Das Ding am Deich - Vom Widerstand gegen ein Atomkraftwerk

Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 99 (24 B./sec.)/96 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Antje Hubert

Dokumentarfilm über das Leben in Brokdorf an der Unterelbe, wo 1986 trotz heftiger Proteste ein Atomkraftwerk ans Netz ging. Im Gespräch mit unterschiedlichen Personen wird das gegenwärtige Verhältnis zum Kraftwerk ebenso beleuchtet wie die Protestbewegung der 1980er-Jahre. Der Fokus liegt allerdings auf der Gegenwart, in der das Kraftwerk nach wie vor für Konflikte sorgt. Ohne Kommentar und Musik, dafür mit stimmungsvollen Stillleben einer trügerischen Idylle versetzt, gelingt ein eindrucksvolles Porträt des Dorfs. Ein bemerkenswerter Beitrag zur deutschen Nachkriegsgeschichte. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
thede Filmproduktion
Regie
Antje Hubert
Buch
Antje Hubert
Kamera
Barbara Metzlaff
Musik
Tivadar Nemesi
Schnitt
Magdolna Rokob
Länge
99 (24 B.
sec.)
96 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
23.08.2012
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Für ältere Atomkraftgegner ist Brokdorf in etwa das, was Woodstock für Rock-Veteranen darstellt. Wer in den 1970er- und 1980er-Jahren nicht an den umfangreichen Demonstrationen gegen den Bau des AKWs an der Unterelbe teilgenommen hat, konnte sich nicht wirklich zur Bewegung zählen. Genutzt haben all die Proteste bekanntlich wenig. 1986 ging das Kraftwerk ans Netz und das Dorf, das zum Synonym für den Widerstand gegen die Nuklear-Technologie in Deutschland avanciert war, verschwand wieder aus den Schlagzeilen. In ihrem Dokumentarfilm geht es Antje Hubert weniger um einen nostalgischen Rückblick auf die Zeit der Proteste denn um einen unverstellten Blick auf den Alltag jener Menschen, die nunmehr seit Jahrzehnten in unmittelbarer Nähe des AKWs leben. Ihren Frieden mit dem „Ding am Deich“, wie sie es despektierlich nennen, haben bis heute die Wenigsten gemacht. Da sitzen Bauern und rüstige Rentner in ihren altdeutschen Wohnstuben, blättern in Fotoalben mit säuberlich eingeklebten Bildern aus Protesttagen und erzählen, wie sie einst von konservativ braven Bürgern zu engagierten Widerständlern wurden. Er habe damals, sagt einer, den Glauben an den Rechtsstaat verloren. Weshalb er heute noch regelmäßig die gelbe Fahne mit der roten Sonne hisst. Derweil hat es sich der ehemalige Bürgermeister der Nachbargemeinde Wewelsfleth zur Lebensaufgabe gemacht, der Frage nachzugehen, ob die steigende Zahl der Krebserkrankungen in der Region, denen auch seine Frau zum Opfer fiel, etwas mit dem AKW zu tun haben könnte. Sein Brokdorfer Ex-Kollege hatte hingegen noch nie ein Problem mit dem Atomkraftwerk. Schließlich biete das Unternehmen „wunderschöne Arbeitsplätze“ und bringe ordentlich Steuergeld in die Gemeindekasse, sagt er. Vielleicht ist es das einzige Manko des Films, dass der Mann der einzige Fürsprecher des AKWs ist, der hier in Erscheinung tritt. Schließlich ging offenbar schon damals ein Riss durch die Gemeinde, als viele Bewohner demonstrierten, während andere die Wohltaten der Landesregierung begrüßten, die dem Ort noch während der Planungsphase des Kraftwerks unter anderem ein Schwimmbad spendierte. Ansonsten lebt der Film, der ohne Kommentar auskommt, in erster Linie von seinen beredten Protagonisten und ihren Erzählungen. Was bisweilen durchaus humorvolle Züge hat. So etwa, wenn sich eine betagte Hausfrau erinnert, wie damals Demonstranten aus der ganzen Bundesrepublik ins Dorf einfielen, mit Herbergen und heißem Tee versorgt werden mussten. Wofür sich die „Profis“ mit Tipps wie dem bedankten, dass man auf Demonstrationen nie ohne „Friesennerz“ und Schwimmbrille gehen sollte, um dem Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas trotzen zu können. Die Geschichte des damaligen Protestes erzählt der Film anhand von Archivbildern umfassend – und interessiert sich dennoch auf wohltuende Art primär für die Gegenwart. Dazu kreiert Kamerafrau Barbara Metzlaff in ruhigen Einstellungen immer wieder wunderbare Stillleben vom Leben in der trügerischen Idylle am Elbufer. So verbindet diese sehenswerte, souverän gemachte Dokumentation die über ein Jahr währende Langzeitbeobachtung eines Dorfes und seiner Bewohner mit der Rekonstruktion eines bedeutenden Stückes bundesdeutscher Nachkriegsgeschichte.
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