Paula Modersohn-Becker. Ein Atemzug

Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 83 Minuten

Regie: Nathalie David

Essayistischer Film über Leben und Kunst der Malerin Paula Modersohn-Becker (1876-1907), der den engen Rahmen eines Künstlerporträts sprengt, indem er die Bilder mit einem mehrstimmigen "Hörspiel" aus Briefen, Tagebucheinträgen und vertonten Rilke-Gedichten unterlegt, die durch vorzügliche Sprecher interpretiert werden und dem Film einen spannenden erzählerischen Resonanzraum öffnen. Dies verleiht der Dokumentation eine große Lebendigkeit, die Wesen und Motivation der Künstlerin eigenständig erhellt. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Rabbit & Dragon prod./Paula Modersohn-Becker Museum
Regie
Nathalie David
Buch
Nathalie David · Kim Menzel
Musik
Henry Altmann
Länge
83 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
In beinahe allen Museen dieser Welt bleibt ein kleines Kabinett den angewandten Künsten vorbehalten. Meist liegt dieser bestuhlte Raum ein wenig abseits des Ausstellungsparcours und führt das Publikum mit bewegten Bildern in das zur Schau gestellte Thema ein. Hier hat das Genre des musealen Lehrfilms seine Nische, auf halber Wegstrecke zwischen Lichtspiel und Bildungsfernsehen. Selten genug findet eine derartige Auftragsarbeit den Weg nach draußen in die Kinolandschaft, doch mit Nathalie Davids essayistischem Film über Leben und Kunst der Malerin Paula Modersohn-Becker ist dies gelungen. Tatsächlich geht Davids Darstellung weit über das in diesem Genre Übliche hinaus: Statt einer schlichten Einführung in das Werk entwirft sie ein mehrstimmiges Hörspiel aus Briefen, Tagebucheinträgen und vertonten Gedichten Rainer Maria Rilkes, das von den laufenden Bildern weniger illustriert als um eine sachlich-poetische Ebene ergänzt wird. Auch David erledigt dabei natürlich ihre Pflicht und fährt die Bildergalerien ihres Auftraggebers, des Paula Modersohn-Becker Museums in Bremen, ab, sie rückt die originalen Handschriften ins Bild und erkundet die Orte von Modersohn-Beckers Leben mit der Kamera. Doch hält sie auf der Reise zu den Schauplätzen Paris und Worpswede stets Abstand zu den Dingen, zeigt allenfalls Fragmente und eröffnet damit den durch vorzügliche Sprecher interpretierten Selbstzeugnissen einen erzählerischen Resonanzraum. Eine eingehende kunsthistorische Beschäftigung mit dem Werk kommt auf diese Weise zwar nicht zu Stande, doch was in „Paula Modersohn-Becker. Ein Atemzug“ an Katalogwissen fehlt, gewinnt in der Darstellung an Lebendigkeit. Wie aus ihren Bildern spricht auch aus den Briefen der früh verstorbenen Malerin ein schwärmerischer Zug, der das Wesen ihrer Kunst erklärt, aber auch das Unverständnis, das Modersohn-Becker als Wegbereiterin des Expressionismus lange Zeit entgegen schlug. Am Anfang ist es vor allem der um das finanzielle Auskommen seiner Tochter besorgte Vater, der ihr künstlerisches Talent gerne in abgesicherte Bahnen gelenkt sähe. Um 1900 dann, bei ihrer ersten Gruppenausstellung mit Clara Westhoff in Bremen, fährt ein Kritiker schwere Geschütze gegen ihr scheinbar plumpes, in Wahrheit aber hoch empfindsames Naturbild auf. Im fiktiven Dialog zwischen der damals noch Paula Becker heißenden Novizin, ihrer Mutter, ihrem späteren Ehemann, dem Maler Otto Modersohn, und dem befreundeten Dichter Rainer Maria Rilke werden schließlich die weiteren Lebensstationen heraufbeschworen: Die Lehrjahre in Worpswede, die prägenden Aufenthalte in Paris, die Heirat mit dem verwitweten Modersohn, gefolgt von Eheproblemen, die in eine vorübergehende Trennung münden. Dann die erste Anerkennung ihrer Kunst und schließlich der frühe Tod nach der Geburt des ersehnten Kindes. Gabriela Maria Schmeide, die Modersohn-Becker ihre Stimme leiht, lässt diese Jahre lebhaft mitverfolgen, sie unterschlägt das Backfischhafte nicht und nicht die zeitweise Ernüchterung der späteren Ehejahre. Man hört Modersohn-Becker geradezu erwachsen werden, am Leben reifen für ihre Kunst. Gestorben ist sie als Unvollendete mit nur 31 Jahren. Der Legende nach verließ sie die Welt mit den Worten: „Wie schade!“. Ein Urteil, dem sich auch die Kunsthistorie bald angeschlossen hat.
Kommentar verfassen

Kommentieren