Appropriate Behavior, einfach ungezogen

Komödie | USA 2014 | 86 Minuten

Regie: Desiree Akhavan

Liebenswert unaufgeregte Komödie um den chaotischen (Liebes-)Alltag einer jungen bisexuellen New Yorkerin mit iranischen Wurzeln. Auf der Suche nach ihrer Identität hüpft die Stadtneurotikerin, getrieben von Kummer über eine in Rückblenden entfaltete Liebesgeschichte, von einem Bett und einem Fettnäpfen ins nächste. Die Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin in Personalunion überzeugt als Individualistin mit selbst-ironischem Charme und natürlicher Ausstrahlung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
APPROPRIATE BEHAVIOR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Parkville Pic.
Regie
Desiree Akhavan
Buch
Desiree Akhavan
Kamera
Christopher Teague
Musik
Josephine Wiggs
Schnitt
Sara Shaw
Darsteller
Desiree Akhavan (Shirin) · Rebecca Henderson (Maxine) · Halley Feiffer (Crystal) · Ryan Fitzsimmons (Brendan) · Anh Duong (Nasrin)
Länge
86 Minuten
Kinostart
14.05.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl.)
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Liebenswert unaufgeregte Komödie um den chaotischen (Liebes-)Alltag einer jungen bisexuellen New Yorkerin mit iranischen Wurzeln

Diskussion
Eigentlich möchte Shirin nur neue Unterwäsche kaufen. Ihre Ex-Freundin Maxine hat im Trennungsstreit sämtliche Slips zerschnitten, so dass sie dringend Ersatz braucht. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin sucht sie also in einer New Yorker Designerboutique nach Leibwäsche für eine Frau, „die sich ihrer Sexualität bewusst ist und keine Angst vor Veränderungen hat“. BHs, sagt sie, brauche sie aufgrund ihrer geringen Oberweite nicht. Der mitleidige Blick, mit dem die Verkäuferin Shirin daraufhin ins Visier nimmt, gerät derart durchdringend, dass er keinerlei Widerspruch duldet: „Sie sind eine Frau und haben Brüste, an denen es nichts auszusetzen gibt.“ Im Tonfall einer Therapeutin überhöht die Verkäuferin das Tragen eines BHs zum Statement selbstbewusster Weiblichkeit und deutet den Verzicht darauf als Unterdrückung der eigenen Persönlichkeit. Dass die von Feministinnen einst demonstrativ verbrannten Büstenhalter von einer schnieken Upperclass-Verkäuferin zum Symbol selbstbestimmter Identität verklärt werden, erscheint Shirins Begleiterin derart absurd, dass sie mit offenem Mund und aufgerissenen Augen ungläubig bestaunt, wie Shirin dieser bizarren Lingerie-Philosophie immer inbrünstiger zustimmt. Zur Hölle mit politischer Korrektheit! Von Anfang an verfährt Desiree Akhavan in ihrem Regiedebüt „Appropriate Behavior, einfach ungezogen“, zu dem sie auch das Drehbuch verfasste, nach eben diesem Motto. Allerdings ist sie dabei keineswegs auf Provokation gebürstet. Statt auf moralische Imperative setzt sie auf Zwischentöne und auf sich selbst in der Hauptrolle Shirins, einer bisexuellen New Yorkerin mit iranischen Wurzeln. Dass Shirin ihren reichen, gebildeten und säkularen Eltern noch immer verschweigt, dass sie sich auch zu Frauen hingezogen fühlt, ist nur eines von vielen Problemen, mit denen sie sich in ihrem Leben herumschlägt. Freilich eines, unter dem die in Rückblenden entfaltete Beziehung zur politisch engagierten Maxine zunehmend leidet. Anders als häufig sonst im Queer-Kino erscheint das Coming-Out bei Akhavan nicht als gordischer Knoten, den es nur zu durchtrennen gilt, um prompt zu seinem Glück zu finden. Shirin fühlt sich überall und nirgends so richtig zu Hause. Dabei würde sie eigentlich doch gerne dazugehören. Doch weder auf einem traditionellen Neujahrsfest von Exiliranern oder bei einer schwul-lesbischen Clubparty noch in der avantgardistischen Kunstszene kommt sie mit den ungeschriebenen Konventionen zurecht. Auf der Suche nach ihrer Identität hüpft die vom Liebesschmerz getriebene Stadtneurotikerin von einem Bett und einem Fettnäpfchen ins nächste. Wie einst Woody Allen dürfte auch Desiree Akhavan ihrer Figur autobiografische Züge verpasst haben. Akhavan, die schon mit „The Slope“, einer Web-Serie über „oberflächliche, homophobe Lesben“, das bisweilen arg selbstgefällige, grell-behäbige Queer-Filmgenre munter aufmischte, stammt wie ihre Hauptfigur aus einem iranischen Elternhaus und lebt in Brooklyn. Und ähnlich wie der „Stadtneurotiker“ Alvy Singer ist ihre sozialtolpatschige Individualistin mit einer gehörigen Portion Selbstironie gesegnet. Die peinlich-seltsamen Situationen, in die Shirin ein ums andere Mal hineinschlittert, wären dramaturgisch durchaus auch Sitcom-tauglich. Die BH-Szene könnte ebensogut in „Sex and the City“ spielen, einer Serie, die Shirin liebt, obwohl sich das, wie Maxine findet, ja eigentlich nicht gehört. Inszenatorisch allerdings hat Akhavans wunderbar beiläufiger Humor kaum etwas mit dem grellen Pointen-Posing solcher Seifenopern gemein. Akhavan gibt mit ihrer zurückhaltend charismatischen Darstellung Shirins den lakonischen Tenor des Filmes vor. Ein vielsagender Seitenblick oder ein kurzes Stocken in der Stimme können so wunderbar komisch sein. Bei Akhavan wirkt das ganz leicht und selbstverständlich, beinah wie früher bei Woody Allen, vor seinen nostalgisch-missionarischen Tagen, als er Konservativen und Linksintellektuellen noch gleichermaßen den Spiegel vorhielt. Auch Akhavan macht sich als Shirin über alle ein wenig lustig, weil sie sich selbst nicht so furchtbar ernst nimmt. Ohne zu viel verraten zu wollen: Das Happy End kann in einem so erfrischend anarchischen wie zugleich liebenswert-weisen Film natürlich nicht darin bestehen, innere Widersprüche zu überwinden. Es muss genügen, einfach nur ein bisschen besser damit klarzukommen.
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