Doch richtig lebenslustig ist nur Dana, die im Reisebüro arbeitet – auch wenn sie selbst nicht reist. Das tun aber Nicolae und Ana, ein junges Paar aus Rumänien. Mit dem Bus sind sie von Bukarest nach Wien gekommen, um Geld zu verdienen, indem sie ein gestohlenes Auto über die Grenze schmuggeln. Ihre Odyssee durch Wien ist die Klammer, die alles zusammenhält, ihre kurzen Glücksmomente inmitten einer Welt voller mehr oder weniger dahinvegetierender junger Zeitgenossen treiben die Handlung voran. Die beiden Rumänen, die kein Deutsch, aber passabel Englisch sprechen, kommen frohen Mutes an und verbringen den Tag als Touristen, soweit das mit wenig Geld möglich ist, um dann abends ihren halb betrunkenen Mittelsmann Arpad zu treffen, der ihnen sagt, dass das Auto zum Überführen noch nicht da ist. Das Pärchen nutzt die Zeit, streunt ziellos, aber glücklich durch Wien, schläft im Park (auch miteinander), schließt Freundschaft mit anderen jungen Leuten. So kreuzt sich ihr Weg auch mit dem der anderen Protagonisten: Es kommt zu Annäherungen, Liebeleien, slapstick-haften Zwischenspielen. „Crash Test Dummies“ ist der erste lange Film von Jörg Kalt: eine österreichische Produktion, aus dem Umfeld der Clique um Barbara Albert (sie spielt mit als Jans Ex-Freundin), die immer wieder ähnliche Filme von Menschen am Rand ihres Lebens dreht. Doch „Crash Test Dummies“ stellt nicht die Österreicher in den Mittelpunkt, sondern das rumänische Paar. Allein durch die Sprachen (Rumänisch, Englisch, Deutsch) entsteht so fast schon eine Parabel auf die EU und auf die Begegnung mit hoffnungsfrohen Menschen aus den neuen Ostländern. Zumal Kalt die gängigen Klischees meidet und es schafft, Personen und Episoden immer wieder neu und überraschend zusammenzuführen. Bei ihm sprechen die jungen Wiener nicht zäh und gemütlich – sie sind es auch nicht –, auch zeigt er keine Schönheiten Wiens, sondern ein Einkaufszentrum, den Bahnhof, einen Park und Straßen, wie sie am Rande jeder europäischen Großstadt vorkommen. Auch das macht den Film sympathisch und wohltuend anders. Hinzu kommen die Absurditäten, die schnell zu Realitäten werden, angefangen mit Martha als menschlichem Dummie, die ihre Tests träumerisch über sich ergehen lässt, ohne sich Sorgen um ihre Gesundheit zu machen. Simon Schwarz überrascht als Jan mit blonder Perücke, die ihn seriös-langweilig und fremd aussehen lässt. Stipe Erceg als Rumäne, der betont, er sei keiner, gibt eine traurige Gestalt à la Kaurismäki; die nuttig wirkende Reisebüro-Frau offenbart Charakterzüge, die man ihr nicht zutraut. Doch Kalts Helden sind die Stehaufmännchen Ana und Nicolae, die sich von den großen und kleinen Rückschlägen – auch in ihrer Beziehung – nicht den Ausflug zerstören lassen. „Crash Test Dummies“ ist eine wohltuende augenzwinkernde Studie über das Überleben in schweren Zeiten, ein schönes Gegenstück zu den meisten Filmen der Berliner Schule, wo alle egozentrisch und wortkarg einander das Leben schwer machen, inszeniert mit einer Leichtigkeit, wie man sie von Robert Altmans Ensemble-Filmen kennt.
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